An die Freu(n)de

An Friedrich Schillers Worte erinnert
Rolf Donnerhack

In der Landschaft, die Friedrich Schiller zu seiner Ode „An die Freude“ inspirierte, wird weiter an einer verkehrstechnisch unsinnigen und unansehnlichen Brücke gebaut. Die Zerstörung des UNESCO-Welterbes Dresdner Elbtal wird von der Troika Orosz, Tillich, Merkel wissentlich in Kauf genommen. Werden sie über die Waldschlößchenwiesen ziehen wie die apokalyptischen Reiter? Die Brückenbefürworter berufen sich auf einen Bürgerentscheid, der abgelaufen ist und dessen Fragestellung auch hätte lauten können: Wollt Ihr die totale Brücke?

Bleibt zu hoffen, dass Friedrich Schiller die Antwort auf die Frage: „Wie soll es weiter gehen?“ in seiner Ode „An die Freude“ schon 1785 vorweggenommen hat:

Freude schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten Feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum!
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt.
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
|: Brüder, überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen, :|

Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein,
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja, wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!
Was den großen Ring bewohnet,
Huldige der Sympathie.
|: Zu den Sternen leitet sie,
Wo der Unbekannte thronet. :|

Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reben,
Einen Freund, geprüft im Tod,
Wollust ward dem Wurm gegeben,
Und der Cherub steht vor Gott.
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahnest du den Schöpfer, Welt?
|: Such ihn überm Sternenzelt!
Über Sternen muß er wohnen. :|

Freude heißt die starke Feder,
In der ewigen Natur,
Freude, Freude treibt die Räder
In der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen
Die des Sehers Rohr nicht kennt.
Froh wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmels prächtigen Plan,
|: Laufet Brüder, eure Bahn,
freudig wie ein Held zum Siegen! :|

Aus der Wahrheit Feuerspiegel
Lächelt sie den Forscher an.
Zu der Tugend steilem Hügel
Leitet sie des Dulders Bahn.
Auf des Glaubens Sonnenberge
Sieht man ihre Fahnen wehn,
Durch den Riß gesprengter Särge
Sie im Chor der Engel stehn.
Duldet mutig, Millionen!
Duldet fur die beßre Welt!
|: Droben überm Sternenzelt
Wird ein großer Gott belohnen. :|

Göttern kann man nicht vergelten,
Schön ists, ihnen gleich zu sein.
Gram und Armut soll sich melden,
Mit den Frohen sich erfreun.
Groll und Rache sei vergessen,
Unserm Todfeind sei verziehn,
Keine Träne soll ihn pressen,
Keine Reue nage ihn.
Unser Schuldbuch sei vernichtet!
Ausgesöhnt die ganze Welt!
|: Brüder - überm Sternenzelt
Richtet Gott, wie wir gerichtet. :|

Freude sprudelt in Pokalen;
In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmut. -
Brüder, fliegt von euren Sitzen,
Wenn der volle Römer kreist;
Laßt den Schaum zum Himmel spritzen:
Dieses Glas dem guten Geist!
Den der Sterne Wirbel loben,
Den des Seraphs Hymne preist,
|: Dieses Glas dem guten Geist
Überm Sternenzelt dort oben! :|

Festen Mut in schweren Leiden,
Hilfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen -
Brüder, gält’ es Gut und Blut:
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!

Schließt den heilgen Zirkel dichter!
Schwört bei diesem goldnem Wein,
|: Dem Gelübde treu zu sein,
schwört es bei dem Sternenrichter! :|

Mögen Gott, der Gute Geist und der Sternenrichter, die schon Schiller in seiner Ode „An die Freude“ angerufen hat, dem Welterbe Dresdner Elbtal gnädig sein! Mögen sie das Schicksal der DresdnerInnen mit Milde verwalten und allen bewusst machen, dass die totale Brücke eine Blamage für Dresden und die Nation ist und kein Ziel ist, auf das man stolz sein kann.

Ein Beitrag von
Valeria Heintges
in der Sächsische Zeitung
vom 01.07.2008

Das Kuratorium für das Welterbe Dresdner Elbtal tritt zurück. Es sieht keinen Handlungsspielraum mehr.

Das Kuratorium UNESCO-Welterbe Dresdner Elbtal hat gestern auf seiner 12. Sitzung einstimmig beschlossen, vom Amt zurückzutreten. Die ihm übertragene Aufgabe sei „unerfüllbar geworden“, „Der Gedanke des Welterbes ist unter den gegebenen Bedingungen in Dresden nicht mehr vermittelbar“, heißt es in einer Erklärung, die das Kuratorium gestern verbreitete. Auch der neue sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) habe auf zwei Schreiben des Kuratoriums nicht reagiert. Sprecher Ingo Zimmermann: „Wir haben nicht einmal eine Eingangsbestätigung erhalten.“

Im Juni 2005 hatte der Dresdner Stadtrat zwanzig Persönlichkeiten der Stadt berufen, um laut Geschäftsordnung „in jeder Hinsicht darauf hinzuwirken, die Welterbestätte zu bewahren“. Doch als sich die Waldschlößchenbrücke zu einem Streitfall mit der UNESCO entwickelte, gaben die Stadträte von CDU, FDP, Bürgerfraktion und der Generalvikar des Bistums Dresden-Meißen ihr Amt auf. Auch Landtagspräsident Erich Iltgen nahm nicht mehr an den Sitzungen teil.

Eine „Fülle von Peinlichkeiten“, so Zimmermann, habe jetzt dazu geführt, dass das Kuratorium den Stadtrat bitten will, es von seinen Aufgaben zu entbinden. Christiane Filius-Jehne sprach von einer „völligen Missachtung“ des Kuratoriums. Klaudia Kristin Kaufmann von der Links-Fraktion sagte, man sei „nur auf taube Ohren gestoßen“.

Als einen Kommentar zur Tagung der UNESCO diese Woche im kanadischen Quebec will Zimmermann den Schritt des Kuratoriums nicht verstanden wissen. „Aber es gibt keinen Grund zu der Hoffnung, dass die UNESCO Dresden auf der Welterbeliste lässt.“

Es überrascht wenig, dass die Vertreter von SPD, den Grünen und der Linken mit ihrem Rücktritt ein deutliches Signal an die Landesregierung senden wollen. Allerdings waren zur gestrigen Kuratoriums-Sitzung auch die amtierende Landeskonservatorin Rosemarie Pohlack, ihr Vorgänger Gerhard Glaser und Heinz Diedrichsen vom Tourismusverein Dresden e.V. zugegen. Dass auch sie über ihre „sehr, sehr enttäuschenden“ Erfahrungen reden, spricht für einen kulturlosen Umgang der Stadt mit namhaften Bürgern, die der Stadtrat einst persönlich ernannt hat.

Dresden schadet sich selbst.
Ingo Zimmermann, Sprecher des Kuratoriums

Anmerkung

Verantwortlich für diesen Schaden sind zuallererst: Ministerpräsident a.D. Kurt Biedenkopf(CDU), Ministerpräsident a.D. Georg Milbradt (CDU), Wirtschaftsminister a.D. Karl Josef Schommer (CDU), Oberbürgermeister a.D. Herbert Wagner (CDU), Oberbürgermeister a.D. Ingolf Roßberg (FDP), Oberbürgermeister a.D. Lutz Vogel, Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), Stadtrat Hans-Joachim Brauns (CDU), Stadtrat und Bundestagsabgeordneter Jan Mücke (FDP), Bundestagsabgeordneter Arnold Vaatz (CDU) und ADAC-Sachsen-Chef Nikolaus Köhler-Totzki. Doch sie sind nicht allein verantwortlich. Ihr Wirken rechtfertigen sie mit dem erklärten Willen jener Dresdner Mitbürger, die bei vierspurig ausgebauten Straßen, silbrigen Leitplanken, spiegelglattem Asphalt und kreuzungsfreien Kreuzungen glänzende Augen bekommen und sich weder um die Lebensqualität ihrer eigenen Kinder noch um die behutsame Fortentwicklung des Erbes ihrer Eltern scheren.

Die Frage, ob und in welchem Umfang die UNESCO bei der Beantragung des Welterbetitels über den Bau der Waldschlößchenbrücke informiert wurde, ist in Dresden sehr umstritten. Die folgenden Seiten werden mithilfe von Originaldokumenten darauf eine fundierte Antwort geben.

Sie werden aber auch etwas über die Ursache des Konflikts um den Brückenbau verraten. Wir erinnern uns: Georg Milbradt sagte im Interview mit der Sächsischen Zeitung am 13.05.2008: „Kurt Biedenkopf, Herbert Wagner und ich haben deshalb immer vor einer Beantragung des [Welterbe-] Titels gewarnt.“ Das macht deutlich, es war sehr früh klar: Der Konflikt trennt diejenigen, die der Entwicklung einer leistungsfähigen (Auto-) Verkehrsinfrastruktur unbedingte Priorität einräumen von denen, die das nicht kompromisslos um den Preis der Zerstörung des Landschaftsbilds tun wollen. Erstere glaubten, durch eine geschickte Darstellung der Brückenplanungen auf elegante Weise das Angenehme (den UNESCO-Welterbetitel) mit dem Nützlichen (der Brücke) verbinden zu können.

Damit zu den Fakten:


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Am Donnerstag, dem 03.07.2008, findet um 09:30 Uhr der dritte Verhandlungstag vor dem Verwaltungsgericht Dresden in der Hans-Oster-Straße 4 (Saal 1) zum Klageverfahren der Grünen Liga Sachsen e.V. gegen die Genehmigung der Waldschlößchenbrücke statt.

Damit wird die Verhandlung nach den Terminen am 19.06.2008 und 26.06.2008, nunmehr mit den Schwerpunkten „Feinstaub“ und „Verfahrensfragen“, fortgesetzt.

Die Verhandlung ist öffentlich. Besucher können auch während der Verhandlung hinzukommen bzw. während der Verhandlung den Saal verlassen.

Die Ausstellung im Lingnerschloss (Bautzner Straße 132) mit Werken der Malerei, Fotografie, Grafik und Objektkunst zeigt, dass das Elbtal auch heute noch zeitgenössische Künstler zur intensiven Auseinandersetzung anregt und neue Sichtweisen hervorbringt, die die Eigen- und Einzigartigkeit, die außergewöhnlichen Reize und die Schutzwürdigkeit dieses Landschaftsraumes verdeutlicht, der nicht ohne Grund als Welterbe geadelt wurde.

Vernissage ist am 04.06.2008 um 18:30 Uhr. Zur Eröffnung der Ausstellung spricht Herr Wolfram Nagel, Rundfunkjournalist. Zu Gast ist Thomas Rosenlöcher. Im Anschluss findet ein Konzert mit Günter „Baby“ Sommer statt. Die Ausstellung selbst ist vom 14.07.2008 bis 29.08.2008 von Montag bis Freitag in der Zeit 10:00-18:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erwünscht.

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Am Montag, dem 30.06.2008, findet wieder eine Welterbe-Demonstration statt. Beginn ist 18:30 Uhr am Goldenen Reiter, Kundgebung ist um 19:00 Uhr an der Frauenkirche. Das Motto der Veranstaltung lautet:

Dresden vor der UNESCO-Entscheidung

Am 21. Juni endete der WeltKulturMarsch auf seiner letzten Etappe vor dem Brandenburger Tor in Berlin. In dreizehn deutschen Städten hat die „Last Minute Tour“ der Initiative Welterbe Erhalten aus Dresden für einigen Medienrummel gesorgt und überall gute Resonanz gehabt. Die Städte haben ihre namhaftesten und schönsten Plätze zur Verfügung gestellt und das Anliegen der Dresdner Initiative zur Erhaltung des UNESCO Welterbes Dresdner Elbtal mit getragen.

„Wir sind bei allen Stadtverwaltungen auf große Unterstützung und Solidarität gestoßen“, sagt Michael Grasemann, Mitorganisator des WeltKulturMarschs. „Die Zusammenhänge aufzuzeigen, hat für mehr Verständnis der Tragweite des Welterbeverlustes für Deutschland gesorgt.“

Details über die Desinformation der Bürger, die Kriminalisierung bürgerschaftlichen Engagements für Umwelt- und Naturschutz und die Vorgänge in Dresden zu erfahren, hat besonders die Menschen in den alten Bundesländern bewegt. Bundesweit haben sich Sympathisanten und Unterstützer, Verbände, Parteien und Vereine angeschlossen und gegen den Verlust des Welterbetitels für Deutschland protestiert. In Lübeck haben die Menschen ganz ähnlich Erfahrungen wie die Dresdner im Umgang mit einem unerwünschten Bürgerbegehren gemacht.

Über ein Jahr (Montags-) Demonstrationen mit 800 bis 15.000 Demonstranten und die Resonanz des WeltKulturMarschs haben gezeigt, dass man den Bürgerwillen nicht wegreden oder ignorieren kann. Grasemann sagt: „Durch die politische Arroganz einzelner ist in Dresden und über die Ortsgrenze hinaus so etwas wie eine Gemeinschaftsseele erwacht.“

Die Bürgerinitiativen zum Erhalt des Dresdner Welterbes werden in Kanada mit eigenen Vertretern für das Welterbe Dresdner Elbtal eintreten, mit Delegierten sprechen und für den Erhalt des Dresdner Welterbes werben.

Die Verantwortlichkeiten sind nach Meinung von Grasemann klar aufgezeigt: „Wir sind dankbar, dass die Bundesregierung und das Auswärtige Amt vor der UNESCO und der Welt endlich zu einem klaren Bekenntnis gezwungen sind. Wir hoffen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr Engagement für internationale Belange im Ausland nun auch im eigenen Land fortsetzen wird.“

Am Verwaltungsgericht Dresden ist die erste Verhandlung im Hauptsacheverfahren gegen die Waldschlößchenbrücke noch nicht entschieden. Drei sächsische Naturschutzverbände (BUND, NABU und Grüne Liga) hatten bereits im Jahr 2004 gegen den „Verkehrszug Waldschlößchenbrücke“ Klage eingereicht. Gegenstand der Verhandlung werden Themen des Naturschutzes aber auch Feinstaub und Verfahrensfehler im Genehmigungsverfahren sein. Zu welchem Urteil das Verwaltungsgericht kommen wird, ist völlig offen.

Michael Kaiser als Sprecher des Fachrates Dresdner Welterbe sagte abschließend: „Der WeltKulturMarsch und die Abschlussveranstaltung am Sonntag waren sehr gut. Es wurde eine hervorragende Ausstellung mitgeführt, die alle Widersprüche offen legte – die regionale Medienresonanz zu den Problemen in Dresden und überregionale Pressestimmen.“

Die Bürgerinitiativen zum Erhalt des Dresdner Welterbes werden in Kanada mit eigenen Vertretern für das Welterbe Dresdner Elbtal eintreten. Unsere Repräsentanten – wir benennen ausdrücklich keine Namen, da man in Dresden, wenn man sich offiziell für das Welterbe einsetzt, mittlerweile mit Repressionen rechnen muss – werden mit den Delegierten sprechen und für den Erhalt des Dresdner Welterbes werben.

Das bedeutet konkret, dass wir über die technische Machbarkeit des Tunnels (internationale Fachklausur an der TU Dresden) als die von der UNESCO geforderte welterbeverträgliche Lösung informieren werden. Deutschland hat als Vertragspartner der UNESCO die Bedingungen zu schaffen, dass diese sinnvolle Lösung umgesetzt wird.

Die Reise wird ausschließlich über Spenden unser Montagsdemos bürgerschaftlich finanziert.

Dass keine Vertreter des Freistaates an dieser Tagung teilnehmen, beweist einmal mehr, dass Sachsen nicht an einem Erhalt des Welterbestatus für das Dresdner Elbtal interessiert ist. Dies ist ein beschämender Vorgang, der das Ansehen Deutschlands als Kulturnation weltweit erheblich beschädigen wird.

Im Stenografischen Bericht von der 168. Sitzung des Deutschen Bundestags am 18.06.2008 in Berlin findet sich eine bemerkenswerte Passage: Hier bekennt der Dresdner FDP-Abgeordnete Jan Mücke freimütig (38. Seite): „Ich habe jetzt ein intellektuelles Problem.“ Um das Problem von Jan Mücke zu verstehen, muss ein wenig ausgeholt werden. Vorweg aber schon der Hinweis: Es wird dem Parlamentarischen Staatssekretär Achim Großmann schließlich gelingen, ihm aus seinem „intellektuellen Dilemma“ zu helfen.

Hintergrund der im Bundestag geführten Diskussion sind die Versuche der Brückenfreunde, die Machbarkeit des Elbtunnels grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Ein Argument, das von ihnen mit Vorliebe angeführt wird, lautet verkürzt: Die Bauzeit eines Tunnels ist inakzeptabel lang. So spricht z.B. ein Informationsblatt der CDU-Stadtratsfraktion vom September 2007 von „weit über zehn Jahren“. Nach einer Pressemitteilung der Ingenieurkammer Sachsen vom 31.01.2008 ist die „Verkehrsübergabe einer Elbtunnellösung vor 2015 illusorisch.“ Und auf der Internetseite der Bürgerinitiative Pro Waldschlößchenbrücke heißt es bis heute: „Die Realisierung des Elbtunnels dürfte bis zu 10 Jahre in Anspruch nehmen.“

Nun steht das in krassem Widerspruch zu Aussagen einer hochkarätigen, unabhängigen und international besetzten Gruppe von Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft, die nach der Fachklausur „Elbtunnel Dresden“ am 06.03.2008 sagt: „Bei zeitnaher Entscheidung des Stadtrates für einen partiellen Baustopp und einer Beauftragung zur Weiterführung der Tunnelplanung dauert die Fertigstellung des Tunnels im Vergleich zur Brücke ca. zwei Jahre länger.“ Trotz eines einigermaßen dreisten Manövers des städtischen Presseamts wird nach Fachgesprächen in der Folge diese Einschätzung seither weder von den Fachleuten der Ingenieurkammer noch von der Stadtverwaltung bestritten.

Ganz anders verhält es sich mit Jan Mücke: Er nutzt die Fragestunde des Bundestags in Berlin, um den „Fachrat Dresdner Welterbe der Lüge zu überführen“, wie er selbst am 30.05.2008 in einer Pressemitteilung verlauten lässt. In der Fragestunde am 28.05.2008 war ihm das dem ersten Anschein nach noch ganz gut geglückt. Am 18.06.2008 versuchte er erneut, durch eine Vermischung von Ergebnissen einer förderrechtlichen Prüfung und Aussagen zu planungsrechtlichen Erwägungen – verpackt als „intellektuelles Problem“ –, dem Vertreter des Bundesverkehrsministeriums widersprüchliche Aussagen zu entlocken. Schließlich meinte der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann (39. Seite): „Herr Mücke, Sie versuchen jetzt, mir das Wort im Munde herumzudrehen. Das finde ich nicht besonders fair; ich merke es aber.“ und belehrte ihn darüber, „dass, wenn ein Tunnelzulauf für eine Brücke gebaut werden muss, Teile dessen, was man im planerischen Vorfeld gemacht hat, weiterverwendet werden können. … So etwas zu sagen, ist … aus der Erfahrung eines langjährigen erfolgreichen Baudezernenten durchaus möglich.“ Achim Großmann sagt damit im Grunde nichts anderes als die Teilnehmer der Fachklausur: „Schätzungsweise 15% der Planunterlagen des Planfeststellungsverfahrens müssen neu erarbeitet werden. Die Erstellung der Planfeststellungsunterlagen für den Tunnel nimmt 6 Monate in Anspruch. Das Genehmigungsverfahren dauert ca. 8, maximal 12 Monate.“

Mit einem Wort: Die Brückenfreunde behaupten, für den Bau eines Tunnels bräuchte man 7 bis weit über 10 Jahre, also bis 2015 oder 2018. Die Fachleute sagen hingegen, der Bau des Elbtunnels dauert nur 2 Jahre länger als eine Brücke, also bis 2012.

Diese Art der Diskussion entspricht einem Leitmotiv, das sich seit Jahren durch den „Dresdner Brückenstreit“ zieht: Die Brückenfreunde erfinden mehr oder minder abstruse Einwendungen, um die Machbarkeit des Elbtunnels in Zweifel zu ziehen. Ihre Behauptungen zu den Kosten oder der Lage von Zufahrten und Lüftungsgebäuden sind vielleicht die bizarrsten Beispiele dafür. Bislang hat keines ihrer Argumente einer fachlichen Prüfung standgehalten. Das ficht sie nicht an. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Achim Großmann mit der Bemerkung schließt: „Wenn Sie sich die Situation und den Trassenverlauf anschauen – das Vorhaben findet ja auf der gleichen Trasse statt –, dann müssten eigentlich auch Sie mir zustimmen – vielleicht erst nach der Fragestunde; aber letztlich müssen Sie mir zustimmen.“ Von Jan Mücke bekommt er darauf nichts anderes zu hören als ein trotziges: „Nein!“

Im übrigen sollte nicht übersehen werden, dass die Brücke wegen der Stahlknappheit auf dem Weltmarkt nicht nur um 20 Mio. € teurer wird, sondern der Stahlbau erst 2009 statt wie geplant 2008 beginnen kann: also ein Jahr später. Dies ist seit Monaten bekannt.

Kurzum: Voraussichtliche Fertigstellung einer Brücke: 2011 – Mögliche Fertigstellung des Elbtunnels: 2012. Der Elbtunnel holt auf!

Und Sorgen, dass es bis dahin langweilig wird, sind auch unbegründet: Herr Mücke wird gewiss für Kurzweil sorgen …

Am Donnerstag, dem 26.06.2008, findet um 09:30 Uhr der zweite Verhandlungstag vor dem Verwaltungsgericht Dresden in der Hans-Oster-Straße 4 (Saal 1) zum Klageverfahren der Grünen Liga Sachsen e.V. gegen die Genehmigung der Waldschlößchenbrücke statt.

Damit wird die am 19.06.2008 begonnene Verhandlung fortgesetzt. Zum Inhalt ihrer Klage hat die Grüne Liga eine ausführliche Presseinformation vorbereitet. Diese macht deutlich, dass vor dem Verwaltungsgericht insgesamt neun Aspekte mit Bezug zum Planfeststellungsverfahren zum Bau der Waldschlößchenbrücke verhandelt werden – es geht also nicht nur um die Kleine Hufeisennase, sondern auch um Fragen des Vogelschutzes und eine Bewertung der Prüfung weiterer naturschutzrechtlicher Fragen bei der Planfeststellung.

Die Verhandlung ist öffentlich. Besucher können auch während der Verhandlung hinzukommen bzw. während der Verhandlung den Saal verlassen.

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