Die Dresdner Welterbebewegung veranstaltet am Samstag, dem 29.08.2009, um 14:00 Uhr auf dem Neumarkt eine Mahnwache mit dem Motto „Welterbe wiederherstellen!“ Die Teilnehmer treffen sich 13:45 Uhr am Welterbepavillon am Neumarkt (gegenüber der Schützresidenz). Anlass ist die zentrale Abschlussveranstaltung zum CDU-Wahlkampf mit dem Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich und der Bundeskanzlerin Angela Merkel an gleicher Stelle.

Anliegen der Dresdner Welterbebewegung ist es, still und kultiviert auf die unglaublichen Geschehnisse in Dresden hinzuweisen. Stanislaw Tillich soll deutlich erkennen, dass er eine große Mitverantwortung für dieses Desaster trägt. Angela Merkel soll bewusst gemacht werden, dass die Bundespolitik unverändert in der Pflicht ist.

BI Welterbe Dresdner Elbtal

Zur Bürgerversammlung der Dresdner Welterbebewegung am 20.08.2009 stellte die BI Welterbe Dresdner Elbtal ihre weitere Arbeit vor. Jana Knauth berichtete darüber, dass sich die BI in nächster Zukunft in einen Verein umwandeln wird, da das die neue Schwerpunktsetzung auf Themen der gesamtstädtischen Entwicklung erfordere. Ohne die Entwicklung um die Waldschlößchenbrücke außer Acht zu lassen, werden umfassendere, stadtweit relevante Themen bearbeitet, wie beispielsweise die Erarbeitung einer Elbtalschutzsatzung, die Verträglichkeit der Marx’schen Visionen mit dem Planungsleitbild Innenstadt, den Vorstellungen des Forum Tiberius (Weltkulturgipfel in Dresden) und dem Hochwasserschutz.

Die Vereinsgründung wird im September 2009 stattfinden. Alle Interessenten möchte die BI dazu herzlich einladen und bittet um Kontaktaufnahme unter Jana.Knauth(a)gmx.de. Weitere Informationen finden Sie unter www.welterbe-dresdner-elbtal.de.

Mauer im Kopf …

Als die Einweihung des Torsos „Die Elbe“ von Wieland Förster durch Helma Orosz am 16.08.2009 am Laubegaster Ufer unerwartet von Bürgern mit Plakaten begleitet wurde, welche sich gegen die Errichtung eines Hochwasserschutzwalls in Laubegast richteten, fühlte sich die Oberbürgermeisterin zu der Klarstellung genötigt, dass – sinngemäß – niemand die Absicht habe, eine Mauer zu errichten …

Lesen Sie selbst die kleine Geschichte dazu unter www.mauerzoff.de und übersehen sie dabei nicht das „Fazit“!

Das Ende einer Weltstadt?

Zum Thema „Das Ende einer Weltstadt? – Dresden nach dem Mord an Marwa El-Sherbini“ findet am Sonntag, dem 23.08.2009, um 14:30 Uhr eine Podiumsdiskussion im Theater Breschke & Schuch am Wettiner Platz 10 statt.

Am 1. Juli starb die schwangere Ägypterin Marwa El-Sherbini in Dresden. Ihr Ehemann, Doktorand am Max-Plack-Institut, der sie im Gerichtssaal vor den Messerattacken des Mörders beschützen wollte, wurde auch schwer verletzt. Als vermeintlicher „Täter“ wurde der Ägypter von einer Polizeikugel getroffen. Es ist der tragische Höhepunkt eines Streites, der sich eigentlich um die Schaukel auf einem Spielplatz drehte. Eigentlich, denn in Wirklichkeit geht es um viel mehr: um Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Integrationsprobleme ganzer Bevölkerungsgruppen.

Hochkarätige ReferentInnen diskutieren über Ursachen und mögliche Folgen und Konsequenzen dieser Tragödie. Auf dem Podium:

  • Claudia Roth MdB
    Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen
  • Prof. Dr. Wolfgang Donsbach
    Direktor Institut für Kommunikationswissenschaft TU Dresden
  • Johannes Lichdi
    Mitglied des Sächsischen Landtages
  • Kati Lang
    Opferberatung des RAA Sachsen e.V.

Die Moderation übernimmt Prof. Dr. Ralf Evers, Rektor der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit Dresden. Veranstalter sind das Referat Ausländische Studierende der TU Dresden, die Kampagne gegen Ausgrenzung von Asylsuchenden und das Projekt „Welthafen“ der Evangelischen Studentengemeinde Dresden.

Stasi 2.0

Die Akte des Gefährders Michael Grasemann
kommentiert Eduard Zetera

Vorweg einige Anmerkungen zum Hintergrund …

Die Diskussion über die Speicherung personenbezogener Daten wurde viel zu lange nur in Fachkreisen gepflegt. Eine breite Öffentlichkeit nahm sie erst wahr, nachdem bekannt wurde, wie u.a. die Telekom, die Bahn und diverse Discounter ihre Mitarbeiter systematisch bespitzelten. Otto Normalbürger zeigte sich darüber zunächst mehr empört als verstört, besaßen derartige Vorgänge doch nur dann für ihn persönlich Relevanz, wenn es sich um seinen eigenen Arbeitgeber handelte. Das änderte sich schlagartig, als Informationen zum schwunghaften Handel mit Millionen von Kundendatensätzen die Runde machten: Otto Normalbürger begann zu verstehen, dass es auch ihm an die Taschen gehen kann, wenn nicht nur sein Name, sondern auch seine Adresse, sein Geburtsdatum und seine Kontonummer beginnen, durch das weltweite Datennetz zu vagabundieren.

Damit war klar, dass es bei Fragen um die Speicherung personenbezogener Daten schon einmal ums Geld geht. Die Gefahr, dass die weitere Verbreitung derartiger Daten künftig Menschen bei der Gestaltung ihres Lebensweges einschränken wird, erscheint aber noch immer abstrakt – auch wenn schon heute klar ist, wie das z.B. geschehen kann: Kein Anbieter von Lebensversicherungen würde Informationen zum Konsumverhalten seiner Kunden freiwillig ignorieren. Nein, wer laut Payback häufig Dosenbier und Chips kauft, der bekommt halt einen teureren Tarif.

Ähnlich abstrakt erscheint bislang ebenso die Gefahr, dass mit der Speicherung personenbezogener Daten auf die politische Meinungs- und Willensbildung Einfluss genommen wird. Doch auch hierfür kennen wir bereits ein plausibles Beispiel: Investigativ arbeitende Journalisten beklagen, dass mit Einführung der Vorratsdatenspeicherung einige ihrer Informationsquellen versiegt sind. Ja, wer wird denn noch bei der Presse anrufen, um ihr Brisantes, z.B. über einen Politiker oder einen Regierungsbeamten, zu stecken, wenn er weiß, dass sein Telefonat von ebendiesen ein halbes Jahr lang zurückverfolgt werden kann? Und manch ein Journalist wird künftig das eine oder andere brisante Thema gar nicht mehr aufgreifen, weil er nicht recht weiß, ob vielleicht die Falschen von seinen Recherchen Wind bekommen. Die „Schere im Kopf“ schnappt zu.

Stopp! Hatten wir das nicht schon einmal? Bei den Neubundesbürgern jenseits der 30 werden spätestens jetzt ungute Erinnerungen wach. Richtig: Das hatten wir schon einmal. Damals nannten wir das Stasi. Heute kommt so etwas zeitgemäß als Stasi 2.0 daher. Und nun haben wir in Dresden auch für ihr Wirken ein schönes Beispiel:

… und damit zur Akte Grasemann:

Michael Grasemann gehört zu den Aktiven der Dresdner Welterbebewegung. Das ist für sich genommen noch kein Verbrechen. Aber selbst dazu sind die Meinungen geteilt. Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) spricht z.B. von „Brücken-Dschihadisten“. Ein Auskunftsersuchen dazu, was denn im sog. „Polizeilichen Auskunftssystem Sachsen (PASS)“ und in der Datei zur „Integrierten Vorgangssachbearbeitung (IVO)“ über Michael Grasemann gespeichert sei, förderte denn auch Besorgnis Erregendes zu Tage. Dabei gibt es keinerlei Anlass zu der Sorge, dass von Michael Grasemann eine Gefahr für unser aller Leib und Leben ausgeht. – Besorgt machen sollte vielmehr das, was man bereits heute mit den Systemen PASS und IVO so treibt und das, was man damit machen kann, wenn man nur will.

Schauen wir die Akte Grasemann doch einmal genauer an:

Im PASS ist Michael Grasemann als „bekannter Täter“ im Zusammenhang mit dem Protest gegen die höchst umstrittene Fällung der Angelikabuche vermerkt. Richtig ist, dass sich bei dieser Gelegenheit wie auch bei den Baumfällungen auf der Waldschlößchenstraße eine Vielzahl von Dresdner Bürgern, darunter z.B. der Schriftsteller Thomas Rosenlöcher, strafbar gemacht haben. Richtig ist aber auch, dass diese Bürger gewiss nicht als notorische Kriminelle gelten dürfen, zumal die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dazu – anders als im PASS behauptet – längst eingestellt sind. Und daher hat dieser Eintrag im PASS auch eine politische Dimension. Der Eintrag informiert somit Polizeibeamte nicht nur darüber, wo Michael Grasemann am 15.01.2008 gewesen ist, sondern er hilft ihnen auch, den „bekannten Täter“ politisch zu verorten …

Die Auskünfte zum IVO beginnen mit einer Serie von „Verkehrsordnungswidrigkeiten“, die in ihrer Gesamtheit den Eindruck nahelegen, dass es sich bei Michael Grasemann geradezu um den Prototypen eines Verkehrsrowdys handelt. Dabei wird schon einmal übersehen, dass er ein Geschäft betreibt und dass auch seine Mitarbeiter mit Fahrzeugen unterwegs sind, welche auf seinen Namen zugelassen sind. Doch das ist gar nicht der Punkt. Die viel interessantere Frage ist, wozu diese Daten überhaupt in Sachsen erfasst und verwaltet werden. Zur Identifikation wirklicher Verkehrsrowdys gibt es bereits das Verkehrszentralregister in Flensburg. Und das funktioniert. Mancher meint gar, das tut es viel zu gut. Plant Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) dennoch den Aufbau eines Registers „Flensburg 2.0“, weil ihm die derzeitige Punktsammlungspraxis zu lasch erscheint? Was bitte soll das?

Auf die fragwürdigen Einträge im Verkehrssündenregister des Michael Grasemann folgt schließlich der wirklich brisante Teil der IVO-Daten: Aus einer Reihe von „Tätigkeitsregistrierungen“ geht hervor, dass Michael Grasemann offensichtlich zu den Organisatoren von Demonstrationen der Welterbebewegung zählt. Damit tut er nichts, als von seinem Recht zur freien Meinungsäußerung Gebrauch zu machen. Warum aber wird dann sein Tun polizeilich erfasst? Warum wird für 24 Monate gespeichert, dass Michael Grasemann einige der – absolut gewaltfreien! – Demonstrationen der Dresdner Welterbebewegung angemeldet hat? Warum geschieht das sogar für Demonstrationen, die nicht einmal stattgefunden haben? Wer lässt diese Daten sammeln? Was hat er damit vor?

Aus den IVO-Akten anderer Personen wissen wir, dass bei Demonstrationen nicht nur die Inhalte von Plakaten akribisch notiert werden, sondern dass auch erfasst wird, wer diese sonst noch so gehalten hat. Das ist Gesinnungsschnüffelei in Reinkultur.

Diese Dinge sind nicht nur brisant, weil die polizeiliche Datensammelei überwiegend im Verborgenen abläuft und weil sie Informationen zusammenführt, die in ihrer Gesamtheit so nur staatlichen Stellen zugänglich sind. Diese Dinge sind auch selbst dann noch brisant, wenn sie Vorgänge betreffen, die ohnehin öffentlich bekannt sind, so z.B. der Besuch des Bundespräsidenten Horst Köhler im Kloster Marienthal, bei dem man Michael Grasemann als „Plakathalter“ erfasste. Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob ein Bürger selbst etwas über sich preisgibt oder ob ohne sein Wissen und Zutun Daten über ihn gesammelt werden. Und solche Angaben werden erst recht brisant, wenn sie aus unsicheren Quellen stammen, wie z.B. bei der „Spontandemonstration“ am 06.04.2008 vor dem Rathaus. Bitte: Schon morgen kann irgendjemand eine Demonstration gegen irgendetwas veranstalten und wenn die Polizei fragt, wer der Versammlungsleiter ist, dann sagt er halt, er tut das in Vertretung von Michael Grasemann.

Das letztgenannte Beispiel illustriert im Übrigen sehr gut die Leistungsfähigkeit der IVO. Die Streifenpolizisten sind am 06.04.2008 nur mit dem Namen „Grasemann“ in ihre Dienststelle zurückgekehrt. Doch mit der IVO-Datenbank konnten sie leicht herausfinden, dass wohl der polizeibekannte Waldschlößchenbrückengegner Michael Grasemann gemeint sein wird. Die Versuche des ostdeutschen Staatssicherheitsdienstes, mithilfe von Karteikästen und Aktenkilometern den Überblick über mutmaßliche Staatsfeinde zu behalten, muten vergleichsweise archaisch an. Heute können das über 12.000 Polizeibeamte in Sekundenschnelle in jeder Polizeidienststelle des Frei(?)staats Sachsen.

Wer nun glaubt, im Polizisten an der Ecke die Wurzel allen Übels zu erkennen, weil dieser nach dem Streifendienst seine gelegentlich etwas schlichten Geschichten vom „Bürger, der sich durch eine Tröte belästigt fühlte“ oder von „einer Mahnwache mit 13 Personen und einem Hund“ artig in seinen Computer eintippt, der sucht an gänzlich falscher Stelle. Die Streifenpolizisten sind die kleinsten Rädchen im ganzen Getriebe. – Nein, hier gilt wie auch sonst im Leben: Der Fisch stinkt vom Kopfe her.

Es darf nicht übersehen werden, dass alle IVO-Einträge zu Michael Grasemann mit Bezug zum Welterbe und zur Waldschlößchenbrücke Ereignisse der freien Meinungsäußerung und der politischen Willensbildung betreffen und dass es bei keinem dieser Ereignisse zu Straftaten kam. Alle Vorgänge haben den Status „normal abgeschlossen“, gleichwohl werden sie noch lange nicht gelöscht. Wenn diese Einträge demnach nicht zur Strafverfolgung dienen, können sie nur verwendet werden, um ein Profil von der politischen Orientierung des Bürgers Michael Grasemann zu erstellen. Das kann man getrost unterstellen, denn Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) antwortete auf die Anfrage eines Landtagsabgeordneten: „Die Errichtungsanordnung [der IVO-Datei] … wurde nicht veröffentlicht, um Einblicke in die Polizeiarbeit zu verhindern.“ Wenn Herr Buttolo also mittlerweile über 7 Millionen Datensätze über sächsische Bürger gesammelt hat, ohne zu verraten, wozu er das eigentlich tut, dann scheut er Transparenz wohl aus gutem Grund.

Es sind gerade die ostdeutschen Exponenten der CDU, die sich im zwanzigsten Nachwendejahr als die Gralshüter der Demokratie gerieren. Sie versuchen, die Zerschlagung des ostdeutschen Stasi-Staates als ihren persönlichen Verdienst darzustellen. Vor diesem Hintergrund wirkt es auf den ersten Blick widersinnig, wenn es gerade Mitglieder der CDU sind, die eifrig am Umbau Sachsens in einen Überwachungsstaat basteln. Es passt aber durchaus zum Bild eines Bundesinnenministers, der mit Verweis auf die Terrorabwehr eine lückenlose Telekommunikationsüberwachung einführte. Und es passt sehr gut zum Bild einer Bundesfamilienministerin, die mit Verweis auf die Bilder geschändeter Kinder eine Zensurinfrastruktur im Internet installieren lässt. Beide besitzen auch ein Parteibuch der CDU.

Es gibt mittlerweile viele, die meinen, dass Politiker solcher Couleur eine schwer wiegende Bedrohung für unsere Demokratie und unser gesellschaftliches Leben darstellen. Dazu zählen einige der amtlichen Datenschutzbeauftragten genau so wie ein Großteil der 30.000 Unterzeichner der Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung oder der 130.000 Mitzeichner der Bundestagspetition gegen Internetsperren.

Wer noch immer meint, PASS, IVO, Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren haben für ihn keine Relevanz, weil er weder gegen die Waldschlößchenbrücke ist noch mit Terroristen telefoniert oder im Internet nach Kinderpornos sucht und auch sonst glaubt, er habe ja nichts zu verbergen, der sollte sich eine ganz einfache Frage stellen:

Wie lange noch?


Hinweis: Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter www.akdatenbank.de.

Ein Beitrag von
Eva Jähnigen

Das Desaster um das Dresdner Welterbe war für mich einer der Gründe, derentwegen ich mich entschieden habe, für den sächsischen Landtag zu kandidieren. Im Landtag möchte ich insbesondere die zahlreichen Dresdnerinnen und Dresden vertreten, die sich über viele Jahre hinweg für das Welterbe in Dresden eingesetzt haben. Das Engagement dieser Bürgerinnen und Bürger wurde zunichte gemacht – die Regierungen von Freistaat und Bundesrepublik haben den Welterbetitel verspielt.

In Dresden gab es ein lang anhaltendes Tauziehen um die Waldschlösschenbrücke. Der Stadtrat hat – auch mit unseren grünen Stimmen – mehrere Beschlüsse gefasst, um den Bürgerentscheid von 2005 Welterbe-verträglich zu gestalten. Zuerst wurde eine etwas schönere und vor allem schmalere Brücke geplant, später die Umplanung der vierspurigen Querung zum Tunnel initiiert, inklusive eines entsprechenden Bürgerentscheids zum Erhalt des Welterbes.

Dem gingen viele Jahre Kampf mit dem Freistaat voraus. Der wollte nur diese Brücke und die nur an diesem Standort fördern. Die Stadt wurde unter Abwehr besserer Konzepte regelrecht erpresst. Damals stimmte die Dresdner SPD einer zweispurigen Brücke mit Straßenbahn zu. Jetzt wird eine autobahnartige Brücke gebaut …

Ausschlaggebend für diese Entwicklung war, dass der Bau sich nach den selbstdefinierten Förderkriterien des Freistaates an dieser breitesten Stelle der Elbe „rechnet“. Voraussetzung: Man prognostiziert ein riesiges Verkehrsaufkommen! Dass die Brücke gar nicht in das Dresdner Verkehrsnetz passt, spielte bei allen Diskussionen absurderweise keine Rolle. Mit all den Mitteln, die bis jetzt ohne großen Nutzen verschwendet wurden, hätte die notwendige Sanierung des Blauen Wunders, wie von uns Grünen vorgeschlagen, längst erledigt sein können!

Doch wieder einmal hat die Landespolitik den Dresdnern „dazwischengefunkt“: Im Sommer 2007, unmittelbar nachdem das Dresdner Welterbe auf die rote Liste kam, verpflichtete der Freistaat Sachsen die Stadt Dresden zur Vergabe der Bauverträge und damit de facto zum Bau der Brücke. Verantwortlich für dieses Vorgehen waren das Innenministerium von Albrecht Buttolo (CDU) und das nachgeordnete Regierungspräsidium Dresden. Die Stadt hat sich gegen diesen Zwang zum Brückenbau und die Einschränkung ihrer kommunalen Entscheidungshoheit bis vor das Bundesverfassungsgericht gewehrt, leider ohne Erfolg.

Die Fördermittel für den Brückenbau stammen aus dem so genannten Gemeindeverkehrsfinanzierungs-Gesetz. Sie wurden vorab vom Verkehrsministerium des Bundes pauschal zugesagt. Zu einem Überdenken der veralteten, verkehrsplanerisch aus den 90er Jahren stammenden Förderkriterien kam es nicht. Verantwortlich hierfür sind zwei SPD-Politiker: Bundesverkehrsminister Tiefensee und Landesminister für Wirtschaft und Verkehr Jurk. SPD-Politiker in Land und Bund forderten zwar immer wieder das Engagement für das Weltkulturerbe, scheuten dann jedoch die Konfrontation in der Regierungskoalition.

Vertreter des vom Vizekanzler Walter Steinmeier geleiteten Bundesaußenministeriums waren bei vielen Gesprächen zum Erhalt des Welterbes anwesend, in Dresden und andernorts. Die Beamten äußerten Besorgnis über die Situation und verhaltene Kritik am Vorgehen vor Ort. Zu einer offiziellen, politischen Aufforderung an den Freistaat Sachsen, das Welterbe zu erhalten und die Entscheidungslage zum Brückenbau zu verändern, kam es jedoch leider nie. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) qualifizierte die Entscheidungen um das Dresdner Welterbe gar gleich als „regionale Angelegenheit“ ab und ließ damit der Regierung von Milbradt und Jurk freie Hand.

Dabei war die Bundesrepublik Deutschland zu diesem Zeitpunkt schon unter Druck geraten: Die Weltkulturerberichtlinie der UNESCO ist Völkerrecht. Sie muss von den Vertragsstaaten umgesetzt werden. Unser wohlhabendes Land gehört zu den Ländern mit den meisten Welterbestätten weltweit. Aus Angst vor den sich daraus ergebenden Verpflichtungen ist die bindende Richtlinie bisher nur halbherzig umgesetzt wurden. Von Anfang an haben sich Bund und Länder gegenseitig die Verantwortung zugeschoben. Grüne Initiativen zur Umsetzung der Konvention fanden im Bundestag ebenso wie im sächsischen Landtag nicht die Zustimmung der jeweiligen CDU-SPD Koalition. Kein Wunder: Denn wäre, wie von uns Grünen vorgeschlagen, im Sommer 2008 das sächsische Denkmalschutzgesetz um das Schutzziel des Welterbes ergänzt worden, hätte dies Einfluss auf die gerichtliche Abwägung laufender Klagen gegen die Brücke gehabt!

Es gibt im deutschen Recht viele Möglichkeiten, baulich und ökologisch wertvolle Bereiche des früheren Welterbegebietes im Einzelnen zu schützen. Aber kein Schutzstatus verbindet die Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes so umfassend und klar mit denen des Denkmalschutzes und der baulichen Qualität wie die Welterberichtlinie. Dass die SPD jetzt im Dresdner Stadtrat beantragt, Elbhänge und Wiesen mit einer Denkmalschutzsatzung in der Fläche zu schützen, ist ehrenhaft. Ich werde diesem Antrag selbstverständlich zustimmen. Aber das ändert nichts am Versagen bei der Umsetzung der UN-Konvention und den damit verschenkten Möglichkeiten. Die Denkmalschutzsatzung ist dagegen nur ein schwaches Werkzeug.

Dresden hat sich ebenso wie Sachsen blamiert. Doch die Langzeitfolgen gehen darüber hinaus. Der Freistaat, hat bei der Anerkennung der UNESCO-Konvention versagt und seine Glaubwürdigkeit als Partner der UNESCO deutschlandweit und international verspielt. Andere Regionen Sachsens, die auf Tourismus setzen, wie die Sächsisch-Böhmische Schweiz oder die Montanregion Erzgebirge, hoffen noch auf den Erfolg ihrer Welterbebewerbungen. Auf die Regierung des Freistaates brauchen sie dabei nicht zu zählen. Die hielt es nicht einmal für notwendig, bei der letzten Sitzung des Welterbekomitees in Sevilla 2009 aufzutreten. Die Dresdner Oberbürgermeisterin musste allein den Kopf hinhalten.

Aus Sevilla kommend verkündete Helma Orosz, sie wolle nun in Stadt und Freistaat über eine Neubewerbung für den Welterbetitel mit der fertiggestellten Waldschlösschenbrücke diskutieren. Von Problembewusstsein oder Nachdenken über eigene Fehler – keine Spur. Dabei ist klar: Die besondere Schutzwürdigkeit des Dresdner Elbtals beruht aus Sicht der UNESCO gerade aus der Einheit von historischer Bebauung, vielfältiger Nutzung und erhaltener, naturnaher Landschaft.

Das traurige Beispiel des Dresdner Welterbes zeigt deutlich, wie sehr die Planungs-, Bau-, Denkmal- und Naturschutzpolitik von der sächsischen Landespolitik und der Praxis ihrer Behörden geprägt wird; beim Erteilen von Genehmigungen ebenso wie beim Verteilen von Fördergeldern. Neue Bewerbungen um den Welterbetitel haben nur mit einer anderen Politik eine Chance. Dafür möchte ich kämpfen.


Ohne Worte

Tunnelmania

von Johannes Hellmich

Die Nachrichten überschlagen sich seit gut zwei Wochen. Peter Ufer, inoffizieller Pressesprecher der Dresdner Oberbürgermeisterin, musste sich schon anstrengen, seinen Lesern das Brainstorming aus dem Rathaus zu erklären. Nachdem es zuletzt so aussah, als sei die sächsische Landeshauptstadt der einzige Ort, an dem Tunnelpläne im Allgemeinen und ein Elbtunnel im Besonderen geradezu zwangsläufig an Grundwasserspiegel, Immobilien, Umweltrecht und einer Million anderer Gründe scheitern müssten, der einzige Ort auch, wo einen schon der Gebrauch des vom Gallischen (!) tunna abgeleiteten Wortes der gesellschaftlichen Zurechnungsfähigkeit berauben konnte, ist – um mit Dr. Brauns zu sprechen – wieder einmal „alles anders“.

Nun werden von Baubürgermeister Marx großflächig Ideen ausgebracht, aus denen überall im Stadtgebiet Tunnel sprießen sollen wie dereinst Protestklos. Endlich kann er seinem Affen Zucker geben, nachdem mit Gerhard Ritscher einer der letzten grünen Verkehrsblockierer im Rathaus abserviert wurde. Das Mehrbrückenkonzept stand am Anfang einer Serie verhängnisvoller Eingriffe der Landesregierung in die Dresdner Kommunalpolitik. Dessen Aus exekutierte schließlich Herbert Wagner als devoter Vollstrecker mit der Festlegung auf den WSB-Standort. Eben diese Phantasterei der Herren Just und Kaiser scheint unverhofft fröhliche Urständ zu feiern. Nun also eine zweite Brücke am Körnerplatz. Auch ein Tunnel wird, darf man der Sächsischen Zeitung glauben, in der Stadtverwaltung nicht ausgeschlossen. Selbstverständlich taucht der Name Mücke wieder auf.

Geld spielt bei den geplanten verkehrlichen Segnungen freilich keine Rolle. Das hat natürlich ein wenig mit den anstehenden Wahlen zu tun. Der Aktionismus soll signalisieren: Bei der Union gibt es noch echte Visionäre. Nachdem Frau Orosz mit ihrem Parteifreund Köhler als Oberbürgermeisterin ein weiteres Mal gescheitert ist, bleibt ihrer konzeptionslosen Truppe nur die Flucht nach vorn. Spätestens in Sevilla hätte sie allerdings feststellen können, dass ihre Strategie der Konfrontation außerhalb ihres bisherigen Erfahrungshorizontes erfolglos bleiben muss. Dass ein Ausgleich mit einer überparteilichen Dresdner Intelligenzija in zentralen kulturellen, verkehrspolitischen und ökologischen Fragen unverzichtbar ist, sollten ihr Dresdner Parteifreunde inzwischen vermittelt haben. Über das Welterbe besser nicht mehr zu reden, wird kaum ausreichen.

Das Projekt Waldschlösschenbrücke erinnert dabei in Vielem an das Wohnungsbauprogramm der SED: ideologische Überhöhung einfacher Bedürfnisse (damals Wohnen, heute Mobilität), städtebauliche Fehlgriffe, Überdimensionierung, Verfall wertvoller Altbausubstanz, Kulturverachtung und die Unfähigkeit, konstruktive Kritik anzunehmen. Schließlich: Auch damals hat die Sächsische Zeitung euphorisch über Baufortschritte in Leuben, Prohlis und Gorbitz berichtet. Genutzt haben der SED die Plattensiedlungen letztlich nicht. In den nächsten Tagen wird in Leuben ein Sechzehngeschosser abgerissen. Der Rückbau sozialistischer Architektursünden ist inzwischen überall im Neubundesgebiet fast Normalität. Dass dabei oft genug das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Die Union hat das Desaster am Waldschlösschen unnötigerweise zu einer Grundsatzfrage gemacht. Sie kann deshalb nur grundsätzlich beantwortet werden. Es wäre weitsichtig von Dresdens Christdemokraten, die Schicksalsgemeinschaft CDU-WSB aufzulösen.

Weder Orosz, noch Marx, noch die gesamte Riege der Mobilitätsfanatiker in den Reihen von Union und FDP können dem Dresdner Grundkonflikt dauerhaft ausweichen. Und der liegt verschüttet unter den Abraumhalden, Fundamenten und Zufahrten am Waldschlösschen. Die Wiederherstellung der Elbwiesen als Teil einer Landschaft von Weltrang bleibt letztlich Voraussetzung für alle Kooperation.

Die Dresdner Welterbebewegung lädt alle Interessierten am Donnerstag, dem 20.08.2009, um 19:00 Uhr zu einer Informationsveranstaltung unter dem Motto „Wie weiter mit dem Welterbe?“ in den Festsaal des Dresdner Rathauses ein. Wir berichten über die Tagung des UNESCO-Welterbekomitees im Juni 2009 in Sevilla, über die juristische Situation des Bürgerbegehrens „Elbtunnel Dresden“ und des Klageverfahrens der Grünen Liga vor dem Oberverwaltungsgericht sowie über unser weiteres Engagement für das Dresdner Welterbe. Veranstalter sind:

  • Bürgerinitiative Welterbe Dresdner Elbtal
  • Fachrat Dresdner Welterbe
  • Forum für Baukultur e.V.
  • Grüne Liga Sachsen e.V.
  • Netzwerk Welterbestadt Dresden
  • Verein Bürgerbegehren Tunnelalternative am Waldschlößchen e.V.

Nachtrag: Wer selbst auf die Informationsveranstaltung aufmerksam machen möchte, kann sich das Plakat (eine pdf-Datei im Format A3/1.225 kB oder im Format A4/farbig/228 kB oder im Format A4/schwarz/weiss/702 kB) ausdrucken und aushängen.

Macht auf Wanderschaft

von Johannes Hellmich

Wenn es in deutschen Landen Orte gibt, an denen in traumloser Zeit Phantasie überleben konnte, dann ist Dresdens Neustadt eines dieser fast exterritorialen Gebiete. Hier findet jene freiheitsliebende, scheue Phantasie noch immer Schlupfwinkel für sich und ihre Nachkommenschaft. Hier kann sie ihren Verfolgern über bunte Hinterhöfe, Balkons und Dächer entkommen. Wie um das Kostbarste zu schützen, teilt sich das Gründerzeitareal in einen äußeren und inneren Bereich. Aber gerade im Allerheiligsten ist jenes Geschöpf besonders gefährdet. Die Domestikation der Kommune nach landläufigen Begriffen öffentlicher Ordnung konnte an dieser Stelle am erfolgreichsten durchgesetzt werden. Phantasie und Einwohner haben sich damit, so gut es geht, arrangiert. Sie leben weiter einträchtig zusammen. Ihre gemeinsame, wunderbare Sprache, ist der Traum.

Menschen von außerhalb geben manchmal viel Geld aus, um diese Sprache zu hören und das Wesen Phantasie zu sehen, obwohl beides in ihrem Leben sonst keinen Platz hat. Es kommt auch vor, dass sie die Phantasie umbringen, wo sie ihrer habhaft werden. Den Einwohnern des merkwürdigen Landes zwischen Albertplatz und Prießnitzgrund begegnen Auswärtige oft mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid, Misstrauen oder Verachtung. Die Fähigkeit zu träumen, gilt ihnen als gefährlich. Andernorts wurde diese unnütze Kunst längst unter Strafe gestellt. Ihre mühsamen Eingliederungserfolge grüner Phantasten müssen Sachsens Herrscher nun vielleicht allzu teuer bezahlen. Ende August könnte sich ein ururalter Traum erfüllen. Wie das gehen kann?

Der fromme, alttestamentarische Seher Daniel verstand die seltsame Sprache des Träumens besonders gut. Dem babylonischen König Nebukadnezar II. übersetzte er Traumgebilde, die naturgemäß um Regierungsangelegenheiten kreisten. Daniels geniale Deutungen wurden sogar zur Grundlage der bis in die Neuzeit weit verbreiteten Vier-Reiche-Lehre und zu einer der Säulen westlicher Geschichtsvorstellung. Zunächst nur als sinnstiftende Erklärung eines offenbar chaotischen Weltlaufes gedacht, instrumentalisierten Herrscher die Lehre später hemmungslos für eigene Machtgier. Daniels unspektakulär scheinende Traumdeutung verlor dennoch nichts von ihrer Kraft. Die translatio imperii wirkt als Idee weiter bis in unsere Tage.

Vier aufeinanderfolgende Weltreiche sollten danach eine Kontinuität weltlicher Herrschaft und göttlicher Heilsgeschichte bilden. Befristete Supermacht; verstanden als Teil eines göttlichen Masterplans, der himmlische Ordnung spiegelbildlich auch auf Erden schaffen sollte. Irdische Reichsherrschaft war jedoch untrennbar mit einem gewissen Gerechtigkeitsanspruch verbunden und war verwirkt, wenn negative Auswirkungen von Gewaltausübung ihre Segnungen dauerhaft überwogen. Gott selbst bestimmte die Weitergabe der Herrschaft über das Erdreich – dem Lauf der Sonne folgend – in einer Verschiebung von Ost nach West: Babylon, Persien, Griechenland und Rom. Westliches Überlegenheitsdenken hat hier maßgebliche Impulse erfahren. Weltende und anschließendes tausendjähriges Reich Gottes erwartete man nach dem Untergang des in Ost- und Westrom geteilten vierten Reiches. Erst im Jahre 1806 hatte Napoléon Bonaparte den deutschen Versuch, Rom weiter über die Zeit zu retten und so den Weltuntergang hinauszuschieben, beendet. Die Apokalypse folgte über einhundert Jahre später.

Die tiefe Gewissheit der Reichsübertragung hatte da längst an Bedeutung verloren. Vor allem die Unentschiedenheit darüber, wer zu Recht beanspruchen durfte, göttliches, also ewiges, fünftes Reich zu sein, stufte die Idee zur bloßen Legitimationskrücke eines schnöden Kolonialismus herab. Sowohl Frankreich, Spanien, England und Amerika fühlten sich als letzte Heilsbringer und Träger des Gottesgnadentums. Den katastrophalen Tief- und Endpunkt aller Reichsvorstellungen bildete der für tausend Jahre geplante NS-Staat inklusive seiner angestrebten Befreiung der Welt vom bolschewistischen Antichristen. Nachbeben der Reichsidee sind bis in die aktuelle Weltpolitik zu beobachten. Die Überschriften unter denen weltliche Ordnung hergestellt werden soll, klingen heute freilich etwas moderner; das Sendungsbewusstsein ist geblieben.

Aufblühen und Niedergang früherer Großreiche werden zum Glück längst in komplexen Zusammenhängen dargestellt. Eindimensionale Erklärungen können viele Widersprüche nicht auflösen. Dennoch: das Bild des wandernden Lichtes ist faszinierend und behält zumindest als Entwicklungsgedanke durchaus eine gewisse Berechtigung.

Parallelen zur Übertragungsidee sind auch in der neueren europäischen Politik und der deutschen insbesondere auszumachen. Auch hier gibt es so etwas wie ein Weiterwandern verantwortlichen Denkens. Auch hier waren es zunächst progressive, aufstrebende Kräfte, die am ehesten zukunftsweisende Antworten geben konnten. Die oft schmerzhafte Neuausrichtung von Verantwortung fiel freilich nicht immer zusammen mit tatsächlicher Macht der Protagonisten. Sowohl ein großer Liberalismus, der den verfassungsrechtlichen und freiheitlichen Grundlagen der Moderne zum Durchbruch verhalf, als auch jene gewaltigen Kräfte, für die soziale Fragen im Vordergrund standen, konnten ihre Forderungen nur teilweise, verspätet oder gar nicht durchsetzen. Auch hier zuerst ein Erstarken der Strömungen und Verdrängung durch nachfolgende. Mit dem Konservatismus, der mit Unterbrechungen Deutschland seit Jahrzehnten dominiert, haben sich neben Wirtschaftsstabilität und breitem Wohlstand zugleich auch restaurative Tendenzen verstärkt. Die translatio imperii wendet sich hier auch gegen scheinbar übermächtige bürgerliche Parteien, die unfähig bleiben, auf globalisierte Herausforderungen zu reagieren. Bei allen Schwächen sind es die Grünen, die für eine Kontinuität der Verantwortung stehen und eine konservative Phase in Deutschland langfristig am ehesten ablösen können.

Ob es bei den anstehenden Wahlen in Sachsen zu einem weiterreichenden Regierungswechsel kommt, ist eher fraglich. Auch wenn absolute Mehrheiten für Sachsens CDU zur Vergangenheit gehören; ein bürgerliches Übergewicht scheint für weitere Jahre sicher. Und doch: Beispiele für die Erschöpfung christdemokratischer Gestaltungskraft allein in Dresden gibt es zuhauf. Eigener Machterhalt und das Bewachen und Verteilen von Pfründen sind inzwischen letzte vitale Regungen einer ansonsten apathischen, fast moribunden Landespartei. Das Erstarken der forschen Freiheitlichen zeigt, dass die Union mit der Aufgabe eines positiven Wertkonservatismus (wie im ungelösten Welterbe- und Elbwiesenkonflikt) eigene Substanz nachhaltig beschädigt hat. Längst sind die Repräsentanten der Macht im Lande selbst Getriebene. Es gibt auch für Sachsens CDU keinen Grund, fast zwanzigjährige Herrschaft als eine Art fünftes Reich zu begreifen. Ihre Herrschaft schickt sich bereits an, auf Wanderschaft zu gehen.

Ende August hat es neben den Bewohnern der Altstadt ausgerechnet die bunte Schar der Wähler in Dresdens Norden in der Hand, bleierne christdemokratische Dominanz im Land aufzubrechen. Gelänge dies, wäre es für die demokratische Kultur in Sachsen ein großer Gewinn. Johannes Lichdi hat die Chance, als erster grüner Direktkandidat in den Sächsischen Landtag einzuziehen. Euphorie ist freilich fehl am Platze. Auch Grüne sind den vielfältigen Gefährdungen durch Macht ausgesetzt. Auch ihre Erneuerungskraft kann verschleißen. Grüne werden vermutlich die gleichen klugen Argumente lernen, mit denen man nötige Veränderungen verhindern kann. Noch aber steht ökologisch-demokratisches Handeln am Anfang eines langen Weges, der unser gemeinsamer ist. Johannes Lichdi muss unterstützt werden. Sein Engagement wahrt zudem die Möglichkeit, dass unsere Stadt mit einem Kompromiss am Waldschlösschen wieder zu sich finden kann. Kritisches Wohlwollen, aber auch manche Skepsis unter Welterbefreunden bleiben hier für Lichdis Arbeit unverzichtbar.

Sollten Wähler der SPD und der Linken Johannes Lichdi mit ihrer Erststimme helfen, das Direktmandat zu erreichen? Ist das auch eine Option für die Nachdenklichen unter den Unions-Anhängern? Die Antwort lautet beide Male: Ja.

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