Bürgerpräsident Köhler bleibt untätig
13. Februar 2009
Eduard Zeterea
fragt sich:
Hat sich der Bundespräsident Horst Köhler auch nur ein einziges mal zum Verlust des Welterbe Dresdner Elbtal geäußert?
Nun lehrt uns die Kommunikationswissenschaft: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Will sagen: Selbst, wenn man zu einer Sache schweigt, kommuniziert man damit doch zumindest, dass sie einem gleichgültig ist oder dass man ihr gar seine Zustimmung bewusst versagt. Diese Regel gilt nicht nur für das Kommunizieren. Sie gilt auch für das Handeln, wie uns das folgende Beispiel zeigt:
Susanne Knaack, Mitinitiatorin des Bürgerbegehrens „Welterbe erhalten – Elbtunnel bauen“, schrieb am 20.01.2009 einen Brief an den Bundespräsidenten Horst Köhler. Darin bat sie ihn, das Ringen um die Realisierung einer welterbeverträglichen Elbquerung in Dresden mit seiner Autorität zu unterstützen. Die Antwort aus dem Bundespräsidialamt kam prompt, am 03.02.2009. Das ist überraschend – weniger ist es ihr Inhalt:
Zunächst heißt es: „Der Bundespräsident verfolgt die Diskussion … aufmerksam und hat sich umfassend … unterrichten lassen.“ Das bedeutet schon einmal, dass Horst Köhler sehr genau weiß, worum es – auch für das Ansehen der Bundesrepublik – geht. Bedauerlicher Weise, heißt es weiter, und „mit Blick auf das anhängige gerichtliche Verfahren muss er [der Bundespräsident] es sich versagen, in der Sache Stellung zu nehmen.“ Diese Begründung überrascht nur noch den, der nicht weiß, dass in der Angelegenheit im Laufe der vergangenen Jahre ein gutes Dutzend Briefe an den Bundespräsidenten gegangen sind und allesamt mit dieser oder einer ähnlichen Absage beschieden wurden.
Damit könnte man es bewenden lassen. Die Schreibfreudigen unter den Welterbefreunden können sich getrost ein anderes Betätigungsfeld suchen. Eines muss aber noch klargestellt werden: Es ist keineswegs so, dass der Bundespräsident nicht vermittelnd tätig werden kann. Nein, Fakt ist, dass er nicht tätig werden will. Wie das?
Zunächst einmal ist das Thema für den Bundespräsidenten relevant. Dass er ihm Aufmerksamkeit schenkt, sagt er selbst. Darüber hinaus wäre festzuhalten, dass in Dresden seit Jahren und mit einer solchen Hartnäckigkeit über das Thema gestritten wird, weil es eben nicht nur um die Ausgestaltung einer Verkehrslösung geht. Am Brückenbau hat sich vielmehr eine grundsätzliche Wertedebatte entzündet. Im Kern geht es um die Frage, wie verantwortungsbewusst und nachhaltig wir mit dem (Welt-, Natur-, …) Erbe unserer Vorväter umgehen wollen. Wollen wir es verbrauchen (für eine Fahrzeitersparnis) oder wollen wir es erhalten (für unsere Kinder)? Sowohl der Umstand, dass es hier um eine Frage allgemeiner gesellschaftlicher Relevanz geht, als auch die Tatsache, dass die Bürgerschaft einer ganzen Stadt darüber tief gespalten ist, und dass überdies die Kommunal- und Landespolitik offensichtlich unfähig (wenn nicht gar unwillig) ist, Kompromisse zu finden, sollten Horst Köhler eines deutlich machen: Es bedarf tatsächlich einer Instanz wie dem Bundespräsidenten, um die verhärteten Fronten aufzulösen. Es gibt nur wenige, die wie er so weit über den Dingen stehen, dass nicht auch ihr Wort sofort als Parteinahme begriffen wird und so von allen Seiten gleichermaßen Gehör findet. Wen gäbe es noch?
Im übrigen geht der Verweis auf „anhängige gerichtliche Verfahren“ am Thema vorbei: Der Konflikt in Dresden kann nur auf politischem Wege gelöst werden. Gerichte können das nicht leisten. Überdies klingt der Verweis an sich wenig überzeugend. Bedenken wir doch bitte eines: Es ist wohl eher die Regel als die Ausnahme, dass der Bundespräsident von Bürgern angerufen wird, wenn (in welchem Zusammenhang auch immer) das Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens dem gesunden Menschenverstand oder ihrem natürlichen Rechtsempfinden zuwider läuft. Würde es sich der Bundespräsident tatsächlich in allen diesen Fällen „versagen, in der Sache Stellung zu nehmen,“ muss schon die Frage erlaubt sein: Wozu brauchen wir dann einen Bürgerpräsidenten?
All das legt den Schluss nahe, dass Horst Köhler sich an der Dresdner Welterbedebatte nicht beteiligen will.
Warum das so ist, darüber soll an dieser Stelle nicht spekuliert werden. Dazu kann sich jeder selbst seinen Teil denken. Erinnert sei nur noch einmal an die Kommunikationswissenschaft. Sinngemäß könnte unser Lehrsatz auch lauten: „Man kann nicht nichts tun.“ Will sagen: Wenn man in einer Angelegenheit nichts tut, so lässt man doch zumindest etwas geschehen.
Es gibt viele, die sich letzten Endes um den Bau der Waldschlößchenbrücke und die Zerstörung des Welterbe Dresdner Elbtal „verdient“ gemacht haben werden. Die einen durch ihr Tun, die anderen durch ihr Unterlassen. Letztere sind auffallend häufig in Berlin anzutreffen. Von ihnen allen wird der Verlust des Welterbes ganz gewiss bedauert werden. Auch von Horst Köhler. Vielleicht sogar in einer Sonntagsrede.