Offener Brief

Sehr geehrte Stadträte,

als Bürger Dresdens, der von Ihnen vertreten wird, bitte ich Sie, folgende Gedanken zu würdigen:

Ich hoffe, Sie werden in den nächsten Stadtratssitzungen, die sich mit dem Erhalt des Welterbetitels beschäftigen, sorgsam abwägen. Ich hoffe auch, dass Sie Ihrer großen Verantwortung für Dresden wirklich gerecht werden. Ich bitte Sie, stets zu bedenken, dass es bei den notwendigen Entscheidungen um mehr als ein Stück Elbwiese geht. Bitte denken Sie an die nächsten Jahrzehnte. Dafür können Sie jetzt noch die richtigen Entscheidungen treffen.

Bitte stimmen Sie für den Erhalt des Welterbetitels!

Ich will mir nicht vorstellen, später Ihre Namen als Ursache für die Aberkennung des Welterbetitels lesen zu müssen. Man kann auch positiv in die Geschichte Dresdens eingehen. Das sollte unser aller Ziel sein. Dresden hat es nicht verdient, wieder nur 2. Liga zu spielen. Eine Kulturstadt, die freiwillig zu Gunsten einer Straßenbrücke den UNESCO-Welterbetitel aberkennen lässt, will ich mir nicht vorstellen.

Sie haben jetzt die volle Verantwortung. Werden Sie dieser gerecht!

In guter Hoffnung für Dresden,

Torsten Abel

Die Stimmung kippt!

Eine Einschätzung von
Eduard Zetera

Der Verein „Bürgerbegehren Tunnelalternative am Waldschlößchen e.V.“ versucht, mithilfe eines Bürgerentscheids dafür zu sorgen, dass die Elbquerung am Waldschlößchen als Elbtunnel realisiert wird. Er tut das gegen den massiven Widerstand

  • der Landeshauptstadt Dresden – man denke z.B. an das Amtsblatt und verschiedenste Pressemitteilungen,
  • des Regierungspräsidiums Dresden – man denke an die Verlautbarungen des Regierungspräsidenten Siegfried Henry Hasenpflug, wie auch
  • der Sächsischen Staatskanzlei und des (noch amtierenden) Ministerpräsidenten Georg Milbradt – man erinnere sich nur an die unsägliche Äußerung: „Der Welterbetitel ist verzichtbar.“

Alle diese Institutionen verfügen über eine hervorragende Infrastruktur, über Personal, das in der Öffentlichkeitsarbeit versiert ist – und über Geld. Im Unterschied dazu engagieren sich im Verein „Bürgerbegehren Tunnelalternative am Waldschlößchen e.V.“ Dresdnerinnen und Dresdner, die das Welterbe Dresdner Elbtal vor der Zerstörung bewahren und den guten Ruf ihrer Heimatstadt erhalten wollen. Sie tun das freiwillig, nach ihrer Arbeit und am Wochenende. Der Verein finanziert sich ausschließlich aus Spenden.

Um so erstaunlicher ist es, dass es dem Verein scheinbar gelingt, einen Stimmungsumschwung in der Stadt herbeizuführen. Dies ergibt sich aus einem Vergleich des laufenden Bürgerbegehrens mit dem Bürgerentscheid von 2005: Seinerzeit wurden 81.650 Unterschriften gesammelt, 59.359 davon waren gültig, was einer Quote von 73% gültigen Unterschriften entspricht. Von den am 11.03.2008 übergebenen 42.299 Unterschriften des Bürgerbegehrens „Welterbe erhalten durch Elbtunnel am Waldschlößchen“ waren 35.305 Unterschriften gültig, was einer merklich höheren Quote von 83% entspricht. Am 21.04.2008 wurden der stellvertretenden Wahlleiterin und Leiterin des Einwohner- und Standesamtes der Landeshauptstadt Dresden 13.743 weitere Unterschriften übergeben. Geht man von einer unveränderten Quote von 83% gültigen Stimmen aus, ergibt sich damit eine Zahl von (42.299 + 13.743) × 83% = 46.776 gültigen Unterschriften für das aktuelle Bürgerbegehren.

Wenn sich im Jahr 2005 aus 59.359 gültigen Unterschriften im Bürgerbegehren ein Anteil von 68% Ja-Stimmen im Bürgerentscheid ergab, könnte man nach dem Dreisatz erwarten, dass aus 46.776 gültigen Unterschriften zum Bürgerbegehren „Welterbe erhalten durch Elbtunnel am Waldschlößchen“ zumindest eine kleine Mehrheit (über 50%) an Ja-Stimmen im Bürgerentscheid zur Elbtunnel-Alternative „erwächst“.

Diese Schätzung ist gar nicht zu optimistisch: Man muss bedenken, dass die Unterstützer des Bürgerbegehrens ihre Unterschrift gegen die offiziell verkündete Meinung von Landeshauptstadt und Freistaat leisten. Sie stellen sich damit gegen einen erheblichen Meinungsdruck. Genau dieser Druck entfällt bei einer freien und geheimen Wahl aber in der Wahlkabine. Dann wird es vielen leichter fallen, mit dem Elbtunnel die Alternative zu wählen, die vernünftig ist.

Hinzu kommt, dass spätestens nach der Fachklausur „Elbtunnel Dresden“ die Substanzlosigkeit der Einwendungen gegen den Elbtunnel bewiesen ist. Darüber hinaus gibt es zumindest seit der fragwürdigen Paris-Visite von Vertretern der Landeshauptstadt und des Freistaats ernst zu nehmende Zweifel an der Aufrichtigkeit der Verfechter des Brückenprojekts.

Noch eine weitere Zahl ist interessant in diesem Zusammenhang: Im Politikbetrieb gibt es für Abstimmungen und Wahlen den Richtwert, dass man pro Stimme etwa 1 Euro Kosten für Wahlwerbung aufwenden muss. Setzt man das Spendenaufkommen des Vereins „Bürgerbegehren Tunnelalternative am Waldschlößchen e.V.“ ins Verhältnis zur Zahl der gesammelten Unterschriften für das Bürgerbegehren, kommt man auf eine Quote von etwa 50 Cent je Unterschrift. Das bedeutet schon einmal, dass das Geld der Spender hier wirklich gut angelegt ist. Auch an dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank! Das heißt aber auch, dass es in der Dresdner Bevölkerung ein erhebliches Zustimmungspotential gibt, das langsam gehoben wird.

Diese Fakten erklären vielleicht, warum die Gegner des Elbtunnels in der Auseinandersetzung um das Bürgerbegehren in einen zunehmend gereizten Ton verfallen und mittlerweile nicht einmal vor verfahrenstechnischen Tricks zurückschrecken, um das Bürgerbegehren hinauszuzögern. Man darf gespannt sein, ob sich der Stadtrat in diesem fragwürdigen Spiel weiter instrumentalisieren lassen wird.

Im Streit um die Waldschlößchenbrücke hat Bundesjustizministerin Brigitte Zypries eindringlich vor dem Verlust des Welterbetitels gewarnt, berichtet die SZ am 19.04.2008: „Der Erhalt des Welterbestatus liegt wegen des universellen Wertes des Dresdner Elbtals im nationalen Interesse“, schrieb sie in einem Brief an ihren sächsischen Amtskollegen Geert Mackenroth.

Nachdem die UNESCO nunmehr jede Brückenlösung ablehne, müsse die Tunnelalternative vom Freistaat und von Dresden sorgfältig geprüft werden. Sie erinnert an die Zusage von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee: Er wolle kein Geld für die Brücke geben, wohl aber könne der Bund einen „namhaften Anteil“ der Elbtunnel-Mehrkosten tragen.

Am 18.04.2008 um 15:30 Uhr informiert dpa über zwei aktuelle Stellungnahmen zum „Dresdner Brücken-Streit“:

  • Der Präsident des Internationalen Denkmalrats ICOMOS, Michael Petzet, sagte in Berlin bei der Vorstellung des Jahresberichts über bedrohte Denkmäler: „Ich kann nur raten, den Bau sofort zu stoppen.“ Er fährt fort: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Brücke, aber der Bau an dieser Stelle zerstört die Kulturlandschaft Elbtal.“ Obwohl ein Tunnel technisch machbar sei, werde „auf Teufel komm raus“ die Brücke gebaut. Er kritisiert die „unglaublich sture Haltung“ der sächsischen Landesregierung. Sächsische Politiker täten bei Besuchen der UNESCO-Zentrale in Paris immer wieder so, „als ob man in der Frage weiterkommt“. Im Juli wollten die Denkmalpfleger der UN-Kulturorganisation UNESCO empfehlen, Dresden von der Welterbe-Liste zu streichen.
  • Dresdner Architekten haben zum Erhalt des vom Bau der Waldschlößchenbrücke bedrohten UNESCO-Welterbes Dresdner Elbtal aufgerufen. „Der Countdown läuft“, heißt es in einem Appell, den insgesamt 133 Fachleute unterzeichnet haben. „Der Welterbetitel muss erhalten werden, ohne Wenn und Aber“, heißt es in dem Papier. Die Unterzeichner fordern die Entscheidungsträger in Stadt, Wirtschaft, Freistaat und Bundesregierung auf, Farbe zu bekennen und dementsprechend zu handeln. „Im Gegensatz zu anderen Stätten, Städten und Staaten ist vielen in Sachsen nicht bewusst, welche Ehrung einerseits, welche Verantwortung andererseits mit dem Prädikat Welterbestätte verbunden ist.“

Dies ist zuallererst eine wichtige Information, weil hiermit insbesondere die Landeshauptstadt Dresden und der Freistaat Sachsen erneut, mit Nachdruck und aus berufenem Munde an ihre Verantwortung erinnert und zur Vernunft gerufen werden.

Darüber hinaus macht aber die Breite, in der diese Meldung von der Presse aufgegriffen und wiedergegeben wird, deutlich, dass der Dresdner Stadtrat am 22.04.2008 in seiner Sondersitzung zum Bürgerbegehren Entscheidungen zu fällen hat, die weit über Dresden hinaus sehr aufmerksam verfolgt werden. Offensichtlich ist andernorts die Sensibilität in Fragen des Erhalts des Welterbes ausgeprägter als in Dresden. Ein kleiner Auszug aus der Liste der Medien, die die eingangs erwähnte dpa-Meldung übernommen haben, macht das deutlich:

Von Rolf Donnerhack

August der Starke verfolgte die Idee, die Elbe zu einem „Canale Grande“ inmitten von Stadt und Landschaft werden zu lassen. Diese Tradition barocker Hofkultur zwischen Schloss Pillnitz im Osten und Schloss Übigau im Westen ist über die Generationen hinweg gepflegt und fortentwickelt worden.

Die Wortschöpfung von der Unesco-Diktatur im Dresdner Elbtal stellt sich damit selbst ad absurdum. Diktatur allerdings kann man aufgreifen. Wer diktiert wem hier was und vor allem warum?

Die Vorgänge stimmen nachdenklich. Ist es für die am Brückenbau beteiligten Firmen so schwierig gewesen den Zuschlag zu bekommen? Komisch, dass immer die gleichen großen Fische die großen Happen schlucken, sprich die großen Aufträge bekommen. Obwohl doch europaweit ausgeschrieben wird. Welchen Grund mag es wohl haben, dass man auf Teufel komm raus Beton in den naturgeschützten, heiligen Boden der Waldschlößchenwiesen pumpt? Man munkelt, Herr Milbradt soll an der Eurovia Beton und Verkehrstechnik GmbH beteiligt sein (Amtsgericht: 14482 Potsdam, HRB13645, Handelsregister-Neueintragung 16.6.2000, 45 Einträge zu Niederlassungen und Zweigniederlassungen – Whouw!).

Herrscht hier in Dresden die Diktatur des Geldes, das wenige verdienen möchten? Würde den Menschen ein Licht aufgehen, wenn sich das bestätigen ließe? Vermutlich nicht. Wie schlimm muss man es treiben mit den guten Dresdnern, bis sie merken, dass sie Gefahr laufen einer gut geschmierten Propagandamaschine auf dem Leim zu gehen. Obwohl selbst am Bau beteiligte Firmen langsam die Katze aus dem Sack lassen: Der Bauablauf wird von der Weltweiten Stahlkrise gebremst. Kein Stahl für die Waldschlößchenbrücke im Jahr 2008. Das bestätigen unterrichtete Kreise um die Firma Stahl- und Brückenbau Niesky GmbH, die den Zuschlag für den Stahlbau erhalten hat. Warum also die Hektik?

Werden in Dresden wie schon früher in der Geschichte Deutschlands Menschen mit Falschmeldungen manipuliert und instrumentalisiert? Wo August der Starke die Idee verfolgte, die Elbe zu einem „Canale Grande“ inmitten von Stadt und Landschaft werden zu lassen, wollen einige Kur-Fürsten von heute die Elbe ausbauen und sich an diesem Original der Schöpfung vergehen. Danach verschwinden sie mit vollen Taschen auf irgendeine saubere, friedliche und stille Insel, die sie von unseren Steuergeldern bezahlen.

Wenn die Elbwiesen verspielt sind und die Beutel der Herren gefüllt – was werdet Ihr dann gewonnen haben? Warum – liebe Dresdner, wollt Ihr das zulassen?

Die Bundesregierung will einen Tunnelbau finanziell unterstützen. Keine Umweltverschmutzung, keine Verschandelung der Landschaft, Frieden im Land und: daran verdienen alle noch ein zweites Mal. Ein Tunnel wäre die Taube in der Hand! Jetzt zugreifen – bevor es zu spät ist!

In einem umfangreichen Rechtsgutachten der Kanzlei STURM Rechtsanwälte wurde die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „Welterbe erhalten durch Elbtunnel am Waldschlößchen“ bestätigt. Dieses Gutachten wurde der Stadtverwaltung sowie den Fraktionen des Stadtrates am heutigen Sonntag vorgelegt.

Rechtsanwalt Robert Uhlemann sagte hierzu: „Das Rechtsgutachten offenbart die Fehlerhaftigkeit der städtischen Kostenschätzung (Mehrkosten für den Tunnelbau) und korrigiert diese um über 30 Mio. Euro nach unten. Die Stadtverwaltung hat beispielsweise bei ihrer Schätzung lediglich eine von drei gutachterlichen Stellungnahmen herangezogen (die mit dem höchsten Kostenwert) anstatt die Gutachtenergebnisse zu mitteln. Weiterhin wurden von den aktuellen Kosten für den Tunnelbau Kosten für den Brückenabschnitt abgezogen, die im Jahr 2003 ermittelt wurden. Dabei blieb unberücksichtigt, dass sich der Stahlpreis von 2003 bis 2008 bereits verzweieinhalbfacht hat. Aufgrund der mit den beauftragten Bauunternehmen vereinbarten Stoffpreisgleitklausel wird dieser Preisanstieg der Landeshauptstadt in Rechnung gestellt.

Daneben basierte die städtische Kostenschätzung auf der Notwendigkeit, für den Tunnelbau auf der Neustädter Elbseite Grundstücke Privater in Anspruch zu nehmen und dort stehende Villen abzureißen. Mittlerweile musste die Stadtverwaltung jedoch einsehen, dass diese Notwendigkeit nicht besteht. Letztlich wurden die Planungskosten zu hoch angesetzt.“

Prof. Dr. Ralf Weber, Vertreter des Tunnel-Bürgerbegehrens, sagte: „Wir fordert nun den amtierenden OB Dr. Lutz Vogel auf, seine Beschlussvorlage zum Tunnel-Bürgerentscheid zurückzuziehen.“

Eine Recherche von
Rolf Donnerhack

Nach der Vorstellung der modifizierten Variante für die Waldschlösschenbrücke (der „Burger-Brücke“) in Dresden wird klar, wie undurchdacht der bisherige Entwurf tatsächlich gewesen ist. Wie sonst wäre es möglich, die Betonteile, die so genannten Bogenfußpunkte, gleich um 2/3 zu reduzieren? Die Visualisierungen sind von einer Qualität, die jedes Planungsbüro, das auf sich hält schon vor 10 Jahren niemandem mehr zugemutet hätte. Mit der Modifizierung der Pläne sollte die UNESCO bewegt werden, Dresden den Welterbetitel wegen des Brückenbaus nicht wie angedroht abzuerkennen. Die vorher-nachher-Bilder gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Sie wirken wie ein Suchbild: suchen muss man lange, gravierende Unterschiede findet man nicht.

Ein Ei ist auch der Bauablauf. Die vorgeschlagenen Änderungen seien ohne Probleme in den Bauablaufplan zu integrieren. Der bliebe unverändert. Der Stahlbau beginne demnach im Sommer 2008. Das sagte Herbert Feßenmayr am 28.01.2008 bei der Vorstellung der „Burger-Brücke“. Und: Er wisse nicht, dass es Lieferprobleme der Stahlindustrie gibt. Er wisse nicht, dass sich der Baubeginn für den Stahlbau auf 2009 verschiebt. Das sei ihm nicht bekannt. Baubürgermeister Feßenmayr weiß von nichts.

Später sagt er wörtlich und nicht mehr souverän und selbstsicher wie sonst: „Ich werde Ihnen nicht über die Öffentlichkeit interne Vertragsdinge überhaupt ansprechen.“ Wie bitte, Herr Feßenmayr? Die Zeit wird zeigen, wie es im Sommer 2008 um Ihren ungestörten Bauablauf steht.

Noch immer agiert die Landeshauptstadt Dresden für die Waldschlösschenbrücke mit einem Bauablaufplan, der unhaltbar geworden ist.

Im Sommer 2008 soll demnach der Stahlbau an der Waldschlösschenbrücke beginnen, obwohl der benötigte Stahl dafür nach Informationen aus der Stahlindustrie in diesem Jahr nicht verfügbar sein wird. Die Bücher der Firma Stahl- und Brückenbau Niesky GmbH, die den Zugschlag für den Stahlbau an der Waldschlösschenbrücke erhielt, sind voll. Stahlbaufirmen müssen mit einem festen Kontingent an Stahl haushalten. Stahl und Fertigungstermine sind jetzt knapp. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das ist in diesem Fall Landeshauptstadt Dresden. Davon ist Baubürgermeister Herbert Feßenmayr informiert.

Kein Stahl für die Waldschlösschenbrücke – Baustopp unvermeidbar?

Doch damit nicht genug: Der Firma Stahl- und Brückenbau Niesky fehlen Schlosser und Schweißer. Die sind z.B. in den boomenden Kraftwerksbau abgewandert. Für die Waldschlösschenbrücke fehlen derzeit die Fertigungskapazitäten. Die Folgen des nachhaltigen Fachkräftemangels werden am Bauablauf der Waldschlösschenbrücke Dresden nicht folgenlos vorüber ziehen.

Der Fachkräftemangel verzögert den Stahlbau bis 2009.

Der Markt tut sein übriges: Unternehmen wie der Stahl- und Brückenbau Niesky werden von ihren Lieferanten – trotz bestehender Verträge – vor die Wahl gestellt, den Stahl zu tagesaktuellen Preisen abzunehmen oder leer auszugehen. Die Preise für die Waldschlösschenbrücke wurden 2005 kalkuliert – anders und viel günstiger als heute. Die im Jahr 2009 gültigen Preise stehen in den Sternen. Laut einer aktuellen Kalkulation der Teilnehmer der „Fachklausur Elbtunnel Dresden“, welche die Dekane der Fakultäten Architektur und Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Dresden einberufen hatten, soll allein der Stahlpreis für die Waldschlösschenbrücke seit 2005 von ca. 315 Euro je Tonne auf 750 Euro je Tonne gestiegen sein. Das bedeutet über 20 Millionen Mehrkosten.

Die Explosion der Stahlpreise sorgt für 20 Millionen Mehrkosten.

Über all das wurde Baubürgermeister Herbert Feßenmayr informiert. Weiß er wirklich von nichts?

Die Landeshauptstadt Dresden berichtet in einer Pressemitteilung darüber, dass am 14.04.2008 „der ehemalige Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Prof. Kurt Biedenkopf, Staatsminister Michael Sagurna, der amtierende Oberbürgermeister Dr. Lutz Vogel und Baubürgermeister Herbert Feßenmayr in Paris [… waren, um …] mit hochrangigen Vertretern der UNESCO über den Erhalt des Welterbetitels für das Dresdner Elbtal zu sprechen.“

Das klingt zunächst einmal beachtlich. Man darf nicht vergessen, dass gerade aus dem Umfeld der Stadtverwaltung und der Landesregierung heraus die Entscheidungen der UNESCO immer wieder als nicht bindend eingestuft und als nicht nachvollziehbar kritisiert wurden. Die UNESCO selbst wurde sogar als „undemokratische Organisation“ angegriffen. Man fragt sich: Woher rührt dieses plötzliche Interesse an einem „weiteren Diskurs“?

Wenn die Landeshauptstadt und der Freistaat jetzt mit eben jenen Vertretern der UNESCO reden möchten, deren Interessen sie in der Vergangenheit regelmäßig ignoriert und verletzt haben, müssen sie etwas als Kompromiss anbieten können. Was können sie anbieten? Nichts, rein gar nichts! Hier und heute findet genau das statt, was die UNESCO als „irreversible Schädigung der besonderen Qualitäten des Elbtals“ bezeichnet. Das Urteil ist eindeutig und die Rahmenbedingungen unverändert. Warum sollte die UNESCO ihre Einschätzung ändern?

Doch damit nicht genug. Während die Landeshauptstadt von „Offenheit, weiter über die Situation in Dresden zu sprechen“ schwadroniert, triebt sie gleichzeitig die Zerstörung des Welterbes Dresdner Elbtal aggressiv voran. Stellen wir uns einmal die Situation in Paris vor: Der selbe Baubürgermeister Herbert Feßenmayr, der in Paris mit Francesco Bandarin, dem Direktor des Welterbezentrums, „über den Erhalt des Welterbetitels für das Dresdner Elbtal“ spricht, lässt zur gleichen Zeit in Dresden Brücken-Beton in die Elbwiesen gießen. Noch am 15.04.2008 – einen Tag nach dem Paris-Besuch – berichtet die Landeshauptstadt in einer Pressemitteilung über den Fortgang der „Bauarbeiten am Verkehrszug Waldschlößchenbrücke“.

Da kann man nur sagen: Respekt! So viel Chuzpe muss man erst einmal haben.

Das mindeste, was man in einer solchen Situation erwarten kann, wäre ein Baustopp. Dies wäre ein erkennbares Zeichen der aufrichtigen Bereitschaft zur Suche nach Kompromissen. Solange aber in den Elbwiesen weiter Tatsachen geschaffen werden, kann das Manöver von Landeshauptstadt und Freistaat nur eines bedeuten: Zeit schinden, weiter bauen, hinhalten, Fakten schaffen.

Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet also knapp: Die Vertreter von Landeshauptstadt und Freistaat sind unaufrichtig. Genau genommen sind sie sogar ziemlich dreist.

Nachtrag

Der Direktor des UNESCO-Welterbezentrums in Paris, Francesco Bandarin, widerspricht Berichten in der deutschen Presse, die behaupten, dass die UNESCO ihre Haltung bezüglich der negativen Auswirkungen des Baus einer Brücke im Welterbegebiet Dresdner Elbtal geändert hätte: „Wir haben keinen Grund, unsere Überzeugung zu ändern, dass eine Brücke negative Auswirkungen auf die Welterbestätte hat, und wir unterstützen weiterhin die Vorschläge derjenigen Experten, deren Bericht wir an die Mitglieder des Welterbekomitees weitergeleiten haben.“ Der Direktor erinnerte weiterhin an die Presseerklärung der UNESCO vom März zu diesem Thema. „Diese Presseerklärung und der Bericht gelten weiterhin“ betonte er.

Die UNESCO bestätigt in ihrer Gegendarstellung nochmals, dass nur der Tunnel der einzige akzeptable Kompromiss ist, um dem Willen der Bevölkerung nach einer Elbquerung am Waldschlößchen gerecht zu werden, und zugleich das Dresdner Welterbe zu erhalten.

Auch der internationale Rat für Denkmalpflege, ICOMOS, nennt einen Tunnel die „einzige Lösung“, wie Spiegel Online am 18.04.2008 berichtet. Weiter heißt es: „Wir können nur raten, den Bau sofort zu stoppen und die Tunnellösung noch zu realisieren“, sagte ICOMOS-Präsident Michael Petzet. Zugleich kritisierte er die „unglaublich sture Haltung“ der sächsischen Landesregierung.

Damit wird die Behauptung der sächsischen Delegation, die UNESCO sei für andere Lösungen offen und würde ggf. eine andere Lösung als einen Tunnel akzeptieren, widerlegt. Somit ist der Versuch der Herren Biedenkopf, Sagurna, Vogel und Feßenmayr, Einfluss auf die Sondersitzung des Stadtrates am 22.04.2008 zu nehmen, grandios gescheitert.

Hinweis

In der Sondersitzung des Stadtrats am 22.04.2008 soll über das Bürgerbegehren entschieden werden. Parallel zur Stadtratssitzung findet am Rathaus eine Kundgebung statt, mit der die Stadträte noch einmal deutlich an ihre Verantwortung und ihre Pflichten erinnert werden sollen.

Direkt zur Kanzlerin II

Das Internet-Portal „Direkt zur Kanzlerin!“ ist ein Projekt von Studenten und Absolventen verschiedener Hochschulen. Es dient der Förderung von gesellschaftlicher Kommunikation und Basisdemokratie. Hier können Briefe mit Fragen und Bitten an die Bundeskanzlerin Angela Merkel veröffentlicht werden. Sie hat sich verpflichtet, wöchentlich die drei Briefe mit der höchsten Zustimmung zu beantworten.

Heike Werner hat einen Brief an die Bundeskanzlerin Angela Merkel formuliert. Sie beklagt darin, dass die Verwaltung der Landeshauptstadt Dresden im Zusammenhang mit dem Bau der Waldschlößchenbrücke bisher weder offiziell über die 20 Millionen Mehrkosten für den Brückenbau (wegen explodierender Stahlpreise) noch über die Verzögerung des Beginnes des Brückenbaus um 1 Jahr (wegen Stahlknappheit und Kapazitätsengpässen) informiert hat. Heike Werner fragt die Bundeskanzlerin: „Darf eine Verwaltung dem Bürger gravierende Änderungen im Bauablauf und in den Kosten verschweigen?“

Wer sich eine Antwort der Bundeskanzlerin auf diese auch für Dresden wichtige Frage wünscht, sollte sich im Internet-Portal „Direkt zur Kanzlerin!“ anmelden und den Brief von Heike Werner positiv bewerten und damit um eine Beantwortung der Frage bitten.

Wichtig: Eine Abstimmung ist nur noch bis zum 20.04.2008 um 20:00 Uhr möglich.

Kundgebung am 22. April

Am Dienstag, dem 22.04.2008, findet am Rathaus (Eingang Dr.-Külz-Ring) ab 17:00 Uhr zeitgleich zur Sondersitzung des Stadtrats eine Welterbe-Kundgebung statt. Mit dieser Kundgebung sollen die Stadträte daran erinnert werden, dass mittlerweile rund 50.000 Unterzeichner des Bürgerbegehrens von ihnen erwarten, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden.

Die Kundgebung steht unter dem – traditionellen – Motto:

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