von Eduard Zetera

In ihrer Ausgabe vom 16.05.2009 berichten die Dresdner Neuesten Nachrichten unter dem Titel „Kultur im demographischen Wandel“ über „Hoffnung und Ernüchterung bei einer Tagung ,Kultur als Chance‘ im Hygienemuseum“ am 14./15.05.2009. Im Beitrag wird Ministerpräsident Stanislaw Tillich mit folgenden Worten zitiert:

Der Staat hat keine ureigene Zuständigkeit für Kultur, genauso wenig wie für Werte, Anstand, Sitte oder Religion.

Er führt weiter aus, bei staatlicher Förderung müsse man sich stets fragen: „Wem nützt sie?“ Das lässt aufhorchen.

Dass Stanislaw Tillich die Kultur nicht eben zu seiner Herzensangelegenheit erklärt, überrascht wenig. Eine vornehme Distanz zur Kultur hat in der sächsischen Regierungsspitze eine gewisse Tradition. So bekannte Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf im Interview im Deutschlandfunk am 26.06.2008 freimütig: „Kulturpolitiker bin ich nie gewesen.“ Sein Nachfolger, Ex-Ministerpräsident Georg Milbradt (seines Zeichens Finanzpolitiker), darf seit seiner Einschätzung: „Der Welterbetitel ist verzichtbar.“ auch nicht mehr als Schöngeist gelten. Man könnte geneigt sein, zumindest Kurt Biedenkopf charakterliche Größe zu attestieren, schätzt er doch seine Schwächen richtig ein. Spätestens für Stanislaw Tillich darf das aber nicht mehr gelten: Wenn der oben angeführte DNN-Beitrag hier von einem „streitbaren Satz“ spricht, ist das nichts anderes als ein Euphemismus. Nein: Stanislaw Tillich macht Kulturlosigkeit zum politischen Programm. Und das in Dresden! Fein, fein.

Wer (spätestens) jetzt an der Haltung der Union in Kulturfragen verzweifelt, der wird in den Worten von Bundestagspräsident Norbert Lammert (gleichfalls CDU) auf der Frühjahrstagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung am 22.05.2009 in Berlin vielleicht ein wenig Trost finden:

Das, was ein Land im Inneren zusammenhält, ist bei genauerem Hinsehen nicht Politik, und ganz sicher nicht die Wirtschaft, und schon gar nicht das Geld. Das, was die Gesellschaft zusammenhält, ist Kultur, ein Mindestbestand an gemeinsamen Erfahrungen und Überzeugungen, an Traditionen, die über Generationen und Jahrhunderte gewachsen sind.

Nun könnte man sich wünschen, dass Norbert Lammert seinen sächsischen Parteilkollegen in Kulturdingen den Kopf einmal ein wenig zurechtrückt. Doch das ist nicht zuallererst seine Aufgabe. Warum?

Erinnern wir uns: Die Grundsätze CDU-dominierter (Bau-) Kultur sind nicht etwa nur abstrakt aus der Literatur bekannt, sondern sie haben sich mittlerweile ganz konkret im Stadtbild Dresdens manifestiert. Die UNESCO steht kurz davor, derlei kulturelle Glanzleistungen mit der Aberkennung des Welterbetitels zu honorieren. Und die Stadt selbst hat sich für die vielen kleinen Fehlleistungen gar einen eigenen Architekturpreis geschaffen: die goldene Kloschüssel. Nun ist es doch wohl am Souverän – dem Dresdner Wähler – dies alles angemessen zu würdigen. Man sollte ihn da nicht aus seiner Pflicht entlassen.

Gedanken zur Waldschlößchenbrücke
und zum drohenden Verlust des Welterbetitels

ein Leserbrief
von Ulf Peter Schmidt
in den DNN vom 23.05.2009

Mit gewöhnlicher Vorstellungskraft kann sie sich jeder inzwischen vorstellen – die im Bau befindliche Hochstraße mit Brückenbogen – das Bauwerk mit dem harmlosen Namen Waldschlößchenbrücke. In der Landschaft eingepflanzte Fundamente mit Betonbekrönung sowie angeböschte und betonierte Zufahrten ermöglichen inzwischen die reale Vorausschau der bisher maßgeblichen Simulationen und Pläne.

Vom Altstädter Ufer bietet sich der Eindruck, als habe das zart zur Stadt sich neigende Gelände nur darauf gewartet, nun als zur Rampe zur Ehre eines gewaltigen Straßenbauwerkes umgewidmet zu werden und sich diesem vollständig unterzuordnen. Vom Waldschlößchenpavillon aus ermöglichen die Sockel der Fahrbahnstützen die Erfahrung, wie Empfindungen von Weite und Großzügigkeit des Elbauenbogens zur Feststellung der lächerlich kurzen Strecke als Autofahrbahn schmelzen, die in absehbarer Zeit in wenigen Sekunden mit dem Auto durchmessen werden kann.

Es wird sicher ein erhabenes Erlebnis, im Auto fahrend, aus dem Dunkel der Zufahrtstunnel in das milde Licht der Elbwiesen mit dem großartigen Blick auf die einzigartige Symbiose aus Natur und Kultur der Elbhänge aufzutauchen. Hier verwirklicht sich in sinnbildhafter Verdichtung die Umkehr bisheriger Wahrnehmung: hier wird die Landschaft zur visuellen Mobilitätskulisse der Straße. Bisher waren Straßen und Brücken notwendige Verkehrswege, die – allenfalls das Gelände erklärend – sich in die Landschaft einfügten.

Dieser Bedeutungswandel, der sich immer häufiger in den jüngeren Straßenbauprojekten manifestiert, ist ein in die Landschaft veräußerter Ausdruck des Glaubens an permanentes Quantitätswachstum. Auf seiner Finanzseite ist dieses Wirtschafts- und Denkmodell gerade offensichtlich an die Grenzen geratenen … Wie weit sich aus diesem Bedeutungswandel ein neues Bewertungsmuster entwickelt hat, zeigt sich auch daran, dass von der verkehrstechnischen Notwendigkeit dieses Verkehrsprojektes schon lange nicht mehr die Rede ist. Sie hat sich offiziellen Zahlen zufolge durch Stagnation und Rückgang des Fahrzeugaufkommens seit Längerem erledigt. In naher Zukunft werden sich die Formen der Mobilität weiter drastisch ändern – so man die Endlichkeit bisher genutzter Ressourcen in Betracht zu ziehen bereit ist.

Inspiriert vom heiter-schönen Genius der die Stadt umgebenden Landschaft – nutzten bisherige Generationen diesen als Quelle für ihr Tun. Die Übereinstimmung in diesem Geist geschöpfter Eingriffe durch Bauwerke, Verkehrswege und Landschaftsgestaltung mit der gegebenen Natur begründete den Ruf und die Anerkennung dieser Stadt – weltweit. Diese Dresdner Tugend, Schönheit im weitesten Sinn zum Maßstab aller mit Kultur verbundenen Lebensäußerungen zu machen, galt bis nach dem 2. Weltkrieg; in zurückgezogenen Bereichen gilt sie noch heute.

Auf diesem Boden entwickelte ich das, was seit 2004 als Weltkulturerbe gewürdigt wird.

Mit der anzunehmenden – willentlich in Kauf genommenen – Aberkennung des Weltkulturerbetitels vollzieht sich der erklärte Bruch mit dem trotz Kriegen und Nöten durchgehaltenen des kulturellen Selbstverständnis der Stadt.

Das eine tragfähige, an Dresdner Maßstäben orientierte Vision der Stadtgestaltung zunehmend abhandenkommt, wird baulich im Übrigen auch an vielen anderen Orten bedrückend deutlich. Advanta-Riegel, Postplatz, Verkaufstempel in Stadtviertelausmaßen u.a. offenbaren nur stichpunktartig den laufenden Austrocknungsprozess lebensnaher Orientierungsgrundlagen der Stadtentwicklung.

Mit dem Bau der Waldschlößchenbrücke wird unmittelbar Hand an die Wurzeln kulturbegründender Wertedefinitionen dieser Stadt gelegt. Auch wenn das im Dresdner Dunst nicht gern wahrgenommen wird, diese Botschaft wird außerhalb als solche verstanden. Entsprechende Reaktion kündigen sich bereits massiv an. Ein ungeahnter Verlust an Bedeutung der Stadt als Wissenschafts- und Kulturstandort wird die Kosten des Brückenbaues einschließlich des denkbaren Mehraufwandes für einen Tunnels in den Schatten stellen. Diese Gewissheit rückt langsam in das Bewusstsein der Verantwortlichen – wohl aber zu spät.

Viele tausend Dresdner haben ausdauernd gegen diesen Kulturbruch demonstriert – mit Disziplin und Würde. Im Sinne der Demokratie als Mehrheitsbeschaffungsverfahren sind sie in der Minderheit. Die Frage nach kultureller Zukunftsfähigkeit kann demokratisch nicht beantwortet werden. Diejenigen, die diese Frage in Bezug auf Abwägung zwischen autogerechter Stadt und Kultur zu bewegen hatten, haben falsch entschieden.

All dies ist nicht neu und seit langem mit einfachem Gedankenkalkül vorherzusehen. Ohne die Bewerbung um den Weltkulturerbestatus wäre das Brückenproblem eine lokale Angelegenheit. So aber blickt die Weltöffentlichkeit auf diesen Ort – mit Recht. Der Rang des Erreichten ergibt sich ganz überwiegend aus den Leistungen unserer Vorfahren. Diesen Rang für eine noch bequemere Automobilität auszuschlagen, ist Arroganz aus Wohlstand.

Ist die drohende bevorstehende kulturelle Degradierung durch Aberkennung des Weltkulturerbestatus etwa langfristig geplant und gewollt?


Nachtrag: Der Leserbrief war in den DNN gekürzt erschienen. Hier lesen Sie jetzt seine vollständige Fassung.

Jochen Flade
vom Dresdner Elbhang

Übe dich in Vorsicht bei deinen Geschäften.
Die Weisheit ist voller Tricks und Betrug.
Aber werde nicht blind für das,
was dir an Tugend begegnet.
Desiderata

Dresden wird eine Schmach ohne Ende erleiden, wird das Welterbesiegel – Prädikat auch für die Bewahrung der Schöpfung, kulturelle Identität und Verständigung – durch die UNESCO demnächst auf der entscheidenden Sitzung in Spanien für unsere Stadt an der Elbe endgültig gestrichen.

Die Dimension dieses Verlustes dürfte wohl denen, die bis heute noch immer und unbeirrt auch ganz öffentlich ihr Hohelied des Ungeistes, der Verblendung und Borniertheit verkünden, in aller Tragweite unklar sein – sie würden ansonsten in Demut schweigen und allmählich begreifen, was da an essentiellem Schaden mit brachialer Gewalt dieser Stadt und deren Menschen angetan wurde mit der Gigantomanie einer Elbquerung an hochsensiblem Bereich, die nur sekundär einer verkehrstechnischen Entlastung dienen soll (und nicht wird!), mehr denn aber primär einem Kurzzeitgedächtnis von Machtbesessenheit und politischer Willkür entspringt, was hoffentlich einem temporären Zeitgeist anzulasten ist; leider gehen diese verirrten Geister dahin – die Waldschlösschenbrücke wird bleiben und das Welterbezertifikat ist verloren.

Der Atem stockt dem Zuhörer, verkündet die derzeitige Fraktionsvorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion Christa Müller auf einer öffentlichen Kandidatenvorstellung am Elbhang noch immer, ihre Partei kämpfe nach wie vor für den Erhalt des Welterbetitels und ihre Oberbürgermeisterin Frau Orosz wird dafür sorgen mit ihrem hoffnungsvollem Engagement, dass die UNESCO den Titel nicht streichen wird. Und: Selbstverständlich wird die Brücke gebaut, da gibt es kein zurück.

Diese provinzielle Selbstdarstellung und selbstredende Weltfremdheit, gespeist durch nicht mehr nachzuvollziehenden Realitätsverlust bringt nur noch stummes Kopfschütteln hervor.

Und diese grenzenlose Ich-Verliebtheit erfährt dann auch noch durch den artig sekundierenden Dr. Gebel (FDP) mit bedenkenloser Lockerheit – die banalen Floskeln immer wieder aus der rhetorischen Schatzkiste hervorkramend – Beistand mit der laschen Bemerkung: Dresden an sich sei Welterbe, dazu brauche es keinen Titel, und die Amerikaner und Japaner kämen auch ohne Welterbetitel nach Dresden.

Eigentlich hätte man spätestens hier aufspringen müssen, um mit der gebotenen Abwendung die Unerträglichkeit solcherart Verflachung und unerschrocken vorgebrachter Banalität zu demonstrieren – mindestens aber vor Verlassen des Auditoriums klar zu machen, dass solche Parteien unwählbar seien!

Nirgendwo mehr Weisheit, nur noch Blindheit und Abwendung von immer wieder neuen, unaufhaltsam aufrüttelnden Mahnungen und geradezu flehendlichen Bitten, endlich die Ratio, nicht mehr nur die parteipolitischen Arroganzen sprechen zu lassen.

Die sogenannte „Diktatur der Minderheiten“ (gemäß FDP-Stadtrat Mücke) – Laut Grundgesetz jedoch die Menschenwürde und die Freiheit des Wortes, die sich hier in Dresden seit Jahren aufbegehrend Raum schaffen, weil diese Rechte unantastbar und garantiert sind! – erfährt Demütigungen und Angriffe, selbst vor bedrohlichen Telefonaten ist der freie Bürger, der sich zu Wort meldende Aufrechte, nicht mehr sicher.

Da schwankt der Mensch im Glauben, ob die Aufmunterungen eines Horst Köhler, sich ehrenamtlich und bürgerschaftlich zu engagieren, auch tatsächlich von Staat und Partei respektiert werden. Resignation, Entmutigung, Verzweifelung – ist dies wirklich so gewollt?

Was das leichtfertige und selbstherrliche Agieren im Umgang mit der UNESCO und dem Welterbe betrifft, offenbart sich in Dresden und Sachsen eine Geisteshaltung, die so bisher nicht anzutreffen war. Alle Welt begreift nicht, kann nicht begreifen, was hier geschieht. Und Generationen nach uns werden feststellen, wie unselig diese Entscheidung des 21. Jahrhunderts für eine Stadt war, die bereits schlimme Wunden und elendige Schicksale erdulden musste.

In Umkehrung eines Zitates soll hier stehen:

Herr Gott, vergib ihnen nicht,
denn sie wissen, was sie tun.

Presse-Information

Am 04./05.06.2009 besucht der US-Präsident Barack Obama Dresden. Es ist zu erwarten, dass sein Besuch auch von Pressevertretern aufmerksam verfolgt wird.

Die Dresdner Welterbebewegung wird diese Gelegenheit nutzen, um die internationale Presse umfassend über die Hintergründe der Zerstörung des Welterbe Dresdner Elbtal zu informieren. Auch dieser Punkt gehört – leider – zu einem abgerundeten Bild unserer Stadt. Mit einer Kundgebung soll am Abend des 04.06.2009 im Stadtzentrum am Königsufer an der Baustelle der Waldschlößchenbrücke (am Elberadweg auf der Neustädter Elbseite) in der Zeit zwischen 18:00 und 24:00 Uhr (Kernzeit 20:00 Uhr) deutlich gemacht werden, dass es in Dresden sehr wohl eine Vielzahl von Bürgern gibt, die nicht mit der Art und Weise einverstanden sind, wie die Stadtverwaltung und die Landesregierung die Welterbethematik behandeln.

Die Zeit und der Ort der Kundgebung sind so gewählt, dass es zu keinen unmittelbaren Überschneidungen mit dem Besuch des US-Präsidenten kommt.


Anmerkung: Bitte beachten Sie die Erklärung zur Veränderung des Veranstaltungsortes.

Am 07.06.2009 findet der 5. Welterbetag statt. Auch in Dresden.

Die Deutsche UNESCO-Kommission schreibt zu diesem Tag:

Ziel des UNESCO-Welterbetages ist es, die deutschen Welterbestätten nicht nur als Orte besonders sorgfältiger Denkmalpflege ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, sondern auch ihre Rolle als Vermittler der UNESCO-Idee zu stärken.

Auch das gilt für Dresden.

Nach dem Abschluss des „offiziellen Programms“ der Stadt wird die Dresdner Welterbebewegung den Tag mit einer Kundgebung um 18:30 Uhr an der Frauenkirche ausklingen lassen.


Weitere Informationen zum Welterbetag erhalten Sie von

Denk mal, Pfleger!

Am 14.06.2009 findet in Dresden-Hellerau der 77. Tag für Denkmalpflege der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland statt. Daran schließt sich vom 15.06. bis 17.06.2009 in Dresden die Jahrestagung der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger (VdL) an.

Beide Veranstaltungen stehen unter dem Motto „Weiterbauen am Denkmal“. Vor dem Hintergrund der drohenden Aberkennung des Welterbetitels klingt das nicht nur zynisch – es ist der pure Hohn: Sowohl im Programm des Tags für Denkmalpflege als auch im Programm der Jahrestagung der VdL wird das Thema Welterbe vollständig ausgeblendet. Das ist auch wenig verwunderlich, ist doch der Gastgeber, das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, dem Sächsischen Staatsministerium des Innern unterstellt und damit an die Staatsräson gebunden. Und es ist nur konsequent, wenn man in Sachsen gleich über die vollständige Auflösung des Landesamts für Denkmalpflege nachdenkt, wie die aktuelle taz unter dem Titel „Sachsen kappt den Denkmalschutz“ berichtet.

Man muss sich das einmal vor Augen führen: Die gleichen Denkmalämter, die privaten Eigentümern von Denkmälern am Ende noch vorschreiben, welche Türklinken sie einzubauen haben, kuschen vor ihrem Dienstherren, wenn es um die Zerstörung des Welterbe Dresdner Elbtal geht und warten still darauf, dass er sie abschafft. Und das mitten in einer Stadt, die ihr Selbstverständnis ganz wesentlich aus ihrer (Kultur-) Geschichte und ihren (Bau-) Denkmälern ableitet.

Die Dresdner Welterbebewegung möchte den amtlichen Denkmalpflegern ihr vollkommenes Versagen vor Augen führen und plant daher am 14.06.2009 um 10:00 Uhr eine Kundgebung vor dem GebäudeEnsemble der Deutschen Werkstätten Hellerau (an der Zufahrt zu den Deutschen Werkstätten Hellerau, Moritzburger Weg 67, Dresden-Hellerau).

Zu dieser Frage veranstaltet die bündnisgrüne Stadtratsfraktion eine Podiumsdiskussion am Montag, dem 25.05.2009, um 20:00 Uhr im Kugelhaus (sky - café, bar & restaurant) am Wiener Platz.

Zu Motivation heißt es:

Der Wiener Platz – einstmals das Tor zur Stadt – versprüht seit Jahren den Charme einer Tiefgaragenbaustelle. Nachdem der „Traum“, an dieser Stelle einen weiteren Einkaufstempel zu bauen, aus wirtschaftlichen Gründen ausgeträumt ist, ergibt sich nun die Chance, neu über Nutzung und Gestaltung der Brachfläche nachzudenken. Der Wiener Platz braucht mehr Grün statt Grau. Das international renommierte Dresdner Büro Rehwaldt Landschaftsarchitekten entwickelte bereits vor zwei Jahren auf Anregung von Gewerbetreibenden eine Studie, wie man mit der vorhandenen Situation intelligent umgehen kann. Diese Studie stellen wir Ihnen vor und wollen mit Ihnen diskutieren, ob aus dem Wiener Loch ein Wiener Park werden soll.

An der Podiumsdiskussion beteiligen sich Dr. Karl-Heinz Gerstenberg (Stadtrat und Landtagsabgeordneter) und Till Rehwaldt (Landschaftsarchitekt). Die Moderation übernimmt Thomas Löser.

Den Vorschlag der Bundes-FDP, Welterbestätten per Gesetz besser zu schützen, kann die Welterbebewegung grundsätzlich nur begrüßen. Leider wird er im Falle von Dresden keine Wirkung mehr entfalten können, da dieses Gesetz dann auch rückwirkend gelten müsste.

Überdies existieren nach weit verbreiteter Expertenmeinung schon jetzt alle juristischen Regularien, um die Welterbestätten verbindlich per Gesetz zu schützen. Leider wurde aber dieser Schutz im konkreten Fall „Welterbe Dresden“ durch den Freistaat Sachsen nicht umgesetzt.

Der Antrag der Bundes-FDP stellt darüber hinaus eine schwere politische Niederlage für Jan Mücke dar. Im aktuellen Kommunalwahlkampf in Dresden wirbt er mit dem Slogan „Brücke weiterbauen“ aktiv für die Zerstörung des Welterbes – und steht damit in direktem Kontrast zu seiner Bundespartei. Überdies verbreitet er wider besseren Wissens weiterhin die juristisch unhaltbare Aussage ein „Tunnel am Waldschlößchen sei nicht genehmigungsfähig.“

Warum diese Initiative zu einer Zeit kommt, in der sie keine faktische Wirkung mehr entfalten kann, lässt sich wohl nur mit der Häufung von Wahlen im Jahr 2009 erklären. Die FDP wäre jederzeit frei gewesen, andere gleichlautende parlamentarische Initiativen – die es seit Jahren gibt – zu unterstützen.

Thomas Löser sagte in diesem Zusammenhang: „Offensichtlich ist der Bundes-FDP das Wirken ihres ,Welterbefachmannes Mücke‘ mittlerweile suspekt genug, um politisch gegenzusteuern.“

Die Mathematiker

Wie fängt ein Mathematiker einen Elefanten? Ganz einfach: Er fährt nach Afrika, baut einen Käfig, setzt sich hinein und definiert Außen als Innen.

An diesen Witz fühlt man sich erinnert, wenn man dieser Tage hört, wie die Dresdner Brückenbauer der Welt erklären, warum Dresden auch mit Brücke UNESCO-Welterbe bleibt.

Dresden wird bei der kommenden Sitzung des Welterbekomitees vom 22.06. bis 30.06.2009 in Sevilla der Status einer UNESCO-Welterbestätte aberkannt. Warum ist das so? Ganz einfach:

Bereits am 04./05.02.2008 fand eine „Reinforced Monitoring Mission to the Dresden Elbe Valley World Heritage Property“ statt. Bei diesem Besuch informierten sich unabhängige Gutachter im Auftrag der UNESCO über den Welterbe-Konflikt und mögliche Lösungsmöglichkeiten vor Ort in Dresden. Das Treffen fand vollständig abgeschottet von der Öffentlichkeit statt. Beteiligt waren Vertreter der Stadtverwaltung, der Landesregierung und des Außenministeriums; Befürworter der Tunnelalternative bzw. Gegner des Brückenbaus hingegen hatten keinerlei Kontakt zu den Gutachtern. Selbst wenn man unterstellt, dass die UNESCO bei der Aufnahme des Dresdner Elbtals vollständig über die Brückenbaupläne informiert gewesen ist (was zweifelsfrei widerlegt ist), dann wäre das doch für Dresden und Sachsen (und Deutschland) die ideale Gelegenheit gewesen, alle Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und einen Kompromiss zu finden. Das jedoch ist nicht geschehen.

Die Fraktion der Brückenbauer verstand damals nicht und versteht bis heute nicht, was den Wert des Welterbe Dresdner Elbtal ausmacht(e): Es ist der wundervolle Landschaftsraum inmitten einer Großstadt mit seinen ungestörten Blickbeziehungen. Der Verlust dieses Wertes bedrückt und bewegt alle, die sich gegen einen Brückenbau engagieren, und er bedeutet die Zerstörung eines Teils des Welterbe der Menschheit – denn dieser Wert war es, welcher die UNESCO zu der außergewöhnlichen Auszeichnung für das Dresdner Elbtal veranlasste.

Weil die Fraktion der Brückenbauer das nicht verstand, glaubte sie tatsächlich, mit der kosmetischen Änderung des Projekts zur so genannten „Burger-Brücke“ die UNESCO von der Welterbeverträglichkeit des Brückenbaus überzeugen zu können (oder gar – vollkommen abstrus – sich nach dem Motto „Wir haben mit Brückenplanung beantragt, also dürfen wir auch bauen.“ den Titel „einklagen“ zu können). Dabei wäre nichts anderes als eine Luftbrücke oder eben der Elbtunnel die einzig denkbare Möglichkeit einer welterbe-erhaltenden Elbquerung an dieser Stelle. Genau das sagen schließlich auch die „Conclusions“ im Bericht zum Besuch der Gutachter (Seite 20/21):

In conclusion, the Mission is of the opinion that the solution of the Elbe crossing which is being implemented would through its location have a considerable negative and irreversible impact on the Outstanding Universal Value of the World Heritage property. This would result from an encroachment upon the integrity of the cultural landscape whose harmonious and picturesque combination of urban and natural features appears to have been carefully preserved over the centuries-long history of the City of Dresden. …

The mission encourages the authorities to come to a rapid decision to halt the construction of the current bridge and to reconsider alternative options. The mission encourages the authorities to consider the existing tunnel option as a priority.

Das Welterbekomitee folgte den Einschätzungen seiner Fachgutachter und kam daher bei seiner Sitzung vom 02.07. bis 10.07.2008 in Québec zwangsläufig zu dem Entschluss (Seite 35/36):

The World Heritage Committee … regrets the fact that the authorities, having allowed the [bridge] construction works to proceed, have seriously compromised the Outstanding Universal Value of the property; … strongly urges the State Party to reconsider the alternative tunnel option; … further decides to retain the Dresden Elbe Valley (Germany) on the List of World Heritage in Danger, with the deletion of this property from the World Heritage List at its 33rd session in 2009, if the planned works on the bridge continue and the damage already caused is not reversed.

Das bedeutet im Klartext für die anstehende Sitzung des Welterbekomitees ab 22.06.2009 in Sevilla: Über Dresden ist entschieden: Es bedarf keiner weiteren Verhandlungen mehr. Das Welterbe ist zerstört. Der Titel ist weg. Punkt. Die UNESCO kann es sich überhaupt nicht leisten, noch irgendwelche Zugeständnisse zu machen – nicht nur, um sich selber treu zu bleiben, sondern schon, um weiteren Schaden vom Welterbeprogramm als Ganzes abzuwenden.

Jetzt wäre man geneigt, den Brückenbauern Realitätsverweigerung vorzuwerfen, weil sie diese Fakten nicht anerkennen wollen. Dem ist nicht so: In diesen Kreisen wird die tatsächliche Lage viel genauer eingeschätzt, als man glauben macht. Auch dort weiß man: Der Titel ist weg. Aber: Bevor er weg ist, ist noch Kommunalwahl in Dresden. Die brückenbauenden Fraktionen von CDU und FDP werden sich doch nicht die Blöße geben, mitten im Wahlkampf die Verantwortung für die internationale Totalblamage Dresdens zu übernehmen. Helma Orosz hat schon vor Monaten unter vorgehaltener Hand eingestanden, dass sie nicht glaubt, den Welterbetitel halten zu können. Das öffentlich einzugestehen, dafür ist nach dem 07.06.2009 noch genügend Zeit.

von Johannes Hellmich

Auch wenn die derzeitige Dresdner Oberbürgermeisterin weiter unverdrossen die Durchhalteparole von der Vereinbarkeit von Brücke und Welterbe an ihr gutgläubiges Publikum ausgibt; das tönerne Argumentationsbollwerk, welches die Union in den letzten Monaten aufgetürmt hat, um an der Brücke ungestört weiterbauen zu können, stürzt gerade krachend zusammen. Wer sich noch immer weigert, das zur Kenntnis zu nehmen, dem ist nicht zu helfen. Die anderen beginnen bereits, die seelischen Aufräumarbeiten zu planen oder über die Konsequenzen nachzudenken. Was bedeutet der Verlust für unsere Stadt jenseits aller Resignation auf der einen und notorischen Verharmlosung auf der anderen Seite? Welche Tendenzen werden sich verstärken und welche Sozialprognose kann für die politisch Verantwortlichen am Welterbe-GAU gestellt werden?

Ausgerechnet die DNN, sie seit langem im hoffnungslosen Wettlauf mit der größeren Konkurrentin eine Marktnische im Verbreiten nicht mehr ganz aktueller, aber dafür umso positiverer Nachrichten sucht, gelang dieser Tage ein vermutlich unbeabsichtigter Geniestreich. Sie titelte in ihrer Online-Ausgabe völlig arglos: Dresden reift zur Einkaufsstadt.

Vier Worte. Kürzer lässt sich der Anspruch einer verfehlten Grundausrichtung kaum zusammenfassen, die losgelöst von Bedarf und Selbstverständnis der Bürgerschaft aus Dresden eine eierlegende Wollmilchsau züchten möchte. Zwischen Silicon Saxony und Silvesterhauptstadt, Shoppingparadies und Superstriezelmarkt, Wissenschaftsstandort, Touristenmagnet, Welterbe der Herzen und – natürlich – Kulturmetropole wird ein Größenwahn eingeübt, der aus einem beschaulichen Beamtenstädtchen die Mutter aller ostdeutschen Cluster machen will. Ob Dresden am Ende unverschuldet das Schicksal des Fischers und seiner maßlosen Frau aus dem Märchen der Gebrüder Grimm teilen muss, bleibt abzuwarten. Die Einkaufscity jedenfalls ist bereits ein Faktum, die damit verbundene notwendige Erreichbarkeit mit dem Auto bleibt logische Forderung der Stadtverwaltung. Die Konfliktlinie zwischen intelligenter Verkehrsberuhigung und freier Zufahrt an die Regale der innerstädtischen Kaufhäuser wird uns weiter beschäftigen. Ebenso wie die Frage, ob Prosperität und Gigantomanie notwendig zusammengehören. Nichts könnte die unterschiedliche Wahrnehmung der Probleme treffender beschreiben, als bei dieser Entwicklung von einem Reifeprozess zu sprechen, wie es die DNN geschafft hat.

Das gleiche Missverhältnis begleitete von Anfang an die Diskussion um den Verkehrszug Waldschlösschenbrücke. Was für die einen nur eine harmlose Brücke inmitten ungenutzter Wiesen ist, bedeutet für andere einen schweren Eingriff in den verbliebenen Torso landschaftlich-kultureller Identität. Mit der nun zu erwartenden Streichung geschieht zugleich etwas paradoxes. Die in sich geschlossene Propaganda der Union fußte vor allem auf der Annahme, die UNESCO wolle das Elbtal gar nicht aufgeben, weil es damit zugleich das einzige Druckmittel auf die geknechtete Elbestadt verlöre. Die tatsächliche Streichung rückt diese Perspektive zurecht. Die verzerrende Darstellung, mit der Frau Orosz in letzter Minute ihre Verdummungs- und Hinhaltetaktik zu retten sucht, der Tunnel sei vom Verwaltungsgericht abgelehnt worden, bleibt damit genauso wirkungslos wie das Festklammern an einem Bürgerentscheid, dessen Bindungswirkung längst abgelaufen ist. Der Hinweis der Presse, die Oberbürgermeisterin tue noch einmal alles in ihren Kräften stehende, um den Titel zu halten, lässt dennoch das Schlimmste befürchten. Wie weit wäre sie wohl dabei imstande zu gehen? Im Grunde aber verliert Frau Orosz am Tage der Streichung jenes Ansehen, das mit ihrem Amt untrennbar verbunden ist. Dass sie die gebotenen Konsequenzen zieht, ist allerdings kaum zu erwarten. Der geduldige Dresdner wird auch das überstehen.

Besonders interessant aber ist: Mit dem Ende der jahrelang vorgetragenen Lügen verlieren die beteiligten Politiker genau die Souveränität, die sie mit aller Macht erhalten wollten. Sie werden zwar weiter den zu lauten Ton angeben, aber es nimmt sie niemand mehr ernst. Insofern stellt die Aberkennung wirklich eine Befreiung dar, wenn auch in anderer Weise, als es Vaatz und Wagner gehofft hatten.

Die Forderung nach einem Stopp und Rückbau der Brücke bleibt im Übrigen von der Streichung unberührt und besteht weiter. Und auch der Elbtunnel behält als einzig sinnvoller Kompromiss seine Gültigkeit.

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