Am Montag, dem 23.06.2008, findet wieder eine Welterbe-Demonstration statt. Beginn ist 18:30 Uhr am Goldenen Reiter, Kundgebung um 19:00 Uhr an der Frauenkirche. Als Redner haben sich angekündigt:

  • Dr. Albrecht Leonhardt
    Bürgerfraktion im Dresdner Stadtrat
  • Eva Jähnigen
    Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Dresdner Stadtrat
  • Dr. Peter Lames
    SPD-Fraktion im Dresdner Stadtrat
  • Michael Grasemann
    Organnisator des Weltkulturmarschs
  • Jochen Flade
    Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz
  • Jana Knauth
    Bürgerinitiative Welterbe Dresdner Elbtal

Ein Beitrag des
BUND Dresden

Mit dem europäische Schutzgebietsystem NATURA 2000 entsteht gegenwärtig ein zusammenhängendes Netz zum Schutz bedrohter Lebewesen und deren Lebensräume, zur Bewahrung des Naturerbes und der biologischen Vielfalt Europas auch über Ländergrenzen hinweg. Den Kern bilden die an die Europäische Union gemeldeten Flora-Fauna-Habitat-Gebiete (FFH) und Vogelschutzgebiete (Special Protection Areas, SPA).

Zuständig für deren Auswahl nach einheitlichen Richtlinien der EU sind in Deutschland die Bundesländer, so auch Sachsen. Unterstützend wie kritisch von den Umweltverbänden NABU und BUND begleitet, schaffte es auch Sachsen, nach mehreren Meldetranchen nunmehr 270 FFH-Gebiete (9,16% der Landesfläche) und 77 SPA-Gebiete (13,5% Landesfläche, häufig die FFH-Gebiete umschließend) einzureichen. Der Vogelschutz komme damit auf europäisches Niveau, vermeldete stolz das Regierungspräsidium Dresden im Dezember 2006 bei der Bekanntmachung der Verordnungen.

Schaut man sich jedoch die beiden das sächsische Elbtal betreffenden Schutzgebiete FFH Nr. 34 „Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg“ sowie das gleichnamige Vogelschutzgebiet Nr. 26 „Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg“ näher an, dann fällt eine Lücke im Vogelschutzgebiet in der Dresdner Innerstadt auf. Zwischen Marienbrücke und Blauen Wunder setzt der Vogelschutz aus, macht sozusagen eine Pause. Die auf Johannstädter Seite bis ans Blaue Wunder, auf Neustädter Seite bis ans Waldschlößchen reichenden Elbwiesen sind ausgerechnet hier, an ihrer breitesten Stelle nach Meinung sächsischer Behörden nicht schutzwürdig. Da selbst die schmale Kaditzer Flutrinne im Schutzgebiet liegt, ist eine Auslassung der wesentlich breiteren Johannstädter Elbwiesen schon merkwürdig.

Nun lassen die Vorgaben der europäischen Union den zuständigen Behörden fachliche Spielräume zu. Nicht alle Gebiete, in denen geschützte Vogelarten vorkommen, müssen aufgenommen werden. Es sind bei den Brutvogelarten die „repräsentativsten (Top 5) Gebiete“ auszuwählen. Der streng geschützte Wachtelkönig hat halt Pech. Warum muss er auch ausgerechnet auf der Johannstädter Wiese brüten? Soll er doch im Ostragehege bleiben, da rennen auch weniger Hunde rum, meint schon das Regierungspräsidium im Planfeststellungsbeschluss zur Waldschlößchenbrücke.

Wenn selbst der Regionale Planungsverband Oberes Elbtal-Osterzgebirge die gesamte Elbachse auch innerhalb Dresdens als „überregional bedeutsame Vogelflugachse“ in die Karte B zur Windenergienutzung des Regionalplanes aufgenommen hat, muss damit für die Fachbehörden noch lange nicht das Kriterium eines „wichtigen Rastgebietes von Wasservogelarten“ erfüllt sein. Für die Naturschutzverbände Grüne Liga, NABU und BUND gehören die Johannstädter Elbwiesen ohne Zweifel zu den Top 5-Gebieten Sachsens, für Wachtelkönig und Flussuferläufer sind es wichtige Rastplätze und erfüllen damit die internationalen Anforderungen C 4 und C 6 des Verzeichnisses IBA (Important Bird Areas), um als Vogelschutzgebiet bewertet zu werden.

Stützen können sich dabei die Naturschützer auch auf die vom Landesamt für Umwelt und Geologie als Fachbehörde für das Vogelschutzgebiet Nr. 26 mitgelieferte „Gebietscharakteristik“, die ohne Zweifel auch auf die ausgelassenen innerstädtischen Elbwiesen zutrifft. Das Vogelschutzgebiet Nr. 26 ist gekennzeichnet durch: „Strom- und Auenbereiche der Elbe mit wechselnden Talbreiten, […] breite Auen mit Anschluss an flache Niederterrassen in der Dresdener Elbweitung, […] extensiv genutzte Auenwiesen mit Staudenfluren.“ Es sind: „[…] bedeutende Brutgebiete von Vogelarten der vegetationsarmen Uferbereiche, der halboffenen und grünlandbetonten Auenlandschaft, der offenen bis halboffenen Agrarlandschaft und der Wälder und bedeutendes Rast-, Durchzugs- und Nahrungsgebiet für Wasservogelarten, insbesondere die auch noch während längerer Frostperioden eisfreie Elbe.“

Sonderbar muss es da schon erscheinen, wenn durch sächsische Behörden aus einem von der Tschechischen Grenze bei Schöna bis zum Brandenburger Elbzipfel bei Mühlberg durchgehend als Vogelschutzgebiet eingestuften Naturraum ausgerechnet der Bereich ausgelassen wird, in dessen Mitte die Waldschlößchenbrücke entstehen soll. Es hat schon sehr den Anschein, dass hier eine Behörde der Landesregierung unter Verletzung ihrer Unabhängigkeit dem Vorhaben „Waldschlößchenbrücke“ mögliche Planungshemmnisse aus dem Weg räumen sollte. Dementiert wurde diese Vermutung bisher jedenfalls nicht.

Das Verwaltungsgericht Dresden hat den Naturschutzverbänden in seinem Hufeisennasenurteil vom 09.08.2007 den Hinweis mit auf den Weg gegeben, verwaltungsgerichtlich nachprüfen zu lassen, „ob eine Ausweisung als Vogelschutzgebiet aus fachfremden Erwägungen unterblieben ist“ (VG Dresden, Urteil vom 09.08.2007, Az. 3 K 712/07).

Kartenmaterial zum SPA-Gebietsvorschlag:

In der Berliner Zeitung vom 14.06.2008 heißt es unter dem Titel „Das erschöpfte Europa“ über das Nein der Iren zum EU-Reformvertrag: „Der Kontinent erlebt historische Tage. Sie werden als diejenigen in die Geschichte eingehen, an denen die Piefigkeit die Vernunft besiegte.“

Aha. Und was hat das mit Dresden zu tun? Und gar mit dem Elbtunnel?

Das erschließt sich, wenn man ein wenig weiter liest: „Die Piefigkeit besteht in dem Glauben, dass alles besser wäre, wenn man doch abgeschottet auf der eigenen Scholle unter seinesgleichen bleiben könnte. Die Europäische Union, dieses merkwürdige Gebilde, erscheint als Bedrohung. Als obskure und fremde Macht, die den Einfluss der Nation schmälern will. … Diese Sichtweise entsteht im Bauch und nicht im Kopf.“ – Ersetzt man „Europäische Union“ durch „UNESCO“ und die „Nation“ durch unser geliebtes „Dresden“ ist man schneller als erwartet in der hiesigen Diskussion darüber angelangt, ob internationale Verpflichtungen der Bundesrepublik eine stärkere Bindungswirkung entfalten als kommunale Bürgerentscheide.

Darüber kann man bekannter Maßen geteilter Meinung sein. Die Auffassung der Berliner Zeitung zur Frage, ob denn nun globales oder lokales Denken wichtiger ist, scheint indes eindeutig: „Die Europäische Union hat 27 Mitgliedsländer. Gäbe es die EU nicht, wäre jedes davon im internationalen Maßstab ziemlich unbedeutend. Von dem Belgier Paul-Henri Spaak, einem der Gründerväter der Gemeinschaft, stammt das berühmte Bonmot: ‚Es gibt nur kleine europäische Staaten. Manche haben es nur noch nicht gemerkt.‘ … Deutschland wäre ohne die EU alles Mögliche, aber bestimmt nicht Exportweltmeister und ein angesehenes Mitglied der Völkerfamilie. Wer in Europa meint, auf die Union verzichten zu können, macht sich Illusionen über die eigenen Fähigkeiten.“

Der Glaube der Iren, auch ohne die Europäische Union ganz gut klar zu kommen, ist ebenso irrig wie die trotzige Dresdner Einwendung: „Die Touristen kommen auch ohne den UNESCO-Welterbetitel zu uns.“ Sicher tun sie das, es fragt sich nur, wie viele und woher.

Dresden ist eine kleine Stadt,
mit einem großen Maul.
Ein Franzose, 1846

Der beschämend niedrige Anteil ausländischer Gäste in Dresden spricht eine deutliche Sprache. Die wichtigste Außenwirkung des UNESCO-Welterbetitels wäre es, eben dieses Defizit zu beheben. Ein solch außergewöhnliches Prädikat unterstützt die Sichtbarkeit Dresdens insbesondere bei Touristen aus Übersee.

Nun hat alles im Leben zwei Seiten: Wer sich mit dem Welterbetitel schmücken möchte, muss zugleich bereit sein, für die Bewahrung des Welterbes Zugeständnisse zu machen. Der aberwitzige Versuch, die Brücke weiterzubauen und zugleich auf einem Titelerhalt zu bestehen, bedeutet schlicht, dass man sich Rechte sichern möchte, ohne Verpflichtungen eingehen zu wollen. Das geht nun aber mal nicht – oder wie der Engländer sagt: „Well, there’s no such thing as a free lunch.“

Es mag einfach sein, zu beklagen, dass die Dresdner den tatsächlichen Wert des UNESCO-Welterbetitels einfach nicht erkennen wollen und geneigt sind, ihn leichtfertig in den Wind zu schreiben. Das liegt wohl auch daran, dass es Landesregierung und Stadtverwaltung bewusst unterlassen haben, die Dresdner aufzuklären und bei ihnen Stolz auf die Auszeichnung, Freude über ihre Wirkung und Begeisterung für die damit verbundenen Werte zu wecken. Ja – aber haben sie denn danach gefragt? Wenigstens einmal?

Ein Welterbe-Puzzle

Angesichts der Aktionen für eine welterbetaugliche Elbquerung in Dresden drängt sich immer wieder die Frage nach den wahren Gründen für die Starrheit der sächsischen Landesregierung und einiger Dresdner Stadträte bezüglich des Brückenbaus am Waldschlößchen auf. Warum unbedingt diese Brücke?

Eine ehrlich Antwort auf diese Frage ist derzeit kaum zu bekommen. Dennoch lässt sie sich finden, wenn man ein wenig puzzelt:

Puzzleteil eins lieferten im Januar 2008 die Vertreter der Ingenieurkammer Sachsen, welche den Tunnel als „keine wirkliche Alternative“ bezeichneten, u.a. weil „Fragen der weiteren Entwicklung des Güterverkehrs, der Fahrrinnentiefe etc. per Staatsvertrag … mit Tschechien zu regeln“ seien (Pressemitteilung der Ingenieurkammer Sachsen vom 31.01.2008).

Könnte das etwas mit einem Elbe-Ausbau zu tun haben? Möglicherweise schon. Haben sich doch 2006 das „deutsche und das tschechische Verkehrsministerium auf ein Konzept für die Schiffbarkeit der Elbe geeinigt. Demnach soll der letzte noch weitgehend naturbelassene Fluss Europas vom Jahre 2010 an zwischen Decin in Nordböhmen und Hamburg an mindestens 345 Tagen des Jahres befahrbar sein. Ziel sei die Belebung dieses jahrhundertealten Wasserweges.“ (TAZ vom 28.08.2006: „Elbe-Ausbau alarmiert Umweltschützer“)

Puzzleteil zwei findet sich beim Lesen der Webseite neue-waldschloesschenbruecke.de in der Stellungnahme des pensionierten Bauwerk-Fachplaners Dr. W. Pschenitzka: Die ursprüngliche minimale Überdeckungsstärke des Tunnels unterhalb der Elbe von 1,8 Metern (im Tunnelgutachten der Stadt von 2003) sei nicht mehr zutreffend, da das Wasser- und Schifffahrtsamt mit dem Schreiben vom 31.03.2006 eine Überdeckungsstärke von 3,5 Metern vorgibt. Haben sich 2003 die Tunnelplaner geirrt oder hat die Elbe plötzlich ihre Erosionskraft erhöht? Was könnte das Wasser- und Schifffahrtsamt dazu bewegen, so „spontan“ seine Vorgaben zu ändern?

Puzzleteil drei liefert eine Antwort: Wenn man den Fluss vertiefen will, braucht man darunter Platz. Vertiefen muss man ihn, um profitabel möglichst voll beladene Schiffe fahren lassen zu können. Das wäre im Interesse der Hafenbetreiber an der Elbe. Betreiber der größten Häfen an der oberen Elbe von Lovosice (Tschechien) bis nach Roßlau (Sachsen-Anhalt) ist die „Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH“ und die gehört dem Land Sachsen. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Dresden wiederum ist eine Ortsbehörde des Bundesverkehrsministeriums, das ja (spätestens) seit 2006 wieder an der Belebung der Elbe-Güterschifffahrt interessiert ist. Man erinnere sich an Puzzleteil eins, womit sich der Kreis schließt.

Es geht hier um mehr als ein paar Schiffe auf der Elbe. Allein für den Erhalt der Schiffbarkeit der Elbe werden derzeit jährlich 40 Millionen Euro an Steuergeldern ausgegeben, mit einem Ausbau möglicherweise noch mehr. Und wenn man neben dem Ausbau des Flusses auch noch die Elbhänge bebauen wöllte, dann wäre das alles besser ohne die UNESCO als „Bremse“ möglich.

Die Antwort auf unsere eingangs gestellte Frage lautet also: Die Brücke als Welterbestatus-Killer schafft Freiraum für umfassende Eingriffe, Veränderungen oder Bauten im Elbtal. Das hat man sich im Bürgerentscheid von 2005 gewissermaßen demokratisch legitimieren lassen – von einem davon nicht in Kenntnis gesetzten Teil der Dresdner. Ob sie die Brücke unter diesen Umständen befürwortet hätten? Dampferflotte ja, aber wohl kaum ein Dresdner mag sich seine Stadt mit zugebauten Elbauen und mit hektischem Lastschifffahrtsgewimmel wie im Hamburger Hafen mitten in der Altstadt vorstellen. Und: wie sollen üppige Frachtschiffe die Augustus- und die Albertbrücke passieren? Wo schon die Schiffe der Weißen Flotte bei jeder Passage ihre Schornsteine einholen müssen!

Weltkultur kaputt

In einer Landschaft, die Friedrich Schiller zu seiner Ode „An die Freude“ inspirierte, werden mit tausenden Tonnen Wasserbeton Tatsachen geschaffen. Um den Bau der Waldschlößchenbrücke doch noch aufzuhalten, starteten Künstler den WeltKulturMarsch von Dresden durch Deutschland nach Berlin.

von Viola Schlesinger

Es regnet in Strömen aber die Männer wollen nicht weichen. Sie stehen vor einer 5 × 20 Meter großen Bilderwand. Mit Kabelbindern ist sie an einem Zaun des Kölner Doms befestigt, der hinter dem Panoramabild steil in die Höhe ragt. Mit Erlaubnis der Dombaumeisterin Prof. Dr. Barbara Schock-Werner haben Dresdner Künstler das 5 × 20 Meter große Foto hier sturmfest gemacht. Auf der riesigen Leinwand ist zu sehen, was seit Jahren umstritten und immer wieder in den Medien ist: das Welterbe Dresdner Elbtal.

Malerisch reicht die Elbe mit ihren breiten Auen bis direkt in das von Kuppeln bekrönte Stadtzentrum hinein. Sanfte Hügel, weite Wiesen, alte Bäume – eine Landschaft, wie von Caspar David Friedrich gemalt. Ein Panorama, das seit jeher Künstler, von Bernardo Bellotto genannt Canaletto bis Friedrich Schiller, verzaubert hat. Der Ort inspirierte Schiller zu seiner Ode „An die Freude“ – die Textvorlage für die Europahymne.

Gerade Künstler wollen sich nicht damit abfinden, dass dieser Ort durch den Bau einer Brücke gerade an dieser Stelle für alle Zeiten zerstört werden soll. Der Bildhauer und Holzgestalter Michael Grasemann und der Architekt Norbert Scheuermann stellen einen Tapeziertisch auf den verregneten Domplatz in Köln. „Oooouuu!“, schallt es aus einer Kneipe herüber, wo Kölner dicht gedrängt das erste Tor von Kroatien gegen Deutschland fallen sehen.

Was machen Dresdner mit einer riesigen Stadtansicht bei Regen vor dem Kölner Dom? Michael Grasemann wischt den Malertisch trocken und breitet darauf Postkarten und Elbkiesel mit dem Wort DRESDEN darauf aus. „Es macht betroffen und wütend, wie sich politische Arroganz über Gutachten und Maßgaben der UNESCO hinweg setzt, weil z.B. ein Herr Milbradt den ideellen Wert des Ortes nicht sehen kann.“

Genau davor will die UNESCO solche Orte im Ernstfall bewahren: vor Gewalt, vor kurz gehaltenem Zeitgeschmack, vor ideologisch geleiteter Zerstörungswut oder einfach nur vor bornierter Kurzsichtigkeit. Warum stoppt keiner das zerstörerische Brückenprojekt? Wird in Dresden zum ersten mal der Ernstfall geprobt?

Zwei Bürgerbegehren gegen die Brücke, 1996 mit 23.000 und 2008 mit 50.000 Unterschriften, wurden von der Stadtverwaltung und dem Regierungspräsidium einfach vom Tisch gewischt. Das Regierungspräsidium als eine Mittelbehörde erwies sich stets als willfähriges Instrument der CDU-dominierten sächsischen Staatsregierung. Da steht wirtschaftliches Einzelinteresse gegen Weltkultur.

Was vor aller Augen passiert, wurde von Journalisten bekannt gemacht und immer wieder von großen Blättern kritisiert. Soll die Torheit, nun schon einmal angefangen, jetzt zu Ende geführt werden? Das wäre, als würden Generäle sagen: „Nun haben wir die Kanonen, jetzt müssen wir auch schießen!“

Die Bundesrepublik Deutschland hat im Juli 2004 gegenüber der UNESCO und der Welt anerkannt, dass es ihre Aufgabe ist, Schutz und Erhaltung des Welterbes Dresdner Elbtal sicherzustellen wie auch „seine Weitergabe an künftige Generationen“. Sie hat anerkannt, „hierfür alles in ihren Kräften stehende zu tun, unter vollem Einsatz ihrer eigenen Hilfsmittel und gegebenenfalls unter Nutzung jeder ihr erreichbaren internationalen Unterstützung“.

„Möge die Bundesrepublik Deutschland diese Verpflichtung nun einlösen!“ sagt Norbert Scheuermann, der genau dafür am 9. Juni mit anderen Künstlern den WeltKulturMarsch in dreizehn deutsche Großstädte angetreten hat. Letzte Station wird am 21. Juni Berlin sein. In der Bundesregierung steht nicht nur Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegen die Brücke. Er hat mehrfach gemahnt, einen Kompromiss zu suchen und betont, der Bund werde einen Tunnelbau auch finanziell unterstützen. Genützt hat es nichts. Bisher hat die Bundesregierung ihre eigenen Hilfsmittel und die Nutzung jeder, ihr erreichbaren internationalen Unterstützung nicht ausgeschöpft: Die Brückenfreunde bauen weiter.

„Canaletto kaputt“ titelte Die Zeit, Nr. 45, 2005. Kaum ist mit der Frauenkirche das berühmte Elbpanorama von Dresden komplett, wird es wieder zerstört. Eine vierspurige Elbbrücke bedroht das Stadtbild, was unweigerlich zur Aberkennung des Welterbetitels führt. Im Juli 2006 hat die UNESCO die Kulturlandschaft Dresdner Elbtal auf die Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt. Der Grund dafür war die Gefährdung durch das Bauvorhaben Waldschlößchenbrücke.

Was auf der Bilderwand vorm Kölner Dom zu sehen ist, wird weiter mit Beton zugekippt. Diejenigen, die Dresden das eingebrockt haben, amtieren längst nicht mehr: Ex-Ministerpräsident Biedenkopf wurde von den eigenen Parteifreunden aus dem Amt gemobbt, Ex-Oberbürgermeister Roßberg wurde nach Untreue-Vorwürfen suspendiert und Ex-Ministerpräsident Milbradt verzockte erst mit der Sächsischen Landesbank Milliarden und stolperte schließlich über dubiose Immobiliengeschäfte. „Ist es möglich, dass die ganze Weltgeschichte missverstanden worden ist? Ist es möglich, dass die Vergangenheit falsch ist?“, schrieb Rilke. „Ja, es ist möglich.“

Eine Frau vor der Bilderwand auf dem Domplatz in Köln legt ihre Hände vors Gesicht: Sie ist traurig und kann nicht fassen, dass so etwas möglich ist. „Machen Sie weiter“, sagt die Frau im roten Regencape. „Das haben wir vor. Die Künstlerin Many Jost verhinderte nach dem II. Weltkrieg den Abriss der Semperoper. Der Architekt Hermann Krüger, Stadtkonservator in Dresden, hat dafür gesorgt, dass das Schloss noch steht. Jetzt sind wir eben dran.“ Michael Grasemann hat den Marschplan kurzerhand umgestellt: am Samstag, dem 14. Juni, kommt der WeltKulturMarsch von 10:00 bis 12:00 Uhr noch einmal außerplanmäßig vor den Kölner Dom. Wer gegen Landesregierende und Stadtverwalter hält, der lässt sich von schlechtem Wetter und einem Fußballspiel nicht unterkriegen.

Nach einer Tour durch 12 deutsche Großstädte erreichte der Weltkulturmarsch am Samstag, dem 21.06.2008, Berlin. Am Brandenburger Tor fand die Abschlusskundgebung statt. Viele Prominente aus ganz Deutschland unterstützten den Weltkulturmarsch. Es sprachen unter anderen in Berlin:

  • Dr. Marlies Volkmer
    SPD, MdB Deutscher Bundestag
  • Franziska Eichstädt-Bohlig
    Architektin, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin
  • Katrin Göring-Eckardt
    Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Bündnis 90/Die Grünen
  • Annette Ahme
    Historikerin, Vorsitzende der Gesellschaft Historisches Berlin e.V.

Michael Grasemann, der Organisator des Weltkulturmarschs, sagte nach der Abschlusskundgebung: „Wir haben überall Unterstützung von den Menschen auf der Straße, von Künstlern bis hin zu Politikern gehabt. Wir haben mit hunderten Unterstützern und tausenden Interessierten gesprochen. Wenn die Bundesregierung nicht eingreift und geltendes Recht durchsetzt, werden wir Deutsche später wieder einmal nach dem Schaden klug sein müssen. Die Politiker in den Orten mit Welterbestätten Köln, Bremen, Essen und Berlin haben uns klar gesagt, für sie wäre es undenkbar, ihren Welterbestatus aufs Spiel zu setzen. Überall in Deutschland setzen sich Menschen gegen den Abbau kultureller Werte ein, wie auch wir. Wie Günter Grass hoffe ich, dass in Dresden die Vernunft das letzte Wort hat. Die Zeit ist auf unserer Seite.“

Am 13.06.2008 machte der Dresdner Weltkulturmarsch Station in Frankfurt. Vor Ort wurden die Dresdner von der Grünen Fraktion Frankfurt „Die Grünen im Römer“ unterstützt.

Hinweis: Weitere Informationen finden Sie auf der Hauptseite zum Weltkulturmarsch.

Kein Ende in Sicht

Ein Kommentar in der
Sächsischen Zeitung
vom 13.06.2008

Jetzt macht das Regierungspräsidium tatsächlich, was es angedroht hatte: Es kippt den Stadtratsbeschluss zum Bürgerentscheid über einen Tunnel und erklärt diesen für rechtswidrig. Damit ist aber mitnichten der jahrelange Streit zu Ende, sondern er geht nur in die nächste Runde. Jetzt werden sich wieder Richter mit Für und Wider beschäftigen, von beiden Parteien fleißig mit Material versorgt. Schade ist nur, dass der Versuch von 55.000 Dresdnern, die eigene Stadt zu gestalten, also aktive Demokratie zu leben, nichts zählt. Da braucht man sich über eine weiter sinkende Wahlbeteiligung nicht zu wundern.

Erklärung
des Kreisverbands Köln
von Bündnis 90 / Die Grünen
zum Weltkulturmarsch

Außergewöhnliche Orte verlangen ungewöhnliche Lösungen!

Wenn nicht Weltkulturerbe- und Weltnaturerbe-Stätten, welche Gebäude und Landschaften sind dann schutzwürdig, weil sie wichtige Identifikationsorte von Städten und Ländern sind?

Die Aufnahme und Bewahrung dieser einmaligen Denkmäler in die Liste des schutzwürdigen Welterbes soll sie vor dem Zugriff einer zumeist zeitlich begrenzten und meist wirtschaftlich begründeten Zerstörung retten. Die Wirkungsbereiche dieser Denkmäler sind grenzübergreifend, sie gehören der ganzen Menschheit.

In Köln ist es gelungen, den Kölner Dom als Weltkulturerbe zu sichern und gleichzeitig eine zukunftsweisende und wirtschaftliche Entwicklung in seinem Umfeld zuzulassen. Dies hat viel Überzeugungsarbeit gekostet, aber die nachfolgenden Generationen werden es uns danken. Dabei war der Kölner Dom nicht in seiner Gestalt bedroht, wie nun das Elbtal.

Durch den Bau der Waldschlösschenbrücke wird das gesamte Dresdner Elbtal unwiderruflich beeinträchtigt.

Alle Appelle an die Abgeordneten und Regierenden des Freistaates Sachsen und der Stadt Dresden, den Herausforderungen der Erneuerung gewachsen zu sein und gleichzeitig das kulturelle Erbe der Stadt Dresden zu bewahren, sind bisher versandet. Der Bau der umstrittenen Waldschlösschenbrücke hat begonnen, obwohl noch nicht einmal der zukünftige Nutzen dieser schneisenhaften neuen Verkehrsader zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte.

Deshalb unterstützen die GRÜNEN die Forderung nach Erhalt des Welterbestatus für das Dresdner Elbtal, nach Erhalt des Elbtals in seiner einmaligen Gestalt und Gestaltung. Der Bau der geplanten Brücke führt zum Verlust des Welterbestatus und zur unwiderruflichen Zerstörung des harmonischen Ensembles von Landschaft und Stadt, von Natur und Kultur.

Die GRÜNEN fordern die Verantwortlichen auf, den Bau zu stoppen und mit Vertretern der UNESCO über Kompromissvorschläge zu verhandeln. Vorschläge liegen auf dem Tisch! Nutzen Sie diese Chance!

Pressemitteilung
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
im Stadtrat Dresden
vom 12.06.2008

Grüne fordern erneut Brücken-Baustop zum UNESCO-Titelerhalt

Den heutigen Bescheid des Regierungspräsidiums Dresden, welcher das Bürgerbegehren zum Bau eines Tunnels anstelle des geplanten Verkehrszuges Waldschlößchenbrücke ebenso wie den entsprechenden Stadtratsbeschluss für unzulässig erklärt, kommentiert Fraktionssprecherin Eva Jähnigen:

„Nachdem schon durch die Stadtspitze alles getan wurde, um die Behandlung des Themas im Stadtrat zu verzögern, ist der Bescheid des Regierungspräsidiums ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum endgültigen Titelverlust UNESCO-Welterbe Dresdner Elbtal.

Hier zeigt sich in aller Klarheit das Demokratieverständnis des Freistaates Sachsen. Es darf vermutet werden, dass Einreicher wie ADAC und CDU/FDP niemals auf solche Hürden stoßen würden, wenn ihr Begehren in die politische Linie des Freistaates passen würde.

Wenn sich der Freistaat Sachsen so gegen die Befragung der Dresdner Bevölkerung stellt, ist es Gebot der Stunde, umgehend die erlassenen Bescheide aufzuheben und einen Brückenbaustop zu verhängen. Die Stadt darf im Interesse des Erhaltes des Welterbetitels nicht länger zum Bau der Brücke gezwungen werden. Dresden ist der Welt gegenüber in der Pflicht.“

Jähnigen abschließend: „Der Stadtrat hat den Oberbürgermeister beauftragt, gegen diesen Bescheid des Regierungspräsidiums alle Rechtsmittel auszuschöpfen. Wir erwarten, dass der amtierende Oberbürgermeister Dr. Lutz Vogel diesem Beschluss umgehend nachkommt.“

Hintergrund: Vom 02.07. bis 10.07.2008 tagt das UNESCO-Welterbekomitee in Quebec und wird darüber befinden, ob Dresden weiterhin auf der Roten Liste der bedrohten Welterbestätten verbleibt oder unverzüglich gestrichen wird. Von der UNESCO wird nur ein Elbtunnel als Kompromiss anerkannt.

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