Hilbert(t)räume
12. Dezember 2009
Eduard Zetera
liest einmal etwas aufmerksamer
Sprache ist mehr als Blut.
Franz Rosenzweig
In der SZ vom 09.12.2009 finden wir unter der Überschrift „Umweltzone ist bei Dresdnern heftig umstritten“ folgende Passage:
Dresden droht die Umweltzone, nachdem in diesem Jahr die zulässigen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid überschritten wurden. An zahlreichen Straßen ist die Luft so verschmutzt, dass es die Gesundheit der Anwohner gefährdet. Umweltbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) kündigte an, keinesfalls bequemes Autofahren der Gesundheit vorzuziehen.
Das klingt ein wenig so, als ob Dirk Hilbert für den Fall, dass im Jahr 2011 die Luft gesundheitsgefährdend wäre, das bequeme Autofahren einschränken würde (das ist Konjunktiv II). Nun formuliert aber schon die SZ bereits: „… nachdem in diesem Jahr die zulässigen Grenzwerte … überschritten wurden [im Präteritum].“ Das heißt aber (als Konjunktiv II im Plusquamperfekt, d.h. Irrealis der Vergangenheit): Wenn Dirk Hilbert tatsächlich um unser aller Gesundheit besorgt wäre, dann müsste er das bequeme Autofahren längst eingeschränkt haben. Hat er aber nicht.
Wie kommt es nun bei Dirk Hilbert zu einer derart verzögerten Wahrnehmung? Ganz einfach: Die EU gibt Grenzwerte vor, die Dirk Hilbert ab 2011 schlicht nicht mehr ignorieren darf. Aber eben erst ab 2011.
Bereits zwei Tage zuvor hatten wir in der SZ zur gleichen Thematik gelesen: „Der Umweltamtschef geht davon aus, dass die neuen Zahlen zwingend ab 2011 zur Umweltzone führen.“ Gleichwohl hat Dirk Hilbert schon ein Konzept entwickelt, mit dem er die von ihm gepflegte Realitätsverweigerung noch ein wenig über die Zeit retten kann. Staunend lesen wir denn auch an der oben zitierten Stelle in der SZ weiter:
Außerdem will er [Dirk Hilbert] Dresden als Modellregion für Elektroautos voranbringen.
Das klingt aus seinem Munde zunächst einmal angemessen, schließlich hat er als kleiner Wirtschaftsminister die Aufgabe, Optimismus und Visionen zu verbreiten. Vielleicht hält er es ja auch mit Roman Herzog, der in seiner bekannten Ruck-Rede formulierte: „Visionen sind nichts anderes als Strategien des Handelns. Das ist es, was sie von Utopien unterscheidet.“ – Allerdings fällt die Hilbertsche Vision von der „Modellregion für Elektroautos“ derart unvermittelt vom Himmel, dass wir diesen Vorschlag etwa so ernst nehmen dürfen wie die Bemühungen seiner Berliner Parteifreunde, die maroden Staatsfinanzen mithilfe eines fiskalischen Perpetuum Mobile (Steuersenkungen) zu sanieren. Daher raten wir Dirk Hilbert, besser auf Helmut Schmidt zu hören: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“