NO8DO

von Johannes Hellmich

Es ist eine der berühmteren Filmszenen: Mit dem gerade noch geglückten Diebstahl eines Kolliers startet Agent Ethan Hunt seine zweite Mission Impossible. Während des turbulenten Coups findet er sich auch unter der verführerischen Nyah liegend wieder. Ein knisternder Moment. Die Regie aber lässt ihnen keine Zeit. Beide brauchen einander noch. Wer wen warum benutzt, bleibt vorerst unklar. Gedreht wurde das legendäre Intro im spanischen Sevilla, das nun zunehmend in den Fokus Dresdner Aufmerksamkeit rückt und auf dessen Stadtflagge ein rätselhafter Schriftzug prangt: NO8DO – „Sie hat mich nicht verlassen.“ Im Englischen könnte es allerdings auch bedeuten: Es hilft alles nichts. Halten wir uns lieber an das bessere spanische Omen für unsere schreibfreudigen Welterberetter von Union und FDP, die, wie Tom Cruise, mit hochriskanten Kommandounternehmen das Unmögliche doch noch zu erreichen hoffen.

Bekannt ist Sevilla als Heimat einer traditionsreichen Musikkultur, in der Gesang und Tanz nicht selten unerfüllte Sehnsucht und Liebeskummer verkörpern. Auch der Brief unseres temperamentvollen Freidemokraten Mücke an die spanische UNESCO-Botschafterin verrät trotz einiger Unaufrichtigkeiten die Leidenschaft eines Flamencos. In der Liebe aber und offenbar auch in Sachen Welterbe sind fast alle Mittel erlaubt. Manchmal jedoch gibt es auch ein „Zu spät.“ Und so würden vermutlich auch die halsbrecherischsten Argumentationsfiguren wenig daran ändern, dass in Sevilla der Scheidebrief für Dresdens Elbtal ausgestellt wird.

In dem Maße, wie die Frist abläuft, an deren Ende die Streichung von der roten Welterbeliste steht, werden auch die Versuche der sächsischen Politbürokratie und ihrer Brückenfreunde hektischer, die UNESCO doch noch umzustimmen. Die Brückenfraktion erfüllt nunmehr alle Klischees des Verlassenen, welcher der Davongelaufenen die Verantwortung am Scheitern einer missratenen Beziehung gibt und das selbst verursachte Ende nicht akzeptieren will. Wir erleben das klassische Trennungsszenario: verunglimpfen, jammern, erpressen und bestechen. Peinliche Stalkingversuche bei allen Welterbeinstanzen machen alles nur noch schlimmer. Selbstgerechtigkeit verwehrt bis zum Schluss die Möglichkeit der Umkehr und des Zueinanderfindens.

Ganz von Sinnen scheinen die Brückenbauer dennoch nicht zu sein: Vorsorglich wird schon mal die Schuld an der Trennung auf das Umfeld verteilt. Hatten nicht auch die Brückengegner die patriotische Pflicht, die Niederlage beim Tunnelkompromiss einzugestehen und gemeinsam mit Landesregierung, Landesdirektion und Stadtverwaltung alles für den Welterbeerhalt zu tun? Hat es ihr Anführer Blobel von den sogenannten Friends of Dresden nicht schon einmal geschafft, die UNESCO umzudrehen? In den neuen Kapiteln, welche die Union während des Wahlkampfs der nächsten Wochen aufschlagen wird, darf eigentlich eines nicht fehlen: eine zünftige Dolchstoßlegende.

Einen letzten Trumpf für die Brückenstrategen gibt es dennoch: Sollte es die UNESCO allen Warnungen aus Sachsen zum Trotz tatsächlich wagen, das Elbtal aus dem kulturellen Weltgedächtnis zu tilgen, stellt sich die Frage nach adäquater Reaktion. Die unmissverständlichste Lektion, die wir für mangelnden Gehorsam erteilen können, wäre der Austritt des Freistaats aus jener intransparenten, demokratisch nicht legitimierten und – wie es bei Unionsfreund Krah so schön mehrdeutig heißt – supranationalen Organisation. Ein Referendum könnte den raschen Ausstieg bestätigen. Das nun wäre fast ohne Risiko durchführbar: Der juristische Vorrang des so artikulierten Volkswillens vor völkerrechtlichen Verpflichtungen darf hierzulande als sicher gelten. Neuland würde mit solch einem Denkzettel auch nicht betreten: Schon einmal haben sich Deutsche erfolgreich gegen Gängelung und Hineinregieren durch den Völkerbund gewehrt. Schon einmal auch hat das Volk dieser Befreiung vom Joch der Staatengemeinschaft zugestimmt – mit 95-prozentigem Jawoll! Das war am 12. November 1933. Friedrich Nietzsche sah einst in seinen Sachsen die geistigen Feldwebel Deutschlands. Ein wenig von dieser Dienstbeflissenheit klingt nach, wenn uns auf Dresdens Straßen Kleingewerbetreibende mit großen Aufklebern unermüdlich mahnen, dass Brücken verbinden. Wie es nun scheint, umsonst. Das arrogante Welterbekomitee soll also sehen, was es davon hat. Das schließt den Kreis zu Mission Impossible: Pardon wird bei Tom Cruise nicht gegeben.

„Wer andern eine Grube gräbt …“ ist ein Film zu einem (fast) unbekannten Gesetz mit weitreichender Wirkung: Das Bundesberggesetz räumt Bergbauvorhaben fatale Sonderprivilegien gegenüber anderen Rechten ein, ohne Mensch und Umwelt zu berücksichtigen. Kritiker gehen so weit, zu behaupten: „Bergrecht bricht Grundrecht.“ Der Film von Holger Launiger und Daniel Kuhle analysiert die Ursachen, zeigt aber auch Wege aus der tatsächlichen oder empfundenen Rechtlosigkeit. Er wird am Montag, dem 27.04.2009, um 19:00 Uhr in der Sternwarte Graupa, Badstraße 3, gezeigt.

Im Anschluss an den Film informiert die Bürgerinitiative gegen das Kieswerk in Söbrigen gemeinsam mit Peter Hettlich (baupolitischer Sprecher der bündnis-grünen Fraktion im Bundestag) und Johannes Lichdi (umweltpolitischer Sprecher der bündnis-grünen Fraktion im Sächsischen Landtag) über die geplanten Vorhaben des Kiesabbaus bzw. des Kieswerkes am Rande von Dresden und diskutiert, was jeder Einzelne tun kann.

Aufruf

Wie viele Aktionen, Demonstrationen, Ausstellungen gab es zur Erhaltung des Welterbes in Dresden? Wie viele Menschen haben sich jedes Mal aufs neue engagiert, den Gedanken an das Welterbe in Dresden wach zu halten und für dessen Erhalt zu kämpfen?

Sie wissen es und wir wollen Ihre Bilder!

Die Bürgerinitiative Welterbe Dresdner Elbtal ruft alle Welterbebewegten auf, Bilder von den Aktionen und Demonstrationen zum Welterbe-Erhalt zu sammeln. Am Welterbetag, dem 07.06.2009, sollen die eindrücklichsten Ihrer Fotos ausgestellt werden.

Bitte: Senden Sie eine digitale Version Ihrer Bilder an bi-welterbe@gmx.de oder kommen Sie mittwochs zwischen 16:00 und 20:00 Uhr in den „Bürgerladen Dresdens Erben“ (Vereinshaus „Aktives Leben“, Dürerstraße 89) zu Werner Ehrlich – dort machen wir eine Kopie oder einen Scan von Ihrem Original.

von Wilhelm Friedemann

Das neue Brückenmännchen, hat sein Herz für das Weltkulturerbe entdeckt und warnt vor seiner Gefährdung:

Immer wieder (oder noch) wird lamentiert, dass eine Brücke am Waldschlößchen die einzigartige Flusslandschaft der Elbe zerstören würde. Dabei droht Gefahr von ganz anderer Seite, über die im Moment kaum etwas zu hören ist.

Was ist das für eine Gefahr?

Es bestehen offensichtlich Überlegungen, zum Auffüllen der Lausitzer Tagebaue auch Wasser aus der Elbe zu verwenden. Das Männchen erklärt nun, Prof. Dr. Uwe Grünewald von der Uni Cottbus gesprochen zu haben, der, wie das Männchen schreibt, ein Projekt dazu im Panzerschrank zu liegen hat. Man denke! Im Panzerschrank! Und das neue Brückenmännchen wird eingeweiht!

Was steht nun in dem Projekt aus dem Panzerschrank? (Warum ist es im Panzerschrank, wenn sogar das neue Brückenmännchen es wissen darf?) Das Männchen schreibt:

… ein Projekt im Panzerschrank, das gewährleisten könnte, bis zum Jahre 2015 alle Löcher gefüllt zu haben. Das Wasser könnte aus der Elbe gepumpt werden. Es liegen auch konkrete Zahlen vor – drei Kubikmeter pro Sekunde. Das wären über 70.000 Badewannen voll pro Stunde.

Es gebe, so berichtet das Männchen, zwei Varianten:

Bei Wehlen könnte der Abfluss erfolgen. Der wäre aber teurer, als einen alten Flussgraben bei Riesa zu nutzen, …

Ich kann nun nicht beurteilen, welche Auswirkungen ein solches Projekt auf die Umwelt haben wird. Ich denke aber, dass die Naturschutzverbände es sich auf jeden Fall genau ansehen werden und gegebenenfalls ihre Vorstellungen dazu machen werden. Spätestens nach dieser „Indiskretion“ wissen sie ja nun Bescheid. Das neue Brückenmännchen macht sich da aber ganz andere Sorgen:

Denken wir nur an die Probleme, zum Stadtfest unsere Dampferparade schwimmen zu lassen. Sollte das Projekt laut werden, kann ich mir einen Aufstand der Schifffahrt vorstellen.

Das neue Brückenmännchen weiß also schon mehr als das Wasser- und Schifffahrtsamt! Wenn das kein investigativer Journalismus ist! Nur mit dem Schutz seiner Informanten hapert es noch.

Hin wie her. Die Elbe hat keinen Tropfen Wasser zu verschenken. Dieses Projekt würde meiner Meinung nach dem Weltkulturerbe Elbtal größeren Schaden bringen, als eine beide Ufer verbindende Brücke.

So schreibt das neue Brückenmännchen. Was es nicht schreibt: Die Durchflussmenge in Dresden beträgt bei Pegel 200 etwa 350 Kubikmeter. Es handelt sich also um weniger als 1% des Wassers. Ob auch bei Niedrigwasser abgepumpt werden soll, ist dem neuen Brückenmännchen nicht bekannt. Es wird vorsichtigerweise nicht danach gefragt haben.

Eigentlich hat das neue Brückenmännchen versprochen, in diesem Jahr mit seinen Kommentaren etwas zurückhaltender zu sein, aber die Nervosität scheint bei den Brückenfreunden sehr groß zu sein.

Ein Brief an Helma Orosz

und das Antwortschreiben der Stadt
kommentiert Berndt Neugebauer

Am 11.02.2009 ging ein Brief (Seite 1, Seite 2) an Oberbürgermeisterin Helma Orosz, welcher sie erneut und mit eindringlichen Worten daran erinnerte, dass sie selbst in ihrer Antrittsrede bekräftigte, sie wolle Oberbürgermeisterin aller Dresdner sein und sich um den Erhalt des Welterbes bemühen. Einige Wochen später antwortete der Baubürgermeister Jörn Marx im Auftrag der Oberbürgermeisterin (Seite 1, Seite 2).

Grundsätzlich fiel die Antwort so enttäuschend aus, wie zu erwarten war. Immerhin – es gab eine Antwort; soviel Demokratie muss sein. Die abschließende Bitte, konkrete Maßnahmen zum Erhalt des Welterbetitels und zu Gesprächen mit der Bürgerbewegung zu nennen, wurden ignoriert. Das wäre dann wohl zuviel der Demokratie gewesen.

Äußerungen zur vorgeschlagenen Autotunnel-Fußgängerbrücke-Kombination hatten den Baubürgermeister möglicherweise überfordert. Hier zeigt sich, dass es den ungebrochenen politischen Willen gibt, in diesem Jahr dem Welterbetitel für das Dresdner Elbtal endgültig den Garaus zu machen.

Wichtige Aussagen des Antwortschreibens sollen im folgenden zitiert und kommentiert werden:

Die Dresdner … haben sich deutlich für den Bau der Brücke ausgesprochen. An diesen Auftrag ist die Stadt bis heute gebunden wie durch ein Gesetz.

Die Bindefrist des Bürgerentscheids ist bereits im März 2008 abgelaufen. Zum Bürgerentscheid 2005 wurde der Erhalt des Welterbetitels zugesichert, das heißt, zu den Bürgern, die sich deutlich für die Brücke ausgesprochen haben, gehören auch jene, die im Glauben an den Erhalt des Welterbetitels für die Brücke gestimmt haben.

Sinngemäß wird weiter ausgeführt, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Dresden im Oktober 2008 viel stärkere Eingriffe in den geschützten Flusslauf während der Bauzeit des Tunnels sehen würde. – Dass die ökologischen Belastungen des Tunnels während der Betriebszeit bedeutend geringer als bei der Brücke sind, schien dem Verwaltungsgericht nicht erwähnenswert.

Der Tunnel benachteiligt ökologische Verkehrsformen, da er für Fußgänger und Radfahrer aus Sicherheitsgründen nicht benutzbar ist.

Genau dafür sollte Autotunnel-Fußgängerbrücke-Kombination gedacht sein, die von Herrn Marx nicht zur Kenntnis genommen wurde.

Die Umweltverträglichkeit ist nicht abschätzbar …

Zumindest für Abgas- und Lärmimmission während des Betriebes ist der Tunnel der Brücke überlegen. Auch diese Aussage hatte Herr Marx in meinem Brief überlesen. Zur Errichtung des fiktiven Tunnels wählt Herr Marx die offene Bauweise samt Umleitung der Elbe auf ca. 600 Metern, die hinsichtlich Umweltverträglichkeit mehr abschreckend als überzeugend wirkt. Die am Warnow-Tunnel praktizierte Bauweise vorgefertigter Tunnelmodule als Alternative bleibt unerwähnt.

Die Kosten betragen das Doppelte eines Brückenbaues; auch dauerhaft aufzubringende Kosten liegen über denen der Brücke. Die Finanzierbarkeit ist nicht gesichert.

Hier hat der Baubürgermeister gleich drei Unwahrheiten hineingepackt: Immerhin hatte sich schon das Verwaltungsgericht um realistische Kostenschätzungen mittels Fachleuten bemüht und die Baukosten mit ungefähr 35 Mill. € mehr als die Brücke vor der Teuerung beziffert. Fachleute setzen die Betriebs- und Wartungskosten gleich bzw. niedriger als die der Brücke an, denn der geschlossene Tunnelzug (ohne Brücke) wirkt sich vorteilhaft aus.

Wenn man sich natürlich beharrlich weigert, die Mittel aus dem Förderprogramm der Bundesregierung für Investitionen nationaler UNESCO-Weltkulturerbestätten dafür zu beantragen, dann ist die Finanzierung in der Tat nicht gesichert. Umso emsiger bemüht sich die Stadtverwaltung um Fördermittel aus diesem Fonds für im Welterbegebiet liegende Objekte (Busmannkapelle, Schloss Übigau, Schloss Albrechtsberg, Lingnerschloss). Sehr wahrscheinlich liegen sie bald nicht mehr im Welterbegebiet, weil der Titel aberkannt wird, und damit wäre auch der Fördermittelantrag hinfällig – eine absurde Vorstellung!

Die erforderlichen Planungs-, Genehmigungs- und Ausschreibungszeiten … dürften 4, 5 Jahre betragen.

Die großzügige Zeitschätzung ist nur zu erklären, wenn man ein neues Planfeststellungsverfahren einschließlich aller Tunnelzufahrten zugrunde legt. Fachleute schätzen wegen weitgehend unveränderter Tunnelzufahrten mit einem Aufwand von 2 bis 3 Jahren.

Es bleibt festzuhalten, dass der unkritische Briefleser unter der erdrückenden Last der Argumente den Tunnel wahrhaftig für völlig unrealistisch halten wird. Das war wohl die unlautere Absicht des Herrn Marx.

Dass die Argumente passend gemacht und hingebogen wurden, wird nur der kundige Briefleser erkennen und sich trotzdem nicht auf eine weitere endlose Korrespondenz zwecks Richtigstellung mit der Stadtverwaltung einlassen, wohl wissend, dass damit das Problem nicht gelöst wird. Und genau das ist wohl die weitere Absicht des Herrn Marx: ein Antwortbrief – soviel Demokratie muss sein!

Die Welterbebewegung Dresden nimmt mit Erstaunen die Bemühungen Jan Mückes zum Erhalt des Welterbes zur Kenntnis.

Dieser Sinneswandel überrascht, nachdem Jan Mücke die UNESCO als „demokratisch nicht legitimierte Organisation“ bezeichnete und den Welterbetitel für „verzichtbar“ erklärte. Dass er von der UNESCO daraufhin angeblich nicht als Tagungsgast zugelassen wurde, konnte nicht verwundern.

Abgesehen davon, dass sein jüngster Vergleich Dresdens mit dem Welterbe in der spanischen Stadt Mérida fachlichen falsch ist (die Brücke dort liegt nicht im Welterbegebiet), geht es ihm wohl im Wesentlichen darum, den Dresdnern wahlkampftauglich zu suggerieren: Der Jan kämpft für unser Welterbe! Der UNESCO wird wieder einmal versucht, den Schwarzen Peter zuzuschieben: Wenn sie der CDU- und FDP-Forderung nach Vereinbarkeit von Brücke und Welterbe nicht nachkommt, verhält sich die UNESCO eben nicht „fair“.

Jan Mücke hätte, wenn ihm das Welterbe wirklich ein Anliegen gewesen wäre, die letzten drei Jahre gemeinsam mit den Bürgerbewegungen für einen welterbeverträglichen Tunnel kämpfen können. Den hatte er als erster 1996 bereits im Stadtrat Dresden angeregt. Damals schien er offensichtlich auch noch von einer Genehmigungsfähigkeit eines Tunnels überzeugt zu sein, sonst hätte er ihn wohl kaum gesagt:

Alles in allem kostet der Tunnel 20 Prozent mehr als die Brücke. Doch dafür wird die Landschaft nicht zerstört. Ich halte das für einen echten Kompromiss.

So lesen wir es in der MoPo vom 13.08.1996. Wer hätte das gedacht?

Die Welterbebewegung wird Jan Mücke in den nächsten Tagen eine weiß-blaue UNESCO-Fahne überreichen und ihn bitten, diese an der FDP-Parteizentrale an der Radeberger Straße zu hissen.

von Wilhelm Friedemann

Der uns allen bekannte Bekämpfer des Welterbes Herr Jan Mücke hat wieder einmal einen Brief geschrieben. Diesmal an Frau María Jesús San Segundo, die Botschafterin Spaniens bei der UNESCO. Ihn zu kommentieren ist eine undankbare aber leider notwendige Aufgabe. Da will ich mich nicht drücken.

Sehen wir uns einige Kernsätze an:

Wie Sie sicherlich wissen, droht der Stadt Dresden … die Aberkennung des Welterbetitels.

Schon haben wir seine Denkweise erfasst. Zunächst meine ich: Es gibt keinen „Welterbetitel“! Was es gibt, ist ein Eintrag in die Welterbeliste der UNESCO, der auf den Antrag Dresdens, Sachsens und Deutschlands erfolgte. Ein solcher Eintrag verpflichtet die Beteiligten alles in ihrem Vermögen Liegende zu tun, um das eingetragene Kulturgut zu schützen und zu bewahren. Aber auch wenn man den ehrenvollen Eintrag auf der Welterbeliste als „Welterbetitel“ bezeichnet, so gilt er in diesem Fall nicht der Stadt Dresden, sondern der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal. Die liegt zwar auf dem Gebiet der Stadt Dresden, ist aber dennoch nicht auf die Stadt Dresden beschränkt, sondern weist über sie hinaus. Das Welterbe gehört eben der gesamten Menschheit und die Stadt Dresden ist gehalten, es zu hegen und zu pflegen – nicht aber, es zu zerstören.

Herr Mücke meint nun, dass Brückenbau und Welterbe durchaus vereinbar wäre. Um das zu belegen, bringt er die alte Geschichte, die UNESCO sei informiert gewesen, ins Spiel und kommt dann auf den Bürgerentscheid von 2005 zu sprechen, um vermutlich unfreiwillig aber richtig festzustellen, dass dies nur ein scheinbares Problem sei:

Die Stadt Dresden jedoch war zu diesem Zeitpunkt bereits an den Bürgerentscheid gebunden und damit gänzlich unverschuldet in einem scheinbar ausweglosen Dilemma gefangen.

Er hat natürlich recht, denn das Problem hätte ja durchaus mit demokratischen Mitteln gelöst werden können.

Dann bringt er die Formulierung von der „sich weiterentwickelnden Kulturlandschaft“ ins Spiel. Er scheint sie so zu interpretieren, als sei nun jede Veränderung zulässig. Aber jede Entwicklung muss sicher stellen, dass es bei einer Kulturlandschaft bleibt, die den Kriterien für ein Welterbe genügt.

Jetzt aber zeigt Herr Mücke wie er sich die Beschaffenheit der Welt denkt. Er verweist auf das Archaeological Ensemble of Mérida:

Eine vergleichbare Situation bestand in Mérida, Spanien. Die Stadt, deren Bauten der Römerzeit und des frühen Mittelalters 1993 UNESCO-Weltkulturerbe wurden, errichtete im Jahre 1991 die „Puente de Lusitania“, die keine 500 m neben der römischen „Puente Romano Mérida“ gebaut wurde, um dem dort aufkommenden motorisierten Verkehr gerecht zu werden. Ein Bild beider Brücken hintereinander sowie einen genauen Übersichtsplan finden Sie auf der Website http://www.panoramio.com/photo/4860141. Die Brücken selbst können Sie unter http://www.panoramio.com/photo/2449738 (Puente Romano) und http://www.panoramio.com/photo/2449617 (Puente de Lusitania) betrachten.

Der Unterschied zwischen den beiden Welterbestätten ist ihm vermutlich nicht aufgegangen. Ihn zu verstehen bedeutet auch zu verstehen, was im Fall Dresden eigentlich das schützenswerte Gut ist. Aber am Verstehen fehlt es ja leider.

Beim Welterbe Dresdner Elbtal handelt es sich um ein zusammenhängendes Gebiet, welches in seiner Gesamtheit zu sehen ist. Die einzelnen Elemente dieses Gebietes sind für sich gesehen nicht so bedeutend. Was bedeutend ist, ist der Zusammenklang aller der Elemente: Das durchgehende Band der Elbwiesen, die Villen im Osten der Stadt, die Elbschlösser, die Blickbeziehungen aus der Innenstadt heraus und in die Stadt hinein usw. Das gegenwärtige Problem ist es, dass durch die Waldschlößchenbrücke gerade dieser Zusammenklang zerstört wird.

Wie ist es nun in Mérida? Hier handelt es sich gerade nicht um ein zusammenhängendes Gebiet. Vielmehr ist es eine Anzahl über die Stadt verstreuter Objekte, die nicht in räumlichem Zusammenhang zueinander stehen. Jedes Objekt steht für sich und ist nur für sich Bestandteil des Welterbes. Gemeinsam ist ihnen, Zeugnis der römischen Geschichte Spaniens zu sein.

Es müsste nun klar sein, dass die polemische Gegenüberstellung der Bilder eine völlig abwegige Parallelität vorgaukelt. Vergleichbar mit der Waldschlößchenbrücke wäre es allenfalls, wenn den Spaniern einfiele, etwa aus der Puente Romana einen Bogen heraus zu nehmen, um die Schifffahrt zu erleichtern. Aber so etwas wäre vermutlich nur möglich, wenn diese Brücke in Dresden stünde.

Dass er jetzt die falsche Interpretation des Urteils des Verwaltungsgerichts („der Tunnel sei nicht genehmigungsfähig“) heran zieht, um die UNESCO unter Druck zu setzen, ist schon eine Ungeschicklichkeit. Glaubt er, eine Botschafterin bzw. das spanische Außenministerium hat keine Mitarbeiter, die in der Lage sind, ein deutsches Urteil zu lesen? Das Welterbebüro in Paris, das ihr zuarbeitet, wird es sicher schon getan haben. Geradezu grotesk ist aber der erneute Versuch, die UNESCO zu kaufen:

Generell vorstellbar wäre die Errichtung eines Fonds, aus dem die UNESCO zur Rettung bedrohten Welterbes an anderer Stelle schöpfen könnte.

Interessant ist aber die Frage: Warum kommt Herr Mücke gerade jetzt mit einem Beispiel aus Spanien? Nun, es zeigt sich, dass er den Artikel von Eduard Zetera nicht gelesen oder nicht verstanden hat. Dort steht: „Regel Nr. 2: Drohe einem Botschafter nie, auch nicht andeutungsweise!“

María Jesús San Segundo übernimmt die Leitung der Sitzung des Welterbekommitees in Sevilla. Wer wissen will, wer oder was sie ist, kann selbst einmal nachsehen. Und der Herr Mücke, dessen Website man nur entnehmen kann, was er nicht ist? Er erweckt den Eindruck, als wolle er sagen: „Jetzt hören Sie mal zu, Maria! Wenn Sie nicht so handeln, wie wir das so wollen, dann werden wir einmal in Spanien etwas genauer hinsehen. Das bringt uns zwar nichts, aber Sie werden deshalb dort schon genügend Ärger bekommen.“ Ob er das mit dem Außenministerium abgesprochen hat? Ich glaube es nicht. Vermutlich hat er auch nicht mit seinen Parteifreunden Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher oder Klaus Kinkel gesprochen, die ja auch gewisse Erfahrungen in der Außenpolitik haben.

Was will Herr Mücke eigentlich erreichen? Er scheint eine Verständigung mit der UNESCO zu fürchten wie der Teufel das Weihwasser, sonst verfasste er nicht ein solch haarsträubendes Schreiben.


Anmerkung: Dieser Beitrag wurde ursprünglich für das Forum der DNN geschrieben.

Pressemitteilung

Erklärung der Welterbestadt Bamberg zur Pressekonferenz mit Christian Schuhböck in Dresden

Wenn dem Dresdner Elbtal der Titel als Welterbe aberkannt würde, wäre das nicht nur für die Stadt Dresden und das Land Sachsen beschämend, sondern für die gesamte Bundesrepublik. Denn Deutschland stünde damit für immer an erster – und bisher einziger – Stelle in der schwarzen Liste der Staaten, denen ein Kulturerbe aberkannt wurde. Kann unser Kulturstaat das wirklich mit seinem Ansehen vereinbaren? Der Image-Schaden würde auch die anderen deutschen Welterbe-Stätten betreffen. Die Welterbe-Stadt Bamberg und das Zentrum Welterbe Bamberg unterstützt deshalb die engagierten Initiativen zum Erhalt des Welterbes Dresdner Elbtal.

Dr. Karin Dengler-Schreiber
Zentrum Welterbe Bamberg
Rathaus Maxplatz
96047 Bamberg

Appell

der
Dresdner Welterbebewegung, bestehend aus:
Bürgerinitiative Welterbe Dresdner Elbtal
Netzwerk Welterbestadt Dresden
Verein Bürgerbegehren Tunnelalternative
Welterbe erhalten

Appell an die Mitgliederversammlung der 33 deutschen Welterbestätten in Stralsund

Die Dresdner Welterbebewegung bittet die Vertreter der deutschen Welterbestätten, sich solidarisch mit der gefährdeten Welterbestätte „Dresdner Elbtal“ zu erklären.

Noch ist es nicht zu spät. Noch lässt der Stand der Bauarbeiten es zu, den Beschluss des Welterbe-Komitees von 2008 in Québec umzusetzen und statt der landschaftszerstörenden Brücke einen Tunnel zu bauen. Bitte nutzen Sie die Ihnen gegebenen Möglichkeiten und setzen Sie sich auf allen politischen Ebenen für die Einhaltung der UNESCO-Konvention ein, damit das Dresdner Elbtal in seiner Einzigartigkeit erhalten bleibt und das Ansehen Deutschlands in der Welt nicht beschädigt wird.

Presseerklärung

der
Dresdner Welterbebewegung, bestehend aus
Bürgerinitiative Welterbe Dresdner Elbtal,
Netzwerk Welterbestadt Dresden,
Verein Bürgerbegehren Tunnelalternative,
Welterbe erhalten,
und der
Alliance For Nature,Wien

Die Dresdner Welterbebewegung und die Alliance For Nature geben folgende gemeinsame Erklärung ab:

Der Welterbegedanke ist bisher nicht in Dresden angekommen. Die mangelnde Auseinandersetzung mit Sinn und Wert der UNESCO-Welterbekonvention und deren zurückhaltende Verbreitung und Kommunikation haben dazu geführt, dass einer breiten Bürgerschaft noch nicht bewusst ist, um welch bedeutendes Übereinkommen es sich handelt – nämlich um das umfassendste, das jemals von der Völkergemeinschaft zum Schutz ihres natürlichen und kulturellen Erbes getroffen wurde.

Wie verkürzt, ja kontraproduktiv die Debatte geführt wird, zeigt die jüngste Äußerung des Dresdner Stadtrats und Bundestagsabgeordneten Jan Mücke, der mit dem völlig unpassenden Vergleich der Calatrava-Brücke bei Mérida mit der Waldschlößchenbrücke glaubt, der UNESCO Bewertungskriterien vorschreiben zu können.

Gerade angesichts solcher Ausfälle wird deutlich, dass Dresden und Sachsen in dieser Frage nicht allein gelassen werden dürfen.

Die Waldschlößchenbrücke ist kein lokales Problem! So sehr die Bereitstellung umfangreicher Fördermittel durch die Bundesregierung zu begrüßen ist, wird sie dadurch nicht der Pflicht enthoben, politisch zu handeln. Die Bundesregierung ist aufgefordert, in dieser Sache einzugreifen. Denn es steht nicht nur das Ansehen Deutschlands in der Welt auf dem Spiel, sondern es erwächst daraus der gesamten Völkergemeinschaft ein irreversibler Schaden.

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