Bautzner Straße vierspurig

von Tobias Friedhöfler

In der Sächsische Zeitung vom 25.11.2009 lesen wir unter der Überschrift „FDP fordert Ausbau der Bautzner Straße mit vier Spuren“:

Die Dresdner FDP fordert den vierspurigen Ausbau der Bautzner Straße zwischen Glacis- und Jägerstraße. „Der von der Stadt vorgelegte Plan für einen vierspurigen Ausbau der Bautzner Straße mit einer überbreiten Hauptspur ist die Variante, die allen Verkehrsteilnehmern noch am besten gerecht wird und ein guter Kompromiss“, sagt FDP-Fraktionschef Holger Zastrow. „Ein zweispuriger Ausbau und die damit verbundene Kapazitätsverringerung ist mit uns nicht zu machen. Für uns kommt nur ein autogerechter Ausbau der Bautzner Straße, ohne künstliche Staufallen infrage.“ Der Bau separater Radwege sei aufgrund der geringen Gesamtfahrbahnbreite illusorisch. „Da mit dem rechtselbischen Radweg in unmittelbarer Nähe eine sichere und komfortable Alternative zur Verfügung steht, halten wir dies ohnehin für unnötig.“ Grüne, SPD und Linke sprechen sich dagegen für eine Lösung mit zwei Spuren aus.

Holger Zastrow von der FDP kann man für seine klaren Worte nur dankbar sein: „autogerechter Ausbau“ – zu nichts anderem ist seine Fraktion willig und fähig. „Bauen mit Seele“, „mehr Grün“ – dafür warben FDP und CDU zur Kommunalwahl.

Jetzt ist nur ein „autogerechter Ausbau“ der Bautzner Straße das Ziel ihrer rückwärtsgewandten Politik. Die Kastanienallee entlang der Bautzner Straße müsste komplett abgeholzt werden, der Charakter des Viertels wäre nach den brutalen Kahlschlägen entlang der Stauffenbergallee, der Waldschlößchenstraße und an der Bautzner zwischen Jäger- und Fischhausstraße vollends hinüber.

Radfahrer und Fußgänger waren der vorgeschobene Grund, um bei der Elbquerung keinerlei Kompromisse mit der UNESCO zu machen. Nach „erfolgreich“ verlorenem Welterbetitel soll auf Kosten der Schönheit der Bautzner Straße – einer der eindrücklichsten erhaltenen deutschen Geründerzeitalleen – und zu Lasten von Radfahrern und Fußgängern die schnelle Fahrt mit PKWs von und in die Außenbezirke Vorrang haben. Lebensqualität, urbanes Leben in den Innenstadtquartieren wie der Neustadt, sozial- und umweltverträgliche Mobilität für alle Verkehrsteilnehmer geraten unter die Räder der automobilen Lobbyisten.

Die W-Brücke sollte doch entlastend wirken! Warum bitteschön brauchen wir dann den vierspuriger Ausbau der Bautzner und Königsbrücker Straße?

Hochwasserschutz mit Augenmaß

Die reguläre Monatsveranstaltung des Vereins Dresdens Erben e.V., eine weitere Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Welterbezentrum Dresden, widmet sich erneut dem Hochwasserschutz. Zu diesem Thema hat sich seit einiger Zeit eine Gruppe engagierter Bürger Dresdens zusammengefunden, die sich mit Alternativen zu stationären Hochwasserschutzanlagen beschäftigt, deren Realisierungschancen und Risiken im sensiblen Elbraum diskutiert.

Geplant ist eine Vortragreihe unter dem Titel „Hochwasserschutz mit Augenmaß“. Die Auftaktveranstaltung findet am 25.11.2009 um 19:00 Uhr im Fritz-Löffler-Saal des Kulturrathauses Dresden, Königsstraße 15, statt. Sie steht unter dem Thema: „Mobiler Hochwasserschutz in Köln. Weltweit einzigartige mobile Hochwasserschutzanlage – Ein Beispiel für Dresden?“

Als Referenten haben zugesagt:

  • Reinhard Vogt
    Leiter Hochwasserschutzzentrale Köln
  • Uwe Härtel
    stellv. Leiter Hochwasserschutzzentrale Köln
  • Dr. Stefan Dornack
    Referatsleiter Wasserbau,
    Landestalsperrenverwaltung Sachsen
  • Jens Seifert
    Leiter Abteilung Hochwasserschutz,
    Umweltamt Dresden
  • Andrea Schubert
    freiberufliche Diplom-Geografin

Ein mobiles Schutzsystem ermöglicht laut Hersteller die Erhöhung von Hochwasserschutzanlagen weitestgehend ohne Veränderung von Stadtbild, von Sicht- und Verkehrsbeziehungen zu und über den Fluss. Es erhält somit die Identität und den Reiz der Stadt, sowie die Attraktivität und Lebensqualität der flussanliegenden Immobilien.

Ziel ist es, die Erfahrungen, Vorteile und Risiken mit der von der Stadt Köln eingesetzten mobilen Hochwasserschutzanlage kennen zu lernen. Zur Sprache kommen sollen in Zusammenhang damit aktuelle Hochwasserschutzvorhaben der Stadt Dresden, die Chancen und Risiken des Einsatzes vollmobiler Hochwasserschutzanlagen, die Vor- und Nachteile von individuellen Maßnahmen und schließlich auch die Antwort auf die Frage, wie man Hochwasser effektiv vorbeugen kann.

Sanierung der Albertbrücke

ein Beitrag von
Eduard Zetera

Mit einer Pressemitteilung vom 17.11.2009 informiert uns die Landeshauptstadt darüber, dass sich der Zustand der Albertbrücke – offensichtlich völlig überraschend – stark verschlechtert hat. So heißt es:

Im Ergebnis der gesetzlich vorgeschriebenen Brückenhauptprüfung, die für die Albertbrücke im Juli 2009 stattfand, wurden gravierende Schäden festgestellt, die ein umgehendes Handeln erforderlich machen. Vor allem die Randbereiche der Brücke sind gefährdet. Das Gewölbe an sich ist stabil.

Im Rahmen von „Sofortmaßnahmen“ wird es demnach bereits ab dem 23.11.2009 zu erheblichen Einschränkungen für den Fußgänger-, Radfahrer- und Autoverkehr kommen, weil „wegen ungenügender Verankerung der Geländer die Absturz- und Anprallsicherheit nicht mehr gewährleistet ist“ und „Risse in Sandsteinen und Brüstungen die Gefahr bergen, dass diese in Teilen abzustürzen drohen.“

An der Pressemitteilung verwundert nicht nur, dass die Prüfung zwar schon im Juli stattfand, ihre Ergebnisse aber erst jetzt, im November, hektische Betriebsamkeit auslösen, obwohl offensichtlich erhebliche Gefahren bestehen. Soviel zur städtischen Interpretation des Terminus „umgehend“.

Es verwundert auch, dass durch die gesamte Vorgehensweise der Stadtverwaltung und durch Begriffe wie „Sofortmaßnahmen“ der Eindruck erweckt wird, dass alles käme völlig überraschend. Das jedoch ist nicht der Fall, wie die folgende Korrespondenz belegt:

Anfrage vom 20.10.2004
von Janina Hohlblock
an das Straßen- und Tiefbauamt

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte Sie fragen, ob Sie mir einige Informationen zum Zustand der Albertbrücke mitteilen können? Da ich täglich die (Salz?)Krusten unter der Brücke sowie die Absperrungen auf der Brücke sehe, möchte ich gern wissen, wie bedrohlich deren Zustand wirklich ist. Ist die Brücke noch sicher, obwohl viele Randsteine locker scheinen bzw. schon fehlen? Kann es passieren, daß man die Brücke sperren muß? Sind demnächst Reparaturen nötig bzw. werden welche durchgeführt?

Über eine ausführliche Antwort würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Janina Hohlblock

Antwort vom 27.10.2004
vom Straßen- und Tiefbauamt
an Janina Hohlblock

Sehr geehrte Frau Hohlblock,

mit Freude habe ich Ihre Anfrage erhalten, zeigt Sie doch das Interesse der Bürger an den Ingenieurbauten unserer Stadt. Wie Sie richtig beobachtet haben ist der Bauzustand der Albertbrücke schlecht. Dies ist vor allem auf die inzwischen nahezu völlig wirkungslose Dichtung zurückzuführen, was wiederum eine starke Durchfeuchtung und die von Ihnen beobachteten Aussinterungen und Ausblühungen bedingt. Die Standsicherheit der Brücke wird dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. Die Brücke wird regelmäßig geprüft und überwacht. In Anbetracht der Tatsache, dass zur Erhaltung des Bauwerkes alsbald eine grundhafte Instandsetzung erforderlich wird, werden zur Zeit nur noch die dringendsten Sicherungsmaßnahmen ausgeführt. Das heißt, die Brücke wird in regelmäßigen Abständen auf Hohlstellen und absturzgefährdete Teile untersucht. Diese werden dann abgeschlagen, gesichert oder wo dies möglich ist, werden gefährdete Bereiche abgesperrt. Dies ist zwar für das äußere Erscheinungsbild der Brücke sehr nachteilig, aber in Anbetracht eines effizienten Einsatzes der öffentlichen Mittel unerlässlich. Zur Zeit läuft das Ausschreibungsverfahren für die Planung der Brückeninstandsetzung. Der Bau soll im Jahr 2006 erfolgen.

Mit freundlichen Grüßen

Holm Kolbe
Straßen- und Tiefbauamt

Rückfrage vom 27.10.2004
von Janina Hohlblock
an das Straßen- und Tiefbauamt

Sehr geehrter Herr Kolbe,

für Ihre freundliche Antwort möchte ich mich herzlich bedanken. Sie schreiben, daß eine Instandsetzung für 2006 vorgesehen ist, also kann man davon ausgehen, daß die bis dahin regelmäßig durchzuführenden Sicherungsmaßnahmen ausreichen werden, damit jeglicher Verkehr ohne Sperrungen weiterfließt. Und wie wird dann die große Instandsetzung durchgeführt? Muß dafür die Brücke zeitweilig ganz gesperrt werden oder wird die Sanierung halbseitig durchgeführt wie bei der Marienbrücke? Und noch eine letzte Frage: Haben Sie schon eine Zusage für die nötigen finanziellen Mittel erhalten bzw. wer muß diese Mittel bewilligen?

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen

Janina Hohlblock

Rückantwort vom 08.11.2004
vom Straßen- und Tiefbauamt
an Janina Hohlblock

Sehr geehrte Frau Hohlblock,

für die Instandsetzung der Albertbrücke sind die ersten Planungsphasen finanziell gesichert.

Im Rahmen dieser Planung werden die notwendigen Details zur Bauausführung erarbeitet. Erst auf dieser Grundlage ist eine Beschlussfassung zur Bereitstellung der Finanzen für den Bau durch den Stadtrat möglich.

Auch die Verkehrsführung während der Bauzeit muss zunächst planerisch untersetzt werden. Die Aufgabenstellung an die Planer lautet allerdings, möglichst über die gesamte Bauzeit zwei Fahrspuren auf der Brücke offen zu halten, analog dem Vorgehen bei der Instandsetzung der Marienbrücke.

Mit freundlichen Grüßen

Holm Kolbe
Straßen- und Tiefbauamt

Betrachtet man diese Korrespondenz – welche dieser Tage ihren 5. Geburtstag feierte – vor dem Hintergrund der aktuellen Vorgänge um die Albertbrücke und ruft sich die Auseinandersetzungen um den Bau der Waldschlößchenbrücke in Erinnerung, fällt eines auf: Der Stadtverwaltung ist einerseits jedes Mittel recht, um fragwürdige Großbauvorhaben voranzutreiben, andererseits lässt sie ganz offensichtlich zentrale Teile der bestehenden Verkehrsinfrastruktur sehenden Auges verrotten.

Es ist in dieser Hinsicht im übrigen unerheblich, in welchem zeitlichen Zusammenhang die überfällige Sanierung der Albertbrücke zur geplanten Fertigstellung der Waldschlößchenbrücke steht. Die Entlastungswirkung der Waldschlößchenbrücke könnte nie so groß sein, dass eine Sanierung der Albertbrücke ohne negative Auswirkungen für den innerstädtischen Verkehr bliebe. Es fragt sich nur, ob dennoch in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden soll, dass durch Verzögerungen beim Bau der Waldschlößchenbrücke (wodurch auch immer sie veranlasst wurden) nun die Probleme der Albertbrücke eskalieren. Genau das ist nämlich nicht der Fall: Hätte man, wie im Jahr 2004 geplant, die Albertbrücke planmäßig im Jahr 2006 instandgesetzt, wäre es zumindest nicht zu den Beeinträchtigungen gekommen, die wir nun wegen der „Sofortmaßnahmen“ zusätzlich erfahren werden.

Die eingangs zitierte Pressemitteilung der Stadt schließt mit dem Satz: „Erst mit der Inbetriebnahme der Waldschlößchenbrücke wird sich die Verkehrslage wieder entspannen.“ Das wäre wohl zu erwarten. Es erscheint nur bezeichnend, dass es scheinbar künstlich erschaffener Verkehrsprobleme bedarf, um zumindest für den Zeitraum der Inbetriebnahme der Waldschlößchenbrücke die Entlastungswirkung wahrnehmbar werden zu lassen, welche ein zentrales Argument der Rechtfertigungslehre unserer Brückenapologeten ist.


Anmerkung: Die Namen der Autoren der oben zitierten Schreiben haben wir geändert, um evtl. für sie aus der Veröffentlichung der Korrespondenz entstehende Nachteile zu vermeiden.

Hundehäufchen

aufgelesen von
Eduard Zetera

In der SZ vom 02.11.2009 lesen wir unter der Überschrift „Welterbe kein Thema – CDU-Fraktion richtet Fokus auf Ordnung und Sauberkeit“:

Die CDU-Fraktion im Stadtrat hat sich gegen eine neuerliche Bewerbung Dresdens um einen Welterbe-Titel bei der Unesco ausgesprochen. „Wir sehen dafür im Moment keine Grundlage und würden gegenwärtig einen neuen Antrag nicht unterstützen“, hieß es im Ergebnis einer Klausurtagung, zu der Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) und die Fach-Bürgermeister die Fraktion am Donnerstag und Freitag nach Kirschau in der Oberlausitz eingeladen hatte. „Der mögliche Gegenstand für eine Bewerbung ist nicht klar und wir können auch nicht den Wunsch der Dresdner nach einer erneuten sofortigen Bewerbung erkennen“, teilte die Fraktion am Sonntag mit.

Dafür wollen die Christdemokraten aber die „Ordnung und Sauberkeit“ in Dresden als Schwerpunktthema auf die Tagesordnung des Stadtrats heben. Die Fraktion will dafür ein „Lokales Handlungsprogramm für Ordnung und Sauberkeit im öffentlichen Raum“ beantragen. Es gebe immer wieder Bürgerbeschwerden dazu, erklärte Fraktionssprecher Helfried Reuther. Auch die Politessen könnten mehr zu einem ordentlichen Stadtbild beitragen. Es gehe zum Beispiel nicht an, dass die Knöllchenverteiler auf der einen Straßenseite Parksünder abstrafen, während 30 Meter weiter jemand illegal Plakate aufhänge oder Graffitis an Wände schmiere und davon komme.

In der gleichen Ausgabe der SZ wird diese Nachricht unter der Überschrift „CDU fehlt die Vision für eine Kulturstadt – über die CDU, die keinen Unesco-Titel mehr will“ von Peter Ufer wie folgt kommentiert:

Die CDU-Fraktion des Dresdner Stadtrates spricht klar aus, was sie will. Das muss man ihr positiv bescheinigen. Schließlich bekennen sich die Christdemokraten eindeutig zu Ordnung und Sauberkeit in der Stadt, aber gegen den Weltkulturerbetitel der Unesco. Sie wollen ihn nicht.

Damit verabschiedet sich die Fraktion endgültig von der Vision Dresdens als Weltkulturstadt. Sie kümmert sich lieber um die Beseitigung von Hundehaufen in der Neustadt. Das ist eine klare Profilierung. Kompliment. So viel Provinzialismus ist selten. Außerdem fällt die Fraktion damit der CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz in den Rücken, die eine erneute Bewerbung Dresdens bisher befürwortete.

Nach dem Verlust des Weltkulturerbetitels im Sommer in Spanien verkündete Orosz mit Stolz, dass die Unesco Dresden den Welterbestatus nicht endgültig abgesprochen habe. Damit gab es Hoffnung, dass die Stadt weiterhin in der Weltliga der Kulturstädte mitspielen könne. Das wird jetzt immer schwerer.

Offensichtlich hat es die CDU verpasst, sich darum zu kümmern, Kultur-Visionen für Dresden zu entwickeln. Das ist bitter. Das Kulturprofil zeichnet Dresden aus und macht die Stadt im Wettbewerb mit anderen europäischen Städten unverwechselbar. Wer das nicht erkennt, kennt Dresden nicht.

Diesem Kommentar kann man in der Sache nur zustimmen – und trotzdem hinterlässt er beim Leser einen faden Beigeschmack: Gerade die SZ hat in der Vergangenheit all zu oft die unsäglichen Einlassungen der CDU-Lokal- und -Landespolitiker, mit denen das Verhältnis zwischen Dresden und der UNESCO systematisch beschädigt wurde, unreflektiert wiedergegeben. Arroganz wurde so zu einer neuen Form von Selbstbewusstsein umgedeutet, Provinzialismus wurde in Dresden zum (Wahl-) Programm. Die SZ mag nicht der Urheber dieses Gedankenguts sein, gleichwohl hat sie es bereitwillig unter die Leute gebracht. Damit hat die SZ genau das Meinungsbild in Dresden mit geschaffen, welches die CDU aufgreift und dessen Defizite nun vom Hause Ufer beklagt werden.

Unsere Lokalpolitiker sind dabei, das Bild von Dresden als einer Weltkulturstadt systematisch zu demontieren. Dass sie dabei gut vorankommen, kann man inzwischen nicht nur am Verlust des Weltkulturerbetitels ablesen, sondern auch an dem Versuch, in Dresden ein Weltkulturforum zu installieren, der jüngst in einem Debakel endete. Wenn aber Herr Ufer heute darüber Krokodilstränen vergießt, dann ist das zuallererst eines: scheinheilig.

von Wilfried Hanisch

In der Zeit vom 15. Oktober erschien ein Artikel von Florian Illies, der sich mit dem möglichen Wechsel von Christian Thielemann nach Dresden befasste. Es mag ja Leute geben, die sich dadurch geschmeichelt fühlten, ich wollte es aber nicht unwidersprochen lassen und habe einen Leserbrief geschrieben der am 29. Oktober, etwas gekürzt, veröffentlicht wurde.

Leider sind bei der durchaus fairen Kürzung wichtige Passagen verlorengegangen. Deshalb veröffentlichen wir hier die vollständige Fassung.

Eine kleine Blütenlese

von Wilhelm Friedemann

Was ist normal?

Die Wochenzeitung Die Zeit möchte in der Zukunft eine spezielle Beilage für Sachsen herausgeben. Das nimmt die Sächsische Zeitung zum Anlass ein Interview mit dem Chefredakteur Giovanni di Lorenzo zu machen. Darin findet sich die folgende interessante Passage:

Giovanni di Lorenzo: Die meisten neuen Leser haben wir in den letzten Jahren unter Studenten gewonnen. Außerdem gibt es eine selbstbewusste, gut gemischte bildungsbürgerliche Schicht in Ostdeutschland, für die wir uns natürlich sehr interessieren.

Sächsische Zeitung: Für die normalen Ossis interessieren Sie sich also nicht?

Giovanni di Lorenzo: Ich bitte Sie: Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass ein gebildeter und neugieriger Mensch kein normaler Ossi sein kann!

Ich habe schon immer die Vermutung gehabt, dass es einigen Dresdner Zeitungen an Achtung vor ihren Lesern fehlt. Aber so deutlich wie hier wollte ich es eigentlich nicht bestätigt bekommen.

Man könnte über die Denkweise der SZ lächelnd hinwegsehen, wenn sie nicht Ausdruck eines grassierenden Minderwertigkeitskomplexes wäre. Möglicherweise ist der bei den Fragestellern auch berechtigt.

Oh dieser Ungehorsam!

Besonderes Mitleid mit Herrn Marx ist gewiss unangebracht. Da macht mir der Herr Wagner viel mehr Sorgen. Wird er doch in der Sächsischen Zeitung so zitiert:

Alt-OB Herbert Wagner nannte die Kritiker in den eigenen Reihen Aufschneider und Prahlhänse. Er verurteilte auch das Verhalten des Baubürgermeisters Jörn Marx, der auf dem Parteitag nicht erschien, scharf. Die „Ungehorsamen im Amt“ dürften nicht länger „Hü“ sagen und „Hott“ machen.

Auch hier ist die Deutlichkeit auffallend, mit der die Musterdemokraten der CDU auf „Gehorsam“ setzen. Das ist doch eigentlich keine demokratische Kategorie!

Wie geht es weiter?

Auch die Chefin der CDU-Stadtratsfraktion, Christa Müller, kritisierte Marx. Dessen Geschäftsbereich brauche einen starken Chef, der jetzt mit eisernem Besen durchkehren müsse.

Wenn das keine Drohung ist! Aber Gehorsam muss eben durchgesetzt werden! Wird es jetzt Haue geben? Nein:

„Wir sind heute nicht mehr die Betonköpfe von einst, und das dürfen wir auch nie wieder werden“, sagte Müller. „Die CDU muss sich aber jetzt verlässliche Partner in der Sache ins Boot holen. Dafür müssen wir freundlicher und kompromissbereiter werden.

Ob Frau Müller das gelingt? Warten wir es ab! Aber der Beton liegt immer noch in den Elbwiesen. Da könnte sie doch zeigen, dass sie wirklich kein Betonkopf mehr ist.

Versuchen Sie es doch einmal Frau Müller!

Am 11.11.2009 um 19:00 Uhr findet im Fritz-Löffler-Saal des Kulturrathauses, Königstraße 15, die Veranstaltung „Vom ‚Leid-Bild‘ zu ‚zukunftsorientierten Leitgedanken‘ für die Stadtentwicklung“ statt.

Viele Dresdner sind angesichts leidvoller Erfahrungen mit Planungen der Vergangenheit, ob sie nun die Ödnis innerstädtischer Plätze oder überdimensionierte Verkehrsprojekte betreffen, eher skeptisch. Doch gibt es genügend planerische Vorstellungen, die aufzugreifen sich lohnt.

Die Diskussionsgrundlage wird Prof. Jürg Sulzer (Leiter des Instituts für Stadtumbau und Stadtforschung der TU Dresden und des Kompetenzzentrums Revitalisierender Städtebau in Görlitz) bieten. Als gebürtiger Schweizer, der viele Jahre in der Stadtplanung von Bern tätig war, kann Professor Sulzer insbesondere auch über Formen bürgerschaftlicher Teilhabe berichten, die für eine kontinuierliche Stadtentwicklung unentbehrlich ist.

Ein offener Brief
des Künstlerbund Dresden e.V.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin!
Sehr geehrte Damen und Herren des Stadtrates!
Sehr geehrte Damen und Herren der Medien!

Erstmals in seiner zwanzigjährigen Geschichte ist der Künstlerbund Dresden e.V. aufgrund durch die Boulevard-Presse erzeugten Drucks zu einer Zensur gezwungen.

Es ist die BILD-Zeitung, die im konkreten Fall mit angeblicher Empörung Moralapostel spielt, die aber selbst genüsslich die inzwischen allgemein bekannte Abbildung der Künstlerin Erika Lust in viel größerem Stil veröffentlicht. Dabei wird übersehen, dass der Grund des Anstoßes bereits Monate lang auf anderen Homepages zu sehen war. Gleichzeitig lassen sich Stadträte von der BILD-Zeitung instrumentalisieren und empören sich spontan, ohne vorher beide Seiten anzuhören und anstatt den Journalismus der BILD-Zeitung strikt abzulehnen.

Der Künstlerbund Dresden gerät nun ins Kreuzfeuer, obwohl die Künstlerin und die BILD-Zeitung die eigentlichen Adressaten der Kritik sind. Hiermit bitten wir, unserer Stellungnahme dazu größte Aufmerksamkeit zu widmen:

Der Künstlerbund Dresden nimmt auf die künstlerischen Werke und Aussagen seiner Mitglieder keinen Einfluss. Es wird gebeten, Kritik an Werken von Künstler/inne/n diesen direkt vorzutragen. Als Veranstalter des offenen ateliers bietet der Künstlerbund Dresden den organisatorischen Rahmen für die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler. Dazu gehört auch die bewerbende Homepage. Jede/r Künstler/in stellt sich eigenverantwortlich vor.

Der Künstlerbund Dresden hält sich konsequent an das Grundrecht der Freiheit der Kunst und unterlässt jegliche Zensur. Der Künstlerbund Dresden hat kein Interesse daran, Personen und Persönlichkeiten in schlechtes Licht zu rücken oder zu verunglimpfen. Die Beurteilung, wo das Grundrecht der künstlerischen Freiheit aufhört und das Grundrecht des Schutzes einer Person beginnt ist eine verfassungsrechtliche und kann vom Künstlerbund Dresden grundsätzlich nicht geleistet werden. Sie muss zwischen den Betroffenen und den Künstler/inne/n direkt – im Zweifel sogar gerichtlich – geklärt werden.

Der Künstlerbund appelliert an Künstler/innen, welche Abbildungen auf die Homepage der offenen ateliers stellen und damit Unmut hervorrufen, die jeweiligen Abbildungen zu entfernen. Verweigern dies die Künstler/innen, müssen wir bitten, dies aus den genannten Gründen der Kunstfreiheit nicht zum Nachteil des Künstlerbundes zu bewerten, sondern die Kritik an den Künstler/inne/n zu üben und zur Findung einer Lösung unmittelbar diese zu kontaktieren.

Der Künstlerbund Dresden e.V. lehnt in dieser Situation Beifall von Brückengegnern ab. Gleichzeitig geben wir unserem Entsetzen darüber Ausdruck, dass zwanzig Jahre nach bestem Wissen und Gewissen geleistete und gewürdigte Arbeit für die Künstlerinnen und Künstler dieser Stadt und für die Stadt Dresden selbst aufgrund eines in klassischer Boulevard-Presse-Methodik dargestellten Sachverhaltes in Frage gestellt wird.

Mit freundlichen Grüßen
Der Vorstand.
A. Kristine Schmidt-Köpf

Ein Beitrag
in sz-online.de
vom 08.11.2009

Die Dresdner Stadträtin Ulrike Hinz sieht die DDR 20 Jahre nach dem Mauerfall quasi durch die Hintertür wieder zurückkehren. Hintergrund ihres am Sonntag formulierten Protestes ist der Streit um ein Gemälde, auf dem Künstlerin Erika Lust die Dresdner CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz nackt mit Amtskette darstellte. Titel des Bildes: „Frau Orosz wirbt für das Welterbe“. Lust hatte so gegen die umstrittene Waldschlößchenbrücke Stellung bezogen, wegen deren Bau dem Dresdner Elbtal der Welterbetitel entzogen wurde. Der Dresdner Künstlerbund hatte das Orosz-Bild von seiner Internetpräsenz entfernt, weil er die Streichung öffentlicher Mittel befürchtete.

„Der 20. Jahrestag der friedlichen Revolution wird in diesen Tagen bei allen Gelegenheiten in Feierstunden begangen, aber in diesem ungeheuerlichen Vorgang kehrt das alte System aus Zensur und Repression durch die Hintertür zurück“, schrieb die parteilose Hinz, die für die Grünen im Stadtrat sitzt. Politik und Künstlerbund hätten der Kunststadt Dresden „mit dieser Ungeheuerlichkeit einen Bärendienst erwiesen und wieder einmal gezeigt, dass Weltoffenheit zur Provinzposse zu verkommen droht“. Lust hatte Orosz im Sommer schon einmal als Domina porträtiert – Titel: „Die Auspeitschung der Rathaus-Fürsten“.


Webseite der Künstlerin: www.erika-lust.de

Brief an Nancy Pelosi

ein Beitrag von
Johannes Hellmich

Nun also hat Angela Merkel im Kongress vor beiden Kammern gesprochen. Ein bisschen Frieden, Klima natürlich und ganz viel Dankbarkeit. Der weite Weg, den die Kanzlerin stellvertretend für die Ostdeutschen gegangen ist: Wer hätte je gedacht … Standing Ovations für eine Ruckrede der Verantwortung. Wie weit trägt sie über den Tag hinaus?

Vielleicht braucht das transatlantische Beziehungsgeflecht tatsächlich von Zeit zu Zeit symbolische Bestätigungen. Die Achtung der gemeinsamen humanistischen Werte, die nicht immer auch ihre politische Entsprechung findet, lebt von der Einhaltung lange erprobter Regeln und Vereinbarungen zwischen Völkern. Eine Verletzung dieser gemeinsamen Grundhaltungen hat in der Vergangenheit die Beziehungen zwischen westlichen Demokratien mehrfach empfindlich gestört. George W. Bush hat hier einen globalen Scherbenhaufen hinterlassen. Die neue amerikanische Regierung versucht gerade intensiv, weltweit verlorengegangenes Vertrauen in gemeinsame Werte wiederzugewinnen. Mit der Missachtung der Welterbekonvention hat auch Deutschland diese Wertegemeinschaft schwer brüskiert. In Sevilla waren es Amerikaner, die sich für eine Streichung des Dresdner Elbtales aussprachen.

Ausgerechnet Merkels Besuch in Amerika bietet eine kleine Chance im Ringen um einen Kompromiss am Waldschlösschen und damit einer Wiedergutmachung des entstandenen Schadens. Der in den USA lebende Nobelpreisträger Günter Blobel hat sich deshalb mit der Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi in Verbindung gesetzt mit dem Ziel, von Angela Merkel Vertragstreue und Umkehr zu internationalen Standards einzufordern. Angela Merkel könne eine Wendung schaffen und die nationale Würde Deutschlands wiederherstellen. In einem Brief an Mrs Pelosi hat Professor Blobel die Konsequenzen des Welterbekonfliktes noch einmal eindringlich dargestellt.

Ob sich aus dieser Initiative die von Angela Merkel lange versprochene Moderation im Welterbekonflikt entwickeln kann, ist ungewiss. Wichtig ist, die Kanzlerin immer wieder auch an ihre Zusagen zu erinnern. Treueschwüre wie im Congress reichen für die Akzeptanz der gemeinsamen Werte nicht aus. Wir veröffentlichen den Brief im Wortlaut.

« Neuere Artikel - Ältere Artikel »