Ein Schreiben
von Günter Blobel
an Nancy Pelosi,
Sprecherin des Repräsentantenhauses
der Vereinigten Staaten von Amerika

Dear Congresswoman Pelosi,

knowing that you invited Chancellor Merkel of Germany to speak on Nov 2, 2009 to both Houses, I assume that you will probably meet her personally.

Chancellor Merkel is unfortunately co-responsible for breaking international law.

In 1976, Germany signed the UNESCO world cultural heritage convention.

UNESCO, for the first time in its history, had no other choice than to withdraw this title from one of its World Cultural Heritage Sites in Germany, the Elbe Valley Dresden, in June 2009.

Chancellor Merkel made no attempt to stop her Christian Democratic Party colleagues in Dresden to give up their Rambo (Bush-like) confrontation of UNESCO and to yield to UNESCO’s warnings not to build a huge, four-lane highway bridge in the middle of the Elbe Valley World Cultural Heritage Site.

For further clarification, I include an article I wrote recently as OpEd piece for the NYT.

As German-American Nobel Laureate (Medicine 1999), I am deeply disturbed by Chancellor Merkel’s behavior in this matter and even more so that she was accorded the honor to speak to the two Houses.

I hope in your conversations with her, you will bring up this topic and remind her that Germany can ill afford to break international treaties. Only Communist- and Nazi- Germany did this.

It is still possible to convert the already constructed accesses to a bridge and use them for the construction of a tunnel and thereby solve the problem with UNESCO. And she has the power to do this!

With all the major problems the world has right now, Chancellor Merkel is obviously hoping that this offense against our common world cultural heritage will go unnoticed.

The cancellation of the Elbe Valley World Cultural Heritage title sets a terrible example for much poorer countries and may induce them to make short shrift of their cultural heritage sites as well for some short sighted economic gain. If Germany can do it, so can other countries.

I think your intervention with her therefore is timely and extremely important for the preservation of world culture.

Thank you for your consideration of my request.

With great respect for your office and best regards,

Guenter Blobel

October 14, 2009

Die Menschen sind angekommen

Johannes Hellmich
über ein Interview mit Stanislaw Tillich
in der SZ vom 31.10.2009

War es eine zufällige Begegnung? Zwei Redakteure der Sächsischen Zeitung trafen im herbstlichen Großen Garten Ministerpräsidenten Tillich. Das sich entwickelnde Gespräch kreiste um Stanislaw Tillichs Visionen für den Freistaat im Jahre 2020. Tillichs schlagfertige Antworten auf nicht gestellte Fragen inspirierten die Redaktion offenbar zu einer ganzen Serie über Sachsens Zukunft. Das verspricht interessante Lektüre. Mit dem Tillich-Interview dürfte das Schlimmste überstanden sein. Dennoch: Eine Rundfahrt mit der Parkeisenbahn ist jedenfalls das bessere Mittel gegen jahreszeitlich bedingte Depressionen. Anfang Dezember geht der Fahrbetrieb weiter. Steigen Sie lieber nicht am Carolaschlösschen aus.

Warum das Jahr 2020? Der Solidarpakt wird dann ausgelaufen sein und Sachsen nach dreißig Jahren in der Wirklichkeit ankommen. Darauf müssen die Bürger vorbereitet werden. Die Sächsische Zeitung gibt der Union Gelegenheit, die Marschroute langfristig festzulegen und damit ihren natürlichen Führungsanspruch für diesen Weg zu formulieren.

Deshalb lohnt es, dieses Interview mehrmals zu lesen. Es zeigt auf erschütternde Weise den Gedankenhorizont eines sächsischen Regierungschefs, der gegenwärtige Defizite und künftige Herausforderungen weder in wirtschaftlichen, demografischen noch in geistig-kulturellen Fragestellungen erkennt. Ratlosigkeit und Absurdes auf die Frage nach der Situation Sachsens im Jahr 2020: Sein entwaffnender Verweis auf vage Chancen des Internets erinnert an längst zerstobene Illusionen einer New Economy. Selbst auf Nachfrage geht Tillich am Thema vorbei. Sollte er bei diesem Treffen am Carolasee tatsächlich unvorbereitet gewesen sein; die Möglichkeit, seine Antworten zu korrigieren, gab es allemal. Dafür sahen, so scheint es, weder die Redakteure noch die Staatskanzlei Grund. Das Interview spiegelt also in besonderer Weise perspektivisches Denken in den Abteilungen Macht und Medien wider.

Umso erschreckender der eng gefasste Freiheitsbegriff, der dem Leser vermittelt wird. Auch hier bleibt Tillich lediglich Vollzugsbeamter jener Kräfte, die ihn ins Amt gehievt haben: Ein saturiertes Bürgertum, dass soziale Abgrenzung besonders durch Exklusivität von Bildung für die eigene Nachkommenschaft sucht, erlaubt eine erst noch zu beweisende Durchlässigkeit des Bildungssystems als Inbegriff persönlicher Freiheit; gleichberechtigt natürlich neben dem wirtschaftsliberalen Mantra, dass sich Leistung wieder lohnen müsse. Die restlichen Einblicke in das banale Innenleben der Macht sind Morgensport, gesunde Ernährung und die Ignoranz gegenüber dem Aushöhlen eines Sonntagsgebots, an das sich die Kirchen gefälligst selbst zu halten hätten.

Trauriges Fazit dieses Herbstspaziergangs: Schulterklopfen, weil nach fast zwanzig Jahren der erste Mann im Lande Sachse ist. Für Tillich ein Beleg, dass die Menschen angekommen sind; ja mehr noch, es mache die Sachsen stolz, dass sie nach zwei Dekaden den Ministerpräsidenten stellen. Immerhin: Aus „unseren Menschen“ der DDR-Oberen sind nun „die“ geworden. Wie lange mag es dauern, bis Bürgern solcherart Infantilität nicht länger unterstellt wird, bis sie für sich selbst sprechen können? Und wie lange, bis sie gehört werden?

Der Vorentwurf des neuen Flächennutzungsplans für Dresden ist veröffentlicht. In der Zeit vom 19.10. bis einschließlich 30.11.2009 können die Dresdner Einsicht nehmen und erhalten die Möglichkeit, Stellungnahmen dazu abzugeben. – Und sie sollten dies auch tun, denn bekanntlich folgt die Stadtentwicklung in Dresden gelegentlich Grundsätzen, die nicht von allen Bürgern vorbehaltlos akzeptiert werden, wie wir zuletzt am Beispiel der Elbauen erfahren durften.

An folgenden Stellen sind zum neuen Flächennutzungsplan Informationen zu erhalten:

Verschiede Verbände haben eine kritische Beurteilung des Vorentwurfs auf der Agenda. Damit erübrigt sich eine rege, individuelle Bürgerbeteiligung aber noch lange nicht. Die Bürger selbst kennen ihre unmittelbare Umgebung am besten. Es ist an ihnen, dafür zu sorgen, dass ihr Lebensumfeld mit ihnen und nicht über ihre Köpfe hinweg gestaltet wird.

Wenn es zum Ausflocken kommt

von Johannes Hellmich

Die Blätter wurden nicht versengt,
die Zweige nicht gebogen.
Der Tag ist klar gewaschen wie Glas.
Aber das ist zu wenig.
Arsenij Tarkowskij

Zum Schluss umarmten sich Bürgerpräsident und Künstlerrevolutionär auf der Bühne des Leipziger Gewandhauses. Der Festakt des Freistaates am 9. Oktober war eben mit Klängen aus der Befreiungsoper Fidelio zu Ende gegangen, die Feierlichkeiten zum runden Jubiläum der friedlichen Revolution, die nicht Wende genannt werden soll, geschafft. Angeregte Stimmung nach einer stürmisch gefeierten Rede des Bündnisgrünen Werner Schulz. Mit prägnanter Leidensmiene hatte der Schamane den Geist von neunundachtzig noch einmal heraufrufen können. Selbst beim MDR glaubte man für einen Moment: Die Revolution geht weiter. Erst die Verbrüderungsszene von Horst Köhler und Kurt Masur brachte beruhigende Gewissheit: Im Jahre einundzwanzig nach dem Fallout kann der sächselnde Berufsnörgler niemanden mehr erschrecken.

Es war ein Geniestreich der Festtagsregie; Werner Schulz hat sich offenkundig nicht angepasst. Er ist der kantige Bürgerrechtler geblieben, im Gegensatz zu vielen seiner einstigen Mitstreiter. Wenige hätten es vermocht, der Veranstaltung die erhoffte Tiefe zu geben. Wohltuend hob er sich ab von den peinlichen Phrasen bemühter Betroffenheit seiner Vorredner. Mit einer reichen, klaren Sprache machte er die nervigen Auftritte von Rößler und Köhler vergessen. Nur selten überzog er, wenn Kerzenwachs statt Blut floss oder die Demonstranten protestantisch-diszipliniert blieben. Einmal suchte er den akademischen Schulterschluss: Die Lösung war gesättigt; es kam zum Ausflocken. Die Naturwissenschaftlerin in der ersten Reihe durfte lachen. Rhetorisch blieb er brillant, manchmal witzig.

Werner Schulz habe dennoch niemanden geschont, hieß es später. Aber: Stimmt das? Die Schelte für Tillich der Ordensverleihung wegen, war das mutig? Nach fast zwanzig Jahren deutscher Einheit von der lieben Angela Merkel auf dem kurzen Dienstweg eine gemeinsame Verfassung zu erbitten, war das demokratischer Stil? Wer ist sich, gerade in den neuen Ländern, des verfassungsrechtlichen Schwebezustands bewusst und wen stört dieser Malus? Ist nicht das der eigentliche Skandal? Wächst die Zustimmung zur Demokratie, wenn ein Bundespräsident wie Horst Köhler direkt gewählt wird? Tosender Applaus für Werner Schulz kam auch von den Mächtigen. Das macht die Brisanz seiner Rede aus, denn Schulz fiel das Formulieren der Kernbotschaft dieses Gedenktages zu. Hier gab es die seltene Chance einer authentischen Bilanz über die berechtigte Freude der gewonnenen Freiheit hinaus. Die Erwartung an Schulz gerade derer, für die der Aufbruch in die errungene Demokratie nicht mit der Einführung der D-Mark zu Ende war, durfte und musste hoch sein. Werner Schulz hat diese Chance nicht genutzt.

Wenn du geschwiegen hättest,
wärest du ein Philosoph geblieben.
Boëthius

Bürgerrechtler haben ihren Platz in der Wohlfühlpolitik einer gehobenen Mittelschicht längst eingenommen. Mit seiner Rede hat Werner Schulz dem kümmerlichen Wohlstandshedonismus sächsischer Provenienz den Segen erteilt. Entscheidend dafür war nicht die Bittstellerei um Demokratisierung, sondern das abgelegte Glaubensbekenntnis eines gemeinsamen Abscheus vor aller sozialistischen Utopie: Gleichsetzung eines verendeten, lächerlichen DDR-Regimes mit jedweden Idealen gesellschaftlicher Veränderung in Schulz’ Rede, der sogenannte Staatsbankrott, zu dem sich die Linke gefälligst bekennen soll und die Preisgabe einer Friedensforderung ohne Ansehen der Person. Heute stehen wir im Krieg und Bündnisgrüne haben längst das staatstragende Argumentationsrepertoire übernommen, das schwierige Fragen zum Frieden leicht erklärt. Friedensgebete, aus denen sich einst Widerstand gegen realsozialistische Macht bildete; abgelegt als naive Folklore einer vergangenen Zeit. Dieser dreifache Kotau von Werner Schulz vor der (so apostrophierten) letzten Volkspartei – das ließ das Auditorium im Gewandhaus jubeln. Irrationaler Antikommunismus ohne Kommunisten ist seit Jahrzehnten bürgerliches Erfolgsrezept. Fein, dass nun auch Werner Schulz die Terminologie eines paranoiden Freund-Feind-Schemas übernommen hat. Wer auf dem schmalen Grat zwischen Totalitarismen beiderseits seinen Weg sucht, sollte nicht hoffen, das eine mit dem anderen Übel bekämpfen zu können. Bis zu Irving Kristols Credo „A liberal mugged by reality“ (Ein Liberaler, der von der Wirklichkeit überfallen wurde), das auch den deutschen Gesellschaftsdiskurs zum Stillstand gebracht hat, ist es dann nur ein kleiner Schritt.

Ein Festakt eignet sich nicht zur Abrechnung. Gewiss. Nur, wo sonst kann Öffentlichkeit die Kluft zwischen Aufbruch und bleiernem Mittelmaß reflektieren, wie es sich in den Führungseliten Sachsens personifiziert? Demokratische Lebenswirklichkeit statt historischer Allgemeinplätze wäre die bessere Alternative gewesen. Wenn es die von Schulz behauptete permanente Revolution wirklich gibt, dann ist es eben jene des conservative compassion, das gesellschaftliche Solidarität zum Gnadenakt macht für eine weitgehend apolitische Menge. Wie weit dieses Mitgefühl reicht, muss sich noch zeigen. Die Hoffnung auf das alimentierte Wirtschaftswunder erfüllten jedenfalls weder Lohnverzicht noch gesellschaftlich-ökonomische Vernunft der Bürger. Arbeitnehmervertretungen, Gewerkschaften und Sozialdemokratie bleiben bis heute weitgehend marginalisiert. Die Ablehnung des alten Systems wandelte sich oft genug in tiefe Enttäuschung über die neuen Verhältnisse. Das zu ignorieren oder zu verachten, ist Teil des Agreements der Gewandhausbesucher. Obwohl die Einheit in vielem unerreicht ist, wie das Statistische Bundesamt auch ohne Brett vor dem Kopf seit Jahren belegt, ist der ehemalige DDR-Bürger doch Musterschüler in Sachen Revolution und Integration geworden. Die Penetranz, mit der Konservative das Gelingen der friedlichen Revolution vereinnahmen, gründet auf einer gewissen Willfährigkeit der Neunundachtziger-Bewegung. Erlaubt ist diesem siegreichen Konservatismus dann selbstverständlich auch die edle Lüge der Demokratisierung.

Einhundertausend Menschen tragen an jenem Gedenktag schließlich Lichter der Dankbarkeit und Hoffnung durch das abendliche Leipzig. Hier weiß man vermutlich nicht mal, wie im benachbarten Dresden Bürger über viele Jahre an dieser Demokratisierung fast verzweifelt sind; wie machtvolle kreative Willensbildung der Bürgerschaft ins Leere eines rechtsstaatlichen Formalismus läuft. Kein Wunder: Die Möglichkeiten öffentlich-rechtlicher Kommunikation stehen im immer größeren Widerspruch zu ihren selbst gezogenen Grenzen.

Und in der Landeshauptstadt? Von gerade mal dreitausend Menschen auf der Prager Straße war zu hören. Natürlich, Tillich und Orosz hatten gesprochen. Tröstlich: Christof Ziemer hat sich und uns seinen klaren Blick bewahrt; ein wenig Zuversicht also auch hier. Spuren vom Dresdner Erinnern des 8. Oktober sind im virtuellen Nachrichtenniederschlag längst verweht. Jetzt noch vorm Fernseher der 9. November mit internationalen Gästen und vielen Sondersendungen um Schabowski und verwirrte Grenzer. Noch einmal Freudentränen. Später der neue Striezelmarkt. Ein rauschendes Silvesterfest wird dieses Jahr in Dresden beschließen.

Ein Zwischenruf von
Eduard Zetera

Stanislaw Tillich hat nie von sich behauptet, ein Widerstandskämpfer gewesen zu sein. Insofern ist er sich treu geblieben. Gleich, welche Version seiner Vita man betrachtet: sie besagt, dass er im Verwaltungsapparat der Deutschen Demokratischen Republik seinen Platz gefunden hatte. Wenn man ihn also als einen Apparatschik bezeichnet, hat er keinen Grund, zu widersprechen. Beteuern wird er allemal, dass er nur ein kleines Rädchen im großen Getriebe war, während mancher ihn zu den tragenden Säulen des DDR-Systems rechnet.

Bei letzteren wird Stanislaw Tillichs Erscheinen auf diversen Feierlichkeiten in Sachsen zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolution ein gewisses Unbehagen auslösen. Wenn er den Fall der Mauer lobpreist, bleibt wohl immer ein schaler Beigeschmack zurück. Er war es gewiss nicht, der den ersten Stein aus diesem Bauwerk zog. Vielmehr gehörte er zum Kitt in dessen Fugen. Gleichwohl steht es ihm zu, in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident den Mauerfall als den Glücksfall in der jüngsten Geschichte Sachsens zu würdigen. Aber das bitteschön nur in Sachsen. Hier bekleidet er sein Amt. Nirgendwo sonst.

Wenn Stanislaw Tillich es sich dennoch nicht nehmen lässt, zur Feier des berühmtesten Halbsatzes von Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft aufzutreten, dann ist das ein Akt von geradezu erlesener Instinktlosigkeit. Nein, das ist nicht sein Platz. Mit den Vorgängen seinerzeit in Prag hat er rein gar nichts zu tun. Das ganze Gegenteil ist der Fall. Das ist ihm selbst wohl weit weniger bewusst gewesen als den anwesenden Pressevertretern: Beim Fototermin drängte er sich derart in den Vordergrund, dass er erst mit wiederholten Sprechchören („Tillich weg!“) in das Innere der Botschaft vertrieben werden konnte.

Dennoch handelt es sich bei alledem um einen wohl kalkulierten Fehltritt. Stanislaw Tillich verlässt sich darauf, dass das historische Kurzzeitgedächtnis der Nation gerade mal bis vorgestern reicht und hofft, dass so die Verdienste eines Hans-Dietrich Genscher oder Rudolf Seiters um die deutsche Wiedervereinigung ein klein wenig auch mit seiner Person assoziiert werden. Er erinnert so fatal an die Dresdner Oberbürgermeisterin, welche um die begrenzte Strahlkraft ihrer Person weiß und glaubt, dass sich ein wenig vom Glanz des amerikanischen Präsidenten auf sie überträgt, wenn sie ihm den Füllhalter zur Unterschrift im Goldenen Buch der Stadt reichen darf.

Wenn das Bild nicht so tragisch wäre, man könnte es fast komisch finden.


Zum Weiterlesen und Staunen: Bilder aus Prag, Der Spiegel zur Fragebogen-Affäre

Bis wir tot sind

ein Beitrag von
Johannes Hellmich
 
Difficile est
satiram non scribere

Die Amerikaner nennen Politiker, die keine wichtigen Entscheidungen mehr treffen, etwas mitleidig Lame Duck. Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz ist der Einzug ins politische Entenhausen bereits nach einem Jahr gelungen. Hoffnungslos überfordert von einer rot-grünen Opposition im Stadtrat, schwankt sie zwischen Aktionismus, Realitätsverweigerung und Anbiederung. Manches mag sie dabei an frühere Erfahrungen in sozialistischen Kindereinrichtungen erinnern. Vertraute Instrumente wie Lob und Liebesentzug aber versagen in ihrem jetzigen Wirkungskreis. Die angekündigten neuen Kapitel des Dresdner Erfolgsromans, geschrieben von den Ghostwritern der Staatskanzlei, werden schon jetzt zur Anleitung zum Unglücklichsein. Auch wenn sich die Bürgermeisterin nach diesem Drehbuch als tragische Heldin weiter von Peinlichkeit zu Peinlichkeit hangelt – die alleinige Verantwortung dafür trägt sie nicht.

Orosz’ hastiges Statement in Sevilla war kläglicher Schwanengesang eines Scheiterns auf Raten. Vorausgegangen waren diplomatische Ungeheuerlichkeiten, die der gewöhnliche Welterbefreund nicht für möglich hielt. Die Einflussnahme auch einiger Dresdner Bundestagsabgeordneter auf Komiteemitglieder mit dem Ziel, den klaren Beschluss von Quebec aus dem Jahr 2008 durch das Komitee selbst kassieren zu lassen und damit die Glaubwürdigkeit der Welterbeidee zu verspielen, hat kürzlich einen interessanten Abschluss gefunden. Der ägyptische Vorstoß, Dresden ein weiteres Jahr auf der Roten Liste zu belassen, erscheint vor dem Hintergrund von Interventionsversuchen selbst des Auswärtigen Amtes besonders prekär: Ägyptens (wegen antiisraelischer Äußerungen) umstrittener Kulturminister war aussichtsreicher Anwärter auf den neu zu besetzenden Chefsessel der UNESCO. In geheimer Abstimmung scheiterte der ägyptische Antrag zum Dresdner Welterbe, vornehmlich, wie es hieß, am Widerstand der Amerikaner, Spaniens und Israels. In diesem Zusammenhang darf auch der Zwischenstopp des amerikanischen Präsidenten Anfang Juni in Dresden als Versuch gewertet werden, ein für Dresden günstiges Klima in Sevilla zu schaffen. Allein; die für den Freistaat 13 Millionen Euro teure PR-Aktion, deren einziger Sinn in die Welt übertragene schöne Bilder und ein wenig Publicity waren, verpuffte wirkungslos. Umsonst auch die Gefälligkeit der Ägypter: Der aussichtsreiche Faruk Husni verlor in einer Stichwahl um den Job des Generaldirektors überraschend gegen die Bulgarin Irina Bukowa.

Kaum aus Spanien zurück, kündigte Orosz vollmundig einen neuen Welterbeantrag an, offensichtlich ohne jegliche Kenntnis der dafür notwendigen Voraussetzungen. Einmal mehr offenbarte sie, dass ihr der Welterbegedanke, über den sie die UNESCO belehren wollte, bis heute fremd geblieben ist; trotz eigenen Engagements für den Bad Muskauer Förderverein. Ein neuer Welterbeantrag scheint inzwischen erledigt. Zuletzt war aus dem Rathaus die zynisch-überhebliche Einschätzung zu hören, man müsse die Aberkennung nun erst einmal sacken lassen. Probleme hat Orosz ohnehin genug. In der Morgenpost wird, im Gegensatz zu Peter Ufers OB-Fanzine aus gleichem Verlagshaus, immer offener über die Befähigung der Dresdner Verwaltungsspitze und ihrer Umgebung spekuliert. Wer aber steht ihr in einer langen Reihe von Missgriffen zur Seite?

Auf der Suche nach Schuldigen an der verfahrenen Situation im Stadtrat hat die Sächsische Zeitung kürzlich den Fokus auf Orosz’ Berater gerichtet. Unklar bleibt, in welchem Umfang und mit welchem Erfolg diese Beratungen tatsächlich das Handeln der Oberbürgermeisterin beeinflussen, doch fallen zwei Personalien besonders auf. Gleichsam als Pendant zu Wirtschaftsbürgermeister Hilbert, der sich einst mit dem zum Absturz gebrachten Brandenburger Cargo-Lifter seine Sporen verdiente, wird als Wirtschaftsberater der Druckerei-Chef Thomas Bohn genannt; ein branchenweit für Niedriglöhne bekannter Unternehmer, der Orosz 2008 dank seines Equipments in einer beispiellosen Materialschlacht beim OB-Wahlkampf tatkräftig unterstützte. Dass er zur gleichen Zeit 43 bereits unterzeichnete Ausbildungsverträge kurzerhand kündige, als die IHK es wagte, eine berufsübliche Ausbildungsvergütung zu fordern, scheint in der Union niemanden ernsthaft zu stören.

Mit Kommunikationsprofi Michael Sagurna begegnet uns ein weiterer alter Bekannter, der die Linie der Stadtverwaltung in Sachen Welterbe und Waldschlösschenbrücke noch immer mitbestimmt. Biedenkopfs getreuer Pressesprecher schaffte unter Milbradt ein Comeback als Chef der Staatskanzlei. Retten konnte Sagurna den angeschlagenen Milbradt allerdings nicht mehr. Interessant aber ist, wie er zwischenzeitlich ein neues Lied der Demokratie anstimmte. Während Sagurna in Staatsdiensten kompromisslos auf der Respektierung des Bürgerentscheids von 2005 bestand, als geriete sonst der Rechtsstaat ins Wanken, nahm er als PR-Berater des Molkereigiganten Müller in Leppersdorf den Bürgerwillen nicht ganz so ernst. Trotz des eindeutigen Votums der Anwohner in einem Bürgerentscheid gegen die Müllverbrennungsanlage betrachtete Sagurna das Scheitern Müllers in seinem neuen Job eher als Kommunikationsproblem. Ohne dass ein Baurecht für das Heizkraftwerk vorlag, bereitete seine Medienagentur mit einer Informationszeitung den Boden für einen neuen Anlauf der Molkerei zur Realisierung des Heizkraftwerkes. Müller-Vertreter Gumpp wird im Herbst 2007 mit den Worten zitiert: „Wir kämpfen solange, bis wir tot sind oder bis das Kraftwerk steht.“ Das scheint, nebenbei, leicht abgewandelt auch die Marschrichtung der Union für ein anderes Bauwerk zu sein.

Reicht es, bei Sagurna auf Professionalität zu verweisen? Einige Wochen später wird er im Dresdner Landtag erneut auf die eindeutige Mehrheit der Bürgerschaft für die Elbquerung pochen und von gleich drei Brücken als Zielstellung sprechen: „eine über die Elbe, eine über den Graben zwischen der Dresdner Bürgerschaft und eine zu den Entscheidern bei der UNESCO“. Er gehört neben Biedenkopf, Feßenmayr und Vogel zu jenem Team, dass im darauffolgenden Frühjahr 2008 nach Paris fährt, um Kompromissbereitschaft zu simulieren. Die sachliche, klare Haltung des Welterbezentrums zur Präferenz der Tunnelalternative dürften dem Medienprofi die Augenwischerei der eigenen Mission schnell klar gemacht haben. Doch offenbar genügte ihm da schon die Durchsetzung nur noch einer Brücke.

Dass Land und Kommune Vakanzen für ihr Personaltableau mit ansässigen Politikern wechselseitig auffüllen, ist naheliegend. Und doch hat die Patronage seitens der Landesregierung für Dresden auch in diesem Bereich fatale Folgen. Selbst die Personalie Orosz ist Ergebnis einer Findungskommission des sächsischen Ministerpräsidenten Milbradt. Mit dabei war auch jener Politologe Werner Patzelt, der als Experte regelmäßig öffentlich den Lagebericht ausgibt. Die parteipolitisch gefärbte personelle Verflechtung von Verantwortungsebenen und öffentlicher Kommunikation haben in fast zwanzig Jahren erheblich zur Ohnmacht kommunaler Selbstbestimmung beigetragen. Mit seiner Förderbeschränkung für die Waldschlösschenbrücke schlug Kajo Schommer einen der entscheidenden Pflöcke ein. Erstaunlich genug wurde die Demontage der Dresdner Eigenständigkeit vom Wähler immer wieder belohnt. Der jüngste Wahlerfolg von Ex-Umweltminister Arnold Vaatz, der wie kein anderer für die Degeneration eines aufgeklärten Bürgerrechtsdenkens zur antidemokratischen Demagogie steht, ist kein Ausrutscher, sondern symptomatisch.

Die vergangenen Land- und Bundestagswahlen haben mit ihrem Ausgang der sächsischen Demokratie für weitere Jahre eine Embryonalstellung vorgegeben. Schmerz und Enttäuschung sind so scheinbar am ehesten zu ertragen. Die tiefe kulturelle Krise einer unbewältigten Nachwendezeit, die am sichtbarsten ausgerechnet in Dresden zutage tritt, lässt sich durch resignierenden Rückzug ins Private nicht lösen. Genauso wenig können Brot und Feuerwerk die leere Seele einer Stadt füllen. In scharfem Kontrast dazu setzte erst Ende August eine Welterbeveranstaltung im Dresdner Rathaus beeindruckende Zeichen der Hoffnung. Daran wollen wir festhalten. Zum aufrechten Gang gibt es letztlich keine Alternative.

… am Sonnabend,
dem 10.10.2009,
von 09:00 bis 11:00
am Königsufer.

Liebe WeltErben und Freunde der Elbe,

die BUND Regionalgruppe Dresden und der Anglerverband „Elbflorenz“ Dresden e.V. rufen zu einer Aktion zur Beseitigung des an den Dresdner Elbufern angeschwemmten und durch das anhaltende Niedrigwasser freigelegten Unrates auf. Wir Dresdner Naturschützer, Angler, Bootsfreunde wollen damit unsere Verbundenheit mit dem Elbstrom und dessen Schutz zeigen.

Wie unsere Teilnehme am Elbe-Mahnfeuer am 19. September belegte, engagieren sich auch in Dresden zunehmend Bürger und weitere Vereine für den Schutz der Flusslandschaft Elbe. Dass wir dabei auch Mühen nicht scheuen, wollen wir gemeinsam mit anderen Naturfreunden am Sonnabend zeigen.

Aktionsschwerpunkt wird das flache Elbufer auf der Neustädter Seite zwischen Marienbrücke und Albertbrücke sein. Treffpunkt der freiwilligen Helfer ist am Sonnabend um 09:00 Uhr der Elbradweg bei den Kinonächten.

An der Aktion nehmen auch mehrere Dresdner Ruder-, Kanu- und Segelvereine teil, die an selbst gewählten Tagen das Elbufer im Umfeld ihrer Bootshäuser säubern wollen.

Unterstützung erhalten wir durch das Umweltamt der Stadt, welches den Abtransport des Mülls übernimmt und die Sächsische Dampfschifffahrtsgesellschaft, die mit einer Spende die Beschaffung von Arbeitsmaterialen ermöglicht.

Wir würden uns freuen, Euch zahlreich begrüßen zu können.

Gottfried Mann (BUND Dresden)
Jürgen Steinert (Anglerverband „Elbflorenz“ e.V.)

Vom 08.10. bis 10.10.2009 findet in Dresden das 2. World Culture Forum statt. Dazu werden ca. 500 Gäste aus verschiedenen Ländern Europas erwartet. Die Idee des Forums wird durch die Veranstalter folgendermaßen beschrieben:

Das World Culture Forum setzt sich für die weltweite Herstellung eines gesunden Gleichgewichtes aller sechs Teilbereiche der Kultur menschlichen Zusammenlebens ein: Wissenschaft und Kunst, Politik, Religion, Ökonomie und Medien. Damit kritisiert das World Culture Forum zugleich der Vorherrschaft einzelner Kulturbereiche, weil solche Vorherrschaft das Zusammenleben bedroht.

Ein Forum mit dieser Thematik und mit diesem Anspruch kann nicht in Dresden stattfinden, ohne die Welterbeproblematik zu thematisieren. Wir rufen deshalb auf zu einer Demonstration am Donnerstag, dem 08.10.2009, um 16:00 Uhr an der Gläserne Manufaktur. Das Motto lautet: „Weltkulturforum ohne Welterbe?“ Wir wollen zeigen, dass der Welterbegedanke in Dresden weiterlebt.

Zusätzlich bitten wir um Teilnahme an der Mahnwache „Weltkulturforum ohne Welterbe?“ am Freitag, dem 09.10.2009, um 08:00 Uhr, ebenfalls an der Gläsernen Manufaktur.


Weitere Informationen finden Sie auch unter www.weltkulturforum.org.

Unter dem Motto „Wohlbehütet oder schutzlos ausgeliefert?“ werden sich am 30.09.2009 Dr. Dietrich von Loh (Denkmalamt Dresden) und Dr. Peter Lames (Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion) mit der Frage beschäftigen, wie es um den Denkmal-, Landschafts- und Naturschutz im Dresdner Elbtal steht. Die Veranstaltung beginnt um 19:00 Uhr. Sie findet in der Aula des St. Benno-Gymnasiums, Pillnitzer Straße 39, statt. Ziel ist es, einen umfassenden Überblick über den derzeitigen Stand des Schutzes im Elbtal zu erlangen – als erster Schritt, um die von der SPD-Fraktion angeregte umfassende Schutzsatzung für das gesamte Elbtal auf den Weg zu bringen.

Es lohnt sich, schon 18:00 Uhr an Ort und Stelle zu sein. Zu diesem Zeitpunkt wird Herr Trümper, der Stellvertretende Direktor des Gymnasiums, durch das interessante Gebäude führen, das nach dem Entwurf des bekannten Stuttgarter Architekten Günter Behnisch entstanden ist.

Mahnfeuer für die Elbe

Plakat Mahnfeuer für die Elbe

Das Bürgerbündnis und Netzwerk Elbe lädt all jene Menschen zu einer Mahnfeuer-Kette entlang des gesamten Flusses ein, denen die Elbe und ihre Auen am Herzen liegen.

Mit Elbgeschichten und Elbliedern am abendlichen Feuer soll die Verbundenheit der Menschen mit ihrer heimatlichen Flusslandschaft ausgedrückt werden.

Anlass der Aktion ist die Gefährdung der internationalen Schutzgebiete, wie des UNESCO-Welterbes Dessau-Wörlitzer Gartenreich, des UNESCO-Biosphärenreservates Flusslandschaft Elbe sowie der NATURA-2000 Gebiete durch die Elbvertiefungen und andere Bauvorhaben. Das Bündnis will darauf verweisen, dass das Schicksal der Flusslandschaft vom weiteren Umgang mit diesem Fluss abhängt. Es geht darum, Prioritäten zu setzen. Vorsorgender Hochwasserschutz und der Schutz der Elbauen stehen neben der Verbesserung der Lebensraumqualität und der Wasserqualität obenan.

Das Bündnis will auch über den hohen ökologischen und touristischen Wert der Elblandschaft informieren. So wurde der Elberadweg zum fünften Mal in Folge zum beliebtesten Radweg in Deutschland gewählt. Der „Schatz Elbe“ darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, so die Veranstalter. Eingeladen sind u. a. auch die Direktkandidaten für die Bundestagswahl. Von den gewählten Politikern wird es maßgeblich abhängen, wie über die Zukunft der Elbe entschieden wird.

Aktionen sind bislang geplant in:

Pirna, Dresden, Coswig/Sachsen, Riesa, Mühlberg, Torgau, Coswig/Anhalt, Wörlitz, Dessau, Aken, Barby, Schönebeck, Magdeburg, Burg, Rogätz, Wittenberge, Wahrenberg, Hitzacker, Bleckede, Cuxhaven.

Treffpunkt: Samstag, 19.9.2009 - 18 Uhr - Goldener Reiter

Das Plakat zur Verantstaltung gibt es auch zum Herunterladen (pdf).

PS: Bitte vorhandenen Fahnen und Transparente mitbringen. (gern auch die von der großen Anti-Atom-Demo in Berlin) Fackeln werden wieder für eine Spende abgegeben.

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