Pressemitteilung

Nach den Skandalen um Ministerpräsident Georg Milbradt hat sich Stanislaw Tillich bereiterklärt, für das Amt des Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen zu kandidieren. Er wird sich auch der Wahl als Parteivorsitzender der Sächsischen Union stellen.

Wir begrüßen, dass Stanislaw Tillich als Sorbe Sinn für die Besonderheiten und Schönheiten Sachsens und der Region mitbringt.

Freiheit und Demokratie bedeuten für Tillich „… eine Kultur des Miteinanders, auch eine politische Kultur des Miteinanders und nicht – wie in letzter Zeit – eine Betonung von Gegensätzen“. Wir kommen Stanislaw Tillich auf diesem Weg entgegen und wünschen ihm viel Erfolg und einen hohen Wirkungsgrad. Auch wir wollen politische Gräben überwinden. Im Streit um das Unesco-Welterbe Dresdner Elbtal ist es höchste Zeit für einen Kompromiss.

Die Bürgerinitiativen für den Erhalt des Unesco-Welterbes Dresdener Elbtal und 50.000 Dresdenerinnen und Dresdener sehen erwartungsvoll auf Stanislaw Tillichs Amtsübernahme. Wir wünschen ihm Kraft, politische Weitsicht und Verständnis, auch für die Meinung politisch anders Denkender.

Ein Zwischenruf von
Eduard Zetera

Einer der Protagonisten der Pro-Brücken-Initiative in der Dresdner Medienlandschaft ist das „Brückenmännchen“, das mit schöner Regelmäßigkeit in jeder Ausgabe des Sächsischen Boten weniger für ein Brückenprojekt wirbt als gegen den Elbtunnel polemisiert.

Es lohnt nicht, sich mit den Darstellungen inhaltlich auseinanderzusetzen – dazu fehlt es der Argumentation an Substanz. Viel interessanter ist es, den Tonfall zu beobachten. Dieser wurde im Laufe der letzten Wochen immer gereizter. Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass auch den Brückenfreunden langsam klar wird, dass sie ihre Position kaum noch mit sachlichen Argumenten hinterfüttern können. Die Luft wird dünner, die Nerven liegen blank.

In einer solchen Lage geschieht es, dass man sich ein wenig in der Wortwahl vergreift. So schließt ein Artikel unter dem Titel „Das neue Brückenmännchen sieht einen Tunnel nicht risikofrei – Große Verantwortung für alle Stadträte“ in der Ausgabe vom 01.04.2008 mit dem Satz: „Wie sich der Stadtrat auch für oder gegen einen neuen Bürgerentscheid positioniert, die Damen und Herren tragen eine Riesenverantwortung und sollten sich nicht nur von Dichtern, Denkern und Künstlern beraten lassen.“ Dieser Satz legt zweierlei offen:

Zuerst einmal ist den Brückenfreunden ganz sicher bewusst, dass die Diskussion um Alternativen zu einem Brückenprojekt am Waldschlößchen vielleicht von „Dichtern, Denkern und Künstlern“ in Gang gesetzt wurde. Gleichwohl wird sie inzwischen ebenso von einer großen Gruppe von Ingenieuren und Wissenschaftlern getragen. Spätestens mit der Fachklausur „Elbtunnel Dresden“ haben namhafte Fachleute alle technischen, finanziellen und baurechtlichen Einwände gegen den Elbtunnel entkräftet. Nun knickt sogar die Ingenieurkammer – bislang Eckpfeiler der technischen Argumentation der Brückenfreunde – ein und bestätigt die Ergebnisse der Fachklausur zum Elbtunnel. Das ist für unsere Brückenfreunde zweifelsohne gefährlich. Also werden Ingenieure und Wissenschaftler gleich gar nicht erst erwähnt.

Darüber hinaus lässt der Schlusssatz von den „Dichtern, Denkern und Künstlern“ aber erkennen, wess’ Geistes Kind so manche Brückenfreunde sind. Offensichtlich gereicht es bei ihnen bereits zu Vorwurf, selbständig denken und reden zu können. Für sie sind Dichter, Denker und Künstler wohl als Hofnarren gut, aus der Politik möchten sie sich aber bitteschön heraushalten. Wenn man bedenkt, dass der Sächsische Bote als kostenloses Anzeigenblatt an alle Dresdner Haushalte verteilt wird, ahnt man, an welche Adressaten sich diese Brückenfreunde in einem solchen Tonfall wenden. Wir erinnern uns: Schon einmal wurden – auch in Dresden! – Intellektuelle mit missliebigen Ansichten systematisch denunziert. Das war im dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Wir erinnern uns mit Grausen.

Arroganz – das ist die Haltung, in der man sich erlaubt, andere gering zu schätzen, weil sie nicht zu den eigenen Kreisen gehören. Oft rechtfertigt sich diese Geringschätzung mit einem Gefühl von Bedrohung. Hochmut und Angst gehen Hand in Hand. Und plötzlich scheint es erlaubt, die gering geschätzten und auch bedrohlich wirkenden Anderen auszusondern.
Angelika Obert
Gedanken zur Woche, Deutschlandfunk, 18.04.2008

Pressemitteilung

Nach umfänglicher und sachkundiger Prüfung der Beschlussvorlage des amtierenden Oberbürgermeisters Dr. Lutz Vogel zum Bürgerbegehren „Welterbe erhalten durch Elbtunnel am Waldschlößchen“ durch unsere Rechtsanwälte sind wir zu der Auffassung gelangt, dass die vorgebrachten Begründungen nicht zutreffend sind. Rechtsanwalt Robert Uhlemann ist, so wörtlich, „von der Substanzlosigkeit der rechtlichen Bedenken überrascht.“

Es ist nicht schlüssig, mit einer deutlich fehlerhaften Kostenschätzung der Stadt die Kostenaufstellung des Bürgerbegehrens widerlegen zu wollen. Den Sachbearbeitern der Beschlussvorlage liegen drei Gutachten vor. Anstatt die Ergebnisse aller Gutachten zu mitteln, hat man sich ausschließlich auf die höchste Kostenschätzung gestützt.

Die Sachbearbeiter gehen von einer unwirtschaftlichen Planungsvariante des Tunnelbaus aus und unterstellen Abbrüche, die selbst von sachverständigen Ingenieuren inzwischen für unnötig befunden wurden.

Die von den Sachbearbeitern angeführte Fristenreglung ist nicht auf das Bürgerbegehren anwendbar, da es sich nicht um ein „kassatorisches“ Bürgerbegehern handelt.

Aus scheinbar politischen Motiven wird zweierlei Maß an Bürgerbegehren angelegt. Es war das von Anfang an auch öffentlich erklärte Ziel des Regierungspräsidiums, der CDU und einiger Protagonisten der Stadtverwaltung Dresden, das neue Bürgerbegehren als unrechtmäßig zu disqualifizieren. Es wurde und wird alles getan um zu verhindern, dass die Bürgerinnen und Bürger noch einmal über den Erhalt des Welterbestatus Dresdens abstimmen können.

Eine Umfrage von Prof. Wolfgang Donsbach der TU Dresden hat ergeben, dass eine Mehrheit der Dresdnerinnen und Dresdner sich einen solchen Bürgerentscheid wünscht.

Mit der Beschlussvorlage stellen sich CDU-nahe Kreise

  • gegen die Dresdner Bürgerschaft,
  • gegen die Grundregeln der Demokratie,
  • gegen die Interessen des Bundes und der Länder,
  • gegen die universellen Ziele der UNESCO und damit
  • gegen alle anderen Welterbestätten als herausragende Zeugnisse der Geschichte der Menschheit und der Natur.

Derartige politische Winkelzüge sind unverantwortlich und markieren den Niedergang der politischen Kultur unserer Stadt und unseres Landes. Wenn Parteipolitiker der CDU davon sprechen, dass sie für die Brücke und gleichzeitig für den Erhalt des Welterbes sind, ist das paradox. Soll damit versucht werden, im Zuge des Wahlkampfes Menschen zu manipulieren?

Ein großer Teil der Dresdener Bürgerschaft fühlt sich den universellen Werten und dem Schutzgedanken des Welterbes der UNESCO verpflichtet. Dresden hat selbst um Aufnahme in diese Konvention gebeten und die daran geknüpften Bedingungen freiwillig akzeptiert. Die Dresdner Bürgerinnen und Bürger werden dafür sorgen, dass diese unglaubliche Politik der Arroganz und Ignoranz beendet wird. Sie führen nun gezwungenermaßen einen Wahlkampf gegen alle Welterbezerstörer.

Frau Orosz hat Angst

Die OB-Kandidatin der CDU, Helma Orosz, weicht Gesprächen zum Thema Welterbe aus:

Sie war von den Welterbe-Initiativen wiederholt zu Veranstaltungen eingeladen worden. Sie sollte Gelegenheit erhalten, ihre Vorstellungen zum Erhalt des Welterbes Dresdner Elbtal öffentlich darzulegen. Die erste Einladung erhielt Sie zur Welterbe-Kundgebung am 31.03.2008, zu der alle anderen OB-Kandidaten (Eva Jähnigen, Dr. Peter Lames, Dr. Klaus Sühl) so wie sie eingeladen und auch gekommen waren. Diese Einladung hatte sie ignoriert, um im Nachgang zu behaupten, sie sei nicht eingeladen worden. Die Welterbe-Initiativen hatten ihr daraufhin mehrere Termine angeboten, später sogar vorgeschlagen, dass sie einen Termin ihrer Wahl benennen könne. Absagen waren stets die Reaktion, wie die Korrespondenz zeigt:

Frau Orosz ignoriert damit mindestens 50.000 potentielle Wähler. So viele Dresdnerinnen und Dresdner haben das Bürgerbegehren für den Tunnelkompromiss mittlerweile unterschrieben. Mindestens so viele Dresdnerinnen und Dresdner identifizieren sich mit den Bemühungen um den Erhalt des Welterbes Dresdner Elbtal und möchten gern erfahren, wie dies nach ihren Vorstellungen erreicht werden soll.

Frau Orosz nennt das Welterbe eine „Herzensangelegenheit“, beharrt aber auf einem Weiterbau der Brücke, obwohl die UNESCO unmissverständlich als einzig möglichen Kompromiss eine unterirdische Elbquerung genannt hat. Der Elbtunnel ist nach Aussage internationaler Fachleute technisch machbar – was die Dresdner CDU mit höchst zweifelhaften Argumenten immer wieder bestritten hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel befürchtet für Deutschland „einen erheblichen internationalen Ansehensverlust“, wenn durch den Brückenbau der Welterbetitel verlustig geht.

Die angekündigte Rückforderung von 96 Millionen Euro Fördermitteln durch die Bundesregierung und die Mehrkosten von 20 Millionen Euro durch radikal erhöhte Stahlpreise werden das Projekt Waldschlößchenbrücke für Dresden zu einen finanziellen Desaster machen. Auch hierzu wäre es interessant, die Argumente von Frau Orosz zu hören.

Frau Orosz hat offenbar Angst vor einer offenen Auseinandersetzung. Die OB-Kandidatin der CDU ist konfliktscheu. Sie weiß, dass die Argumente für den Elbtunnel überzeugend und belastbar sind. Eine sachbezogene Rechtfertigung ihrer Position zum Weiterbau der Brücke ist ihr nicht mehr möglich. Sie nutzt fadenscheinige Ausreden, um unter ihresgleichen zu bleiben. Sie bevorzugt Propaganda in ihrem Wahlkampf.

Lebendiger, sachlicher, bürgerzugewandter Wahlkampf sieht anders aus.

Aktionen

Das Netzwerk Welterbestadt Dresden ruft auf zu seiner Initiative: Farbe bekennen! Lesen Sie weiter

Online-Abstimmung

Für all jene, die selber denken wollen, bietet die Diskussion um den Elbtunnel in Dresden und den Erhalt des Welterbes Dresdner Elbtal immer wieder neue Herausforderungen. Die jüngste darunter verdanken wir der SZ. Sie lautet:

Gemeinsam mit den ersten 42.000 Unterschriften wurden dem amtierenden Oberbürgermeister Lutz Vogel stellvertretend für alle Stadträte am 11.03.2008 weiße Fußbälle mit dem UNESCO-Logo übergeben. Damit wollten die Initiatoren und Unterstützer des Bürgerbegehrens sagen: „Der Ball ist beim Stadtrat!“

Nach der Pressemitteilung der Landeshauptstadt am 07.04.2008 zur Beschlussvorlage der Verwaltung für den Stadtrat gilt mehr als je zuvor: Der Ball ist beim Stadtrat! Warum?

In der Beschlussvorlage von Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel wird „dem Stadtrat vorschlagen, das Bürgerbegehren für unzulässig zu erklären.“ Was bedeutet das für den Stadtrat?

  • Der Stadtrat kann dieser Empfehlung folgen, er muss es aber keineswegs. Es handelt sich zunächst nur um eine Beschlussvorlage der Verwaltung, welche deren Rechtsauffassung wiedergibt. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens hatten im Vorfeld die Fragestellung einer sehr gründlichen Prüfung unterzogen und sind nach wie vor der Auffassung, dass sie zulässig ist.
  • Der Stadtrat kann seit dem Ende der Bindungsfrist des alten Bürgerentscheids selbst mit einfacher Mehrheit einen Bürgerentscheid zum Welterbe-Erhalt und zum Bau des Elbtunnels veranlassen. Eine Umfrage von Prof. Donsbach hat jüngst ergeben, dass eine Mehrheit der Dresdnerinnen und Dresdner sich einen solchen Bürgerentscheid wünscht. Das ist vor allem insofern interessant, als dass Prof. Donsbach bislang nicht im Ruf steht, dem Elbtunnel das Wort zu reden.
  • Der Stadtrat kann und konnte jederzeit Maßnahmen ergreifen, die eine Zerstörung des Welterbes Dresdner Elbtal verhindern. Derzeit ist z.B. ein modifizierter Bauablauf angezeigt und möglich. Dabei werden alle Arbeiten an Brückenteilen eingestellt, während die Arbeiten an den Zufahrten fortgeführt werden können. Nach der UNESCO-Welterbekonvention ist der Stadtrat dazu sogar verpflichtet, woran er zuletzt noch einmal in einem Schreiben von Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnert worden ist.

In der Vergangenheit ist immer wieder der Eindruck erweckt worden, dem Stadtrat seien (juristisch) die Hände gebunden und zum Bau der Waldschlößchenbrücke gäbe es keine Alternative. Daraus ist die Hoffnung erwachsen, dass durch einen Bürgerentscheid diese unsägliche Entwicklung gewissermaßen in letzter Minute gestoppt werden kann. Das ist keinesfalls so.

Welche Funktion kommt dann dem von Dresdner Bürgerinnen und Bürgern initiierten Bürgerbegehren und der Diskussion zu, die um den Elbtunnel geführt wird?

Die Landeshauptstadt und der Freistaat sind in den vergangenen Jahren ihren Verpflichtungen, die sich aus dem Welterbestatus des Dresdner Elbtals ergeben, die sich aus internationalen Verträgen ableiten und die sie mit der Beantragung des UNESCO-Welterbe-Titels selbst anerkannt haben, nicht oder bestenfalls widerwillig nachgekommen. Im Unterschied dazu war es die Bürgerschaft, die wichtige Aufgaben übernommen hat:

  • Die Dresdner Bürgerschaft war es, die den Wert des Welterbes ins Bewusstsein gerückt hat. Sie ist es, die sich mit einer „irreversiblen Schädigung“ ihrer Stadtlandschaft nicht abfinden will. Bürgerinitiativen sind es, die den Dresdnern erklären, welch außerordentliches Glück es bedeutet, in einer Umgebung zu leben, die zum Welterbe der Menschheit gerechnet wird – und welche Verpflichtungen dies mit sich bringt. Im Unterschied dazu lassen Landeshauptstadt und Freistaat nichts unversucht, den UNESCO-Welterbe-Titel als irrelevant und nicht bindend darzustellen. Es gibt sogar namhafte Kommunalpolitiker, die versuchen, sich mithilfe von Diffamierungen der UNESCO zu profilieren.
  • Die Dresdner Bürgerschaft war es, die den Nachweis erbracht hat, dass es mit dem Elbtunnel eine praktikable Alternative gibt. Diese bringt den Wunsch der Dresdner nach einer Elbquerung am Waldschlößchen mit der Verpflichtung zum Erhalt des Welterbes Dresdner Elbtal in Einklang. Im Unterschied dazu haben Landeshauptstadt und Freistaat lange ihre Verpflichtung zur Suche nach Alternativen bestritten. Ihr Versuch, einen Kompromiss zu finden, war nie aufrichtig: Der Burger-Gruppe wurden derart enge Vorgaben gemacht, dass ihr kein Gestaltungsspielraum verblieb und namhafte Mitglieder unter Protest ihre Zusammenarbeit aufkündigten. Sie erarbeitete mit der „Burger-Brücke“ schließlich einen „Kompromiss-Vorschlag“, der offensichtlich vollkommen inakzeptabel war und als solcher auch eingestuft wurde.

Die Politiker von Freistaat und Landeshauptstadt – namentlich Ministerpräsident Georg Milbradt, Regierungspräsident Siegfried Henry Hasenpflug und Oberbürgermeister Lutz Vogel – stehen heute vor dem Ergebnis ihres Handelns in den vergangenen Jahren: vor einem Scherbenhaufen.

  • Sie treiben eine „irreversible Schädigung der besonderen Qualitäten des Elbtals“ (Gutachten der UNESCO) mit aller Macht voran.
  • Sie unternehmen alles, um „das Ansehen Deutschlands und das Verhältnis Deutschlands zur UNESCO erheblich beeinträchtigen.“ (Brief der Bundeskanzlerin Angela Merkel)
  • Sie richten erheblichen wirtschaftlichen Schaden an.

Dieser wirtschaftliche Schaden ergibt sich aus dem massiven Imageverlust, den Dresden bereits jetzt erleidet. Er ergibt sich aber vor allem aus Rückforderungen von Fördermitteln durch den Bund. Es verbreitet sich zunehmend die Auffassung, dass der Bund Fördergelder, wenn durch ihren Einsatz der Welterbe-Status des Dresdner Elbtals verloren geht, nicht nur zurückfordern kann, sondern sogar zurückfordern muss. Die Rede ist von 80 Millionen Euro – 50 Prozent der Bausumme.

Die Kommunal- und Landespolitik war über Jahre nicht in der Lage, einen vernünftigen Ausweg aus dem Konfliktfeld zu finden. Die Dresdner Bürgerschaft hat mit dem Elbtunnel diesen Ausweg aufgezeigt. Die Landes- und Kommunalpolitik muss ihn nun gehen.

Und das heißt noch einmal: Der Ball ist beim Stadtrat!

Die Künstlerin Many Jost
hat ein Kulturerbe Dresdens
vor der Zerstörung bewahrt.

Ein Essay von
Viola Zetsche

Dass die Semperoper nach Kriegsende abgerissen werden sollte, ist bekannt. Wer sie vor dem Abbruch bewahrte und wie dieser Ort der Weltkultur und damit Dresdens Gesicht und seine Identität gerettet werden konnte, wurde erst jetzt bekannt. Knarrende Tonaufnahmen aus dem Archiv der Malerin Many Jost aus Meißen erzählen bewegt und bewegend eine historisch bedeutende Geschichte.

Etwa 1.300 Besucher steigen täglich die Sandsteinstufen zum prächtigen Eingangsportal der Semperoper über dem die bronzene Pantherquadriga von Johannes Schilling zu schweben scheint. Man nimmt Maß. Vielsprachig sind die Kommentare der Staunenden, Japanisch, Englisch, Russisch und Deutsch natürlich.

„Sieht aus wie das Wiener Burgtheater“, sagt eine Österreicherin und ihr weißer Seidenschal weht wie eine Friedensfahne im Wind. Kein Wunder, denn beide Häuser wurden nach den Plänen des Architekten Gottfried Semper erbaut. Als erstes Königliches Hoftheater wurde der Bau als eines der schönsten europäischen Theater berühmt. Heute prägt er nach Wiederaufbau und Rekonstruktionen als Semperoper das Stadtbild der Weltkulturstadt Dresden entscheidend mit.

Many Jost kannte die sechs Skulpturen an der Fassade: die Dichterfürsten Schiller und Goethe am Eingang, Shakespeare und Sophokles auf der linken und auf der rechten Seite Molière und Euripides, noch aus ihrer Studienzeit vor der Zerstörung in der Bombennacht am 13. Februar 1945.

Many Jost wurde am 8. September 1897 in Kaweczyn bei Warschau geboren. 1910 kam sie mit ihrer Familie nach Meißen. Sie studierte Kunstgeschichte an der Universität in Bonn und Graphik, Malerei und Kunsthandwerk an der Kunstgewerbeakademie in Dresden. Mit ihrer Selbstverwirklichung als gebildete Frau und Künstlerin vollzog sie auch ihre Profilierung als katholische Christin.

Nach 1945 verband Many Jost christlich-soziales Denken mit politischem Engagement. Sie war Mitbegründerin der CDU in Meißen. Als Stadtverordnete und Abgeordnete im Landtag Sachsen setzte sie zwischen 1946 und 1950 wesentliche Akzente bei der Erhaltung und dem Wiederaufbau Dresdens. Den entscheidenden, als der Bauausschuss wegen des geplanten Abbruchs der Semperoper zusammentrat.

Das Tonband knackt und die sympathische Stimme von Many Jost erzählt, was sich im Bauausschuss seinerzeit zugetragen hat: „Heute haben wir was ganz wichtiges abzustimmen. Die Semperoper muss weg, die muss abgerissen werden. Ein Architekt … will einen Kulturpalast bauen, der den ganzen Theaterplatz einnehmen soll. Der Zwinger muss weg und die Hofkirche auch und die Semperoper.“ Das sagte der Vertreter der SED Walter Weidauer, der von 1946 bis 1958 Oberbürgermeister der Stadt Dresden war.

Der holländische Architekt Mart Stam soll in der Sowjetunion Kulturpaläste aus Stahl, Beton und Glas gebaut haben. Gleiches, erzählt Many Jost, wollte er auch in Dresden tun.

Sie hat sich zu Wort gemeldet und beantragt Sachverständige einzubeziehen. Die Oper wäre baufällig, war die Antwort. Many Jost ließ nicht locker: „Soviel ich weiß, steht am Zwinger angeschrieben: Kulturerbe, auf Russisch. Und, an der Hofkirche steht angeschrieben: Nichts entnehmen, Kulturerbe, auch auf Russisch. Das müsste Ihnen doch eigentlich zu denken geben Herr Oberbürgermeister.“

Als Many Jost noch in der Mittagspause mit Professor Beyer von der Technischen Universität Dresden sprach, antwortete er: „Das ist doch Irrsinn! Ist doch nur ausgebrannt, außer dem Bühnenhaus ist alles noch intakt.“

Nach der Mittagspause hat Many Jost einen SED-Mann, angesprochen: „Herr Heiden, sie sind doch ein vernünftiger Mann – wir können doch nicht die Semperoper abreißen! Stimmen Sie heute Nachmittag mit uns.“

Ein historischer Moment für Dresden und, ein entscheidender. „Ich verstehe doch nichts von Kunst und Kultur. Wenn es eine Diskussion gibt, sagen Sie mir wann ich mit ihnen stimmen muss“, antwortete er. Many Jost hat ihm im entscheidenden Moment den vereinbarten leichten Tritt gegeben und der Mann der SED hob seine Hand mit denen der CDU, die damals für die Erhaltung des Kulturerbes Semperoper stimmten.

Niemand möchte sich den Theaterplatz heute mit einem protzmodernen Kulturpalast vorstellen und gewiss würde er wie der Palast der Republik inzwischen schrittweise abgerissen.

Zwinger und Hofkirche haben die Russen erhalten. Die SED bekam die Auflage, beide mit Hilfe des Landesamts für Denkmalpflege wiederaufzubauen. Walter Bachmann richtete dafür die Zwingerbauhütte ein. Er und sein Nachfolger Hans Nadler haben um jede Ruine in Dresden gekämpft.

Many Jost hat sich mit Umsicht und Klugheit mutig gegen drohenden Irrsinn gestellt. Bei einer späteren Abstimmung hat sie als „Gegenleistung“ mit der SED gestimmt. Nach einer feurigen Rede gegen die Vorgehensweise der Sowjets in Dresden bekam sie 1960 schließlich Redeverbot.

Am 13.02.1985 wurde nach weitgehend originalgetreuer Rekonstruktion mit der Aufführung von Webers „Freischütz“ die dritte Semperoper in ihrer heutigen Form eröffnet. Busladung nach Busladung wälzen sich tagsüber die Besucher, laut Spiegel online jährlich 300.000, durch den geschichtsträchtigen Semperoperbau. Schön für die Gäste aus aller Welt und ein Glück für uns Dresdner, dass die Semperoper nicht ausradiert worden ist.

Die Parallelen zum Irrsinn auf den Waldschlösschenwiesen heute sind augenscheinlich … Manchmal ist es nur eine Stimme die laut werden muss, eine Hand die sich heben muss um das Gesicht einer Stadt zu bewahren und damit Geschichte zu schreiben.

Am 31.03.2008 findet wieder die traditionelle Montags-Demo statt. Treffpunkt ist 18:30 Uhr am Goldenen Reiter.

Die Welterbe-Kundgebung ist um 19:00 Uhr an der Frauenkirche geplant. Die Kandidaten für das Amt des Dresdner Oberbürgermeisters wurden zu dieser Kundgebung eingeladen, um zu den Dresdnern über ihre Strategie zum Erhalt des Dresdner UNESCO-Welterbes zu sprechen. Zugesagt haben:

  • Eva Jähnigen
    OB-Kandidatin, Bündnis 90 / Die Grünen
  • Dr. Peter Lames
    OB-Kandidat, SPD
  • Dr. Klaus Sühl
    OB-Kandidat, Die Linke

Eingeladen ist auch Frau Orosz von der CDU. Von ihr liegt bislang keine Zusage vor.

Der Demonstrationszug steht unter dem Motto „Aufeinander zugehen, miteinander reden – Der Elbtunnel verbindet Dresden“. All jenen, bei denen angesichts der unerfreulichen Tatsachen, welche mittelerweile in den Elbwiesen geschaffen werden, Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Protests aufkeimt, sei gesagt:

Hoffnung ist nicht die Überzeugung,
dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit,
dass etwas Sinn hat,
egal wie es ausgeht.
Václav Havel

Wer auf die Demonstration aufmerksam machen möchte, kann dazu das Plakat gern selbst ausdrucken und aufhängen.

Nachtrag

Lesen Sie den Text der Rede von Jana Knauth!

Sehen sie den Auftritt von Ulla Schmidt!
Medium:

Sehen Sie die OB-Kandidaten:

Link: sevenload.com

Peter Lames:

Link: sevenload.com

Eva Jähnigen:

Link: sevenload.com

Friedrich Bolz und nochmal Eva Jähnigen:

Link: sevenload.com

Klaus Sühl:

Link: sevenload.com

Brief an Helma Orosz:

Link: sevenload.com

Kundgebung am 10. April

Anlässlich der Stadtratssitzung am Donnerstag, dem 10.04.2008, wird die tägliche Protestkundgebung am Rathaus auf die Zeit von 15:30 Uhr bis mindestens 18:00 Uhr ausgedehnt. Bereits 15:30 Uhr wird Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel seine Beschlussvorlage für den Stadtrat auf der Kundgebung vor dem Rathaus erläutern. Um 16:00 Uhr beginnt die Stadtratssitzung. Ab 17:00 Uhr werden Filme über die Auseinandersetzungen um die Rotbuche im Januar 2008 und zur gegenwärtigen Diskussion im Stadtrat gezeigt.

Der Stadtrat ist gefordert, die Blockadehaltung der Stadtverwaltung (hier vor allem durch Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel und Baubürgermeister Herbert Feßenmayr) aufzulösen und Beschlüsse für den Erhalt des Welterbes Dresdner Elbtal zu fassen. Vordringlich ist ein Beschluss zum modifizierten Bauablauf am Waldschlößchen, der alle Bauarbeiten für Brückenteile aussetzt und Bauarbeiten, die auch einer Tunnellösung dienen, weiterhin zulässt. Gleichzeitig muss der Weg für einen Bürgerentscheid zum Elbtunnel freigemacht werden.

Der Ball ist beim Stadtrat! Die Bürgerschaft ist aufgefordert, den Stadtrat an seine Pflicht zu erinnern, das Ansehen Dresdens zu bewahren und Schaden von der Stadt abzuwenden. Lange genug hat er versucht, mit vorgeblichen (juristischen) Zwängen die eigene Untätigkeit zu rechtfertigen. Diese Argumente waren nie überzeugend. Die Dresdner Bürgerschaft muss ihren Stadträten klar machen, dass sie sich vielleicht heute noch aus der Verantwortung stehlen können – dass aber schon in naher Zukunft allein ihnen die Verantwortung für eine „irreversible Schädigung der besonderen Qualitäten des Elbtals“ (Gutachten der UNESCO), für eine „erhebliche Beeinträchtigung des Ansehens Deutschlands“ (Brief der Bundeskanzlerin Angela Merkel) und für einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden für die Stadt zugeschrieben werden wird.

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