Literaturempfehlung

von Johannes Hellmich

Einen ganz anderen Zugang zur deutschen Vereinigung findet F. C. Delius mit seiner Erzählung „Die Birnen von Ribbeck“. Der Birnbaum aus Fontanes berühmter Ballade wird Ausgangspunkt für den atemlosen Monolog eines brandenburgischen Bauern. Nach vielfachen Brüchen in seinem Leben versucht er sich im wiedervereinigten Deutschland zurechtzufinden. Gegen Versuche, Erinnerung zu begradigen, abzureißen, unterzupflügen, zu vermarkten, setzt er sich verzweifelt zur Wehr. Dieses Buch hat bereits seine 9. Auflage erlebt und ist so aktuell wie 1990 ff.

Friedrich Christian Delius
Die Birnen von Ribbeck
Rowohlt Verlag
Taschenbuch, 80 Seiten
ISBN 978-3-499-13251-3
EUR 4,95

ein Aufruf der
Grünen Liga Sachsen e.V.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Sächsische Staatsregierung plant, den Baumschutz in den Städten und Gemeinden per Gesetz abzubauen.

Die Grüne Liga engagiert sich in vielfältigen Projekten für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt. Insbesondere Bäume prägen das Orts- und Landschaftsbild, tragen zum Klimaschutz bei und verbessern die Lebensqualität.

Wie es ist, wenn Bäume rücksichtslos gefällt werden, mussten wir erleben, als der gesamte Baumbestand auf den Zubringerstraßen zur Waldschlößchenbrücke abgesägt wurde. Jetzt soll der Schutz von Bäumen auf Wohngrundstücken ersatzlos gestrichen werden.

Das geplante Gesetz soll bereits im April 2010 in Kraft treten – darum ist höchste Eile geboten! Wir möchten 10.000 Unterschriften gegen die Gesetzesinitiative von CDU und FDP sammeln und dem Sächsischen Landtag übergeben.

Bitte informieren Sie sich und unterzeichnen Sie die Petition „Für die Beibehaltung der Baumschutzsatzungen“ auf unserer Internetseite www.baumschutz-petition.de.

Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen
und den besten Wünschen
für eine frohe Weihnachtszeit

Grüne Liga Sachsen e.V.

von Johannes Hellmich

Arnold Vaatz macht wieder einmal von sich reden. Wenn nicht die Demokratie in Gefahr ist, wie er sie versteht, wenn keine UNESCO-Diktatur droht und die gemaßregelten totalitären Eliten folgsam schweigen, muss es um mehr gehen. In seiner Partei wächst das Bedürfnis nach sichtbaren Zeichen ihrer langanhaltenden Macht. Eben erst haben sich die Protagonisten der Unionsherrschaft sächsische Verdienstorden zugeteilt, den berühmten Dankesorden wird demnächst Kurt Biedenkopf bekommen. Auch die geplante Ehrenbürgerschaft Kohls gehört zum Wunsch nach Etikettierung politischen Erbes, wie wir sie aus vorangegangenen Systemen zur Genüge kennen. Eine schwache Opposition soll ebenso wie die ungefragten Dresdner die neu erwachte Begeisterung der Union für Symbolik unterstützen. Dagegen gibt es Widerstand.

Für einen Polarisierer wie Arnold Vaatz reduziert sich Demokratie auf den Kampf um Mehrheiten. Einvernehmliche Lösungen im Interesse aller sind nicht seine Sache. Seine Meinungsführerschaft in der sächsischen Union beruht auf ideologischer Abgrenzung und einfachen Freund-Feind-Schemata. Wie kein anderer hat er die demokratische Kultur in Dresden nachhaltig beschädigt. Wie kein anderer ist seine Vita mit dem Selbstverständnis der sächsischen Union verknüpft. Für sie hat er sich in gewisser Weise geopfert: Aus dem gehätschelten Enfant terrible der Konservativen ist ein geifernder Wiedergänger McCarthys geworden, der geistigem Leerlauf und Machtembolie seiner Partei nun mit einer Flucht ins Historische entkommen will. Der ehemalige Hoffnungsträger kämpft damit auch um sein politisches Vermächtnis. Helfen soll ihm kein Geringerer als Helmut Kohl. Es trifft sich gut, dass auch der Altkanzler die Demütigung kennt, wenn alle Verdienste plötzlich nichts mehr gelten sollen, wenn das eigene Lebenswerk zur Beute von Abrechnern und journalistischer Resteverwertung wird. Auch Vaatz ist bundespolitisch inzwischen ohne Bedeutung. Die Gelegenheit der Wende- und Einheitsfeierlichkeiten ist für eine Rückmeldung günstig, Helmut Kohl vermutlich über jede Zuwendung erfreut. Für eigene Geschichtsverklärung kann Kohl seinerseits auch Vaatz gebrauchen. Dresden soll für diese Notgemeinschaft zur Kulisse werden. Wie so oft bei Vaatz, mischen sich Wahrheit und Lüge hinter scheinbar klarer Ansage auf kaum entwirrbare Weise. Denn er hat ein Problem: Jene Partei, die sich als Bringerin der deutschen Einheit sieht, ist zugleich die Partei der deutschen Teilung. Vierzig Jahre Unfreiheit wurden möglich, weil Kohls Übervater das Hemd näher war als die Jacke.

Das Jawort zur deutschen Einheit gaben sich Volk und Kanzler im Dezember 89 an der Frauenkirche zweifelsohne. Für Kohl dürfte die jubelnde Menge emotionaler Höhepunkt seines politischen Comebacks gewesen sein. Die Dresdner verabschiedeten an jenem Abend einen entgeisterten Hans Modrow zusammen mit seinem Traum von der erneuerten DDR und wählten Kohl per Akklamation. Der Rest war Formsache. Nach christdemokratischer Lesart begann bekanntermaßen mit der Einheit ein gewaltiges Aufbauwerk, das in Dresden nun seinen Schlussstein erhalten soll – die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den Altkanzler. Vaatz hat recht: An jenem 19. Dezember wurde Geschichte geschrieben. Aber welche?

Sicher: Die Einheit, die für die meisten anwesenden Dresdner weniger eine nationale Frage war, als eher eine Hoffnung auf Grundrechte, Wohlstand und nationale Anerkennung, wurde selbstverständlich von der CDU erwartet. Lafontaine wurde als Bremser wahrgenommen; für die gesamte Linke im Westen war nach den Ostverträgen und Helsinki eine Wiedervereinigung kein Thema mehr. So machten uns das die Medien glauben. Der durchaus erfolgreiche sozialliberale Kurs eines Wandels durch Annäherung war 1989 bereits vergessen. Interessant ist, dass die dahinter vermutete vaterländische Unzuverlässigkeit der Linken in der neuesten deutschen Geschichte durchaus vielschichtig und sehr eng an die jeweilige politische Situation gekoppelt war, in gleicher Weise wie die Vaterlandsliebe der Konservativen. Während die Linke besonders nach dem Zusammenbruch des 3. Reiches patriotische Verantwortung wahr nahm, entdeckten die Konservativen ihre Vaterlandsliebe erst seit den siebziger Jahren (praktischerweise, als die von ihnen herbeigeführte Zweistaatlichkeit scheinbar unumkehrbar geworden war). In der Einheitseuphorie der Nachwendezeit wird gern übersehen: Reale Chancen auf ein neutrales, entmilitarisiertes Deutschland, das die Kriegslasten gemeinsam tragen würde, hat es bis wenigstens 1952 gegeben. Es waren Konservative, die ihre Schwestern und Brüder im Osten der sowjetischen Fürsorge und Experimentierfreude überließen. Einheit in Freiheit lautete deshalb etwas euphemistisch die vaterländische Lebenslüge der CDU.

Helmut Kohl hat im besten Fall eine historische Gelegenheit genutzt, einen Verrat mit schrecklichen Folgen zu korrigieren. Mit historischer Wahrheit hat die Wiedervereinigungslyrik der sächsischen Union wenig zu tun. Genausowenig die Einheit selbst mit dem erlösenden Sturz des SED-Regimes und dem Aufbruch in eine Demokratie, die gerade durch das autokratische Herrschaftsgebahren der Union längst zur Karikatur verzerrt ist. Selbstredend gab es zur deutschen Einheit keine Alternative. Es ist zweifellos ein Verdienst Kohls, das klar erkannt zu haben. Ob der überstürzte Beitritt die richtige Lösung der deutschen Frage war, ist heute fraglicher denn je.

Die Würdigung der deutschen Einheit bleibt zuerst eine nationale Angelegenheit. Das Kriterium für die Ehrenbürgerwürde Dresden muss lauten, ob sich der zu Ehrende in besonderer Weise um unsere Stadt verdient gemacht hat. Politisch motivierte Ehrungen, die historischer Neubewertung ausgesetzt sein können, schaden der Ehrung selbst. Es wäre wichtiger, den Frieden in der Stadt wiederherzustellen, statt weitere Gräben an anderer Stelle aufzureißen.


Hinweis: Zum „Weiterlesen“ folgen Sie bitte unserer Literaturempfehlung.

Ehre, wem Ehre gebührt

von Eduard Zetera

Wussten Sie, dass Kofi Annan, ehem. UN-Generalsekretär, Ehrendoktor der TU Dresden ist? Wenn das vielen nicht bewusst ist, wird das auch daran liegen, dass zwischen der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der TU Dresden, welche diese Ehrung im Jahr 1999 anregte, und Dr. Dr. Dr. [… insgesamt 22 mal …] Dr. Kofi Atta Annan nur insofern eine Beziehung besteht, als dass er in den USA seinen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften erlangt und an der Sloan School of Management des MIT seinen MBA gemacht hat. Der Umstand, dass ihm 18 seiner 22 Doktortitel innerhalb seiner Amtszeit als UN-Generalsekretär von 1997 bis 2006 verliehen wurden, legt die Vermutung nahe, dass weniger Kofi Annan mit der Doktorwürde geehrt werden sollte, als dass die verleihenden Institutionen danach trachteten, sich mit dem Namen des UN-Generalsekretärs zu schmücken. Eitelkeit pur. Wenn die TU Dresden auf eines stolz sein kann, dann vielleicht darauf, dass sie mit Platz 4 in der Titelliste zu denen zählt, die diese Möglichkeit recht früh erkannten.

Einen ganz ähnlich gelagerten Fall erleben wir dieser Tage wieder: Der SZ vom 18.12.2009 entnehmen wir, dass unser Dresdner Alt-Revoluzzer Arnold Vaatz vorschlägt, Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl die Ehrenbürgerschaft Dresdens angedeihen zu lassen. Er begründet das damit, dass „der Auftritt des Bundeskanzlers in Dresden [am 19.12.1989 vor Zehntausenden auf dem Neumarkt] zu den Momenten des Jahres 1989 [zählt], die die Revolution unumkehrbar machten.“ Dass dieser Auftritt zu den wichtigen Ereignissen der Wendezeit gehört, ist unumstritten – wohl auch, weil er den Punkt markiert, an dem sich der Ruf „Wir sind das Volk!“ in die Formel „Wir sind ein Volk!“ wandelte.

Warum Helmut Kohl gerade Dresden für seinen Auftritt wählte, kann man nur vermuten. Es heißt, dass der Kontakt zu Hans Modrow (bis dahin Erster Sekretär der Dresdner Bezirksleitung der SED und seit dem 13.11.1989 als Vorsitzender des Ministerrates der DDR eine Art Kronprinz auf Abruf) den Ausschlag gab. Jedenfalls wird es kaum daran gelegen haben, dass Dresden als Hochburg des ostdeutschen Widerstandes galt: Die Leipziger hatten bereits am 04.09.1989 mit 1.200 Teilnehmern ihre Montagsdemonstrationen begonnen und zählten ab dem 16.10.1989 jede Woche weit über 100.000 Teilnehmer. In das Dresdner „Tal der Ahnungslosen“ kam erst Bewegung, als am 04.10.1989 die Züge mit den Prager Botschafts-Flüchtlingen durch den Hauptbahnhof fuhren und sich ca. 5.000 Menschen vor und im Bahnhof versammelten. Die Alexanderplatz-Demonstration am 04.11.1989 in Berlin hatte 500.000 Teilnehmer.

Von Bärbel Bohley, die bei der Alexanderplatz-Demonstration in der Nähe von Markus Wolf stand, stammt übrigens das Zitat:

Als ich sah, daß seine Hände zitterten, weil die Leute gepfiffen haben, da sagte ich zu Jens Reich: So, jetzt können wir gehen, jetzt ist alles gelaufen. Die Revolution ist unumkehrbar.

So viel vielleicht zur Frage, wer wann wo die Revolution unumkehrbar machte. Arnold Vaatz war es schon mal nicht. Und Helmut Kohl? Das ist ein anderes Thema …

Was ist es denn nun, das die Beziehung des Kanzlers der Einheit zu Dresden derart auszeichnet, dass er Ehrenbürger Dresdens werden sollte? Seine Verdienste um die Wiedervereinigung dürften es kaum sein – diese würden ihn per se für die Ehrenbürgerschaft aber auch jeder Gemeinde Neufünflands qualifizieren. Oder geht es im Grunde gar nicht um Helmut Kohl, sondern vielmehr um das Wahrnehmungsdefizit des Herrn Vaatz? Der Umstand, dass das Thema unter politischen Rahmenbedingungen, die den Vorstoß aussichtslos erscheinen lassen, unmittelbar vor dem 20. Jahrestag des denkwürdigen Ereignisses (welcher sich als Termin für die Verleihung angeboten hätte) durch die Presse geht, vermittelt den Eindruck einer medialen Verzweiflungstat.

Und noch eines sollten wir nicht übersehen: Um die Gesundheit von Helmut Kohl ist es derzeit beileibe nicht zum Besten bestellt. Von daher verbietet sich im Augenblick jeder Versuch, seine Person – selbst in allerbester Absicht – ins Rampenlicht zu zerren. Und wenn das aus purer Eitelkeit geschieht, dann ist es einfach nur noch widerwärtig.

Hilbert(t)räume

Eduard Zetera
liest einmal etwas aufmerksamer

Sprache ist mehr als Blut.
Franz Rosenzweig

In der SZ vom 09.12.2009 finden wir unter der Überschrift „Umweltzone ist bei Dresdnern heftig umstritten“ folgende Passage:

Dresden droht die Umweltzone, nachdem in diesem Jahr die zulässigen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid überschritten wurden. An zahlreichen Straßen ist die Luft so verschmutzt, dass es die Gesundheit der Anwohner gefährdet. Umweltbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) kündigte an, keinesfalls bequemes Autofahren der Gesundheit vorzuziehen.

Das klingt ein wenig so, als ob Dirk Hilbert für den Fall, dass im Jahr 2011 die Luft gesundheitsgefährdend wäre, das bequeme Autofahren einschränken würde (das ist Konjunktiv II). Nun formuliert aber schon die SZ bereits: „… nachdem in diesem Jahr die zulässigen Grenzwerte … überschritten wurden [im Präteritum].“ Das heißt aber (als Konjunktiv II im Plusquamperfekt, d.h. Irrealis der Vergangenheit): Wenn Dirk Hilbert tatsächlich um unser aller Gesundheit besorgt wäre, dann müsste er das bequeme Autofahren längst eingeschränkt haben. Hat er aber nicht.

Wie kommt es nun bei Dirk Hilbert zu einer derart verzögerten Wahrnehmung? Ganz einfach: Die EU gibt Grenzwerte vor, die Dirk Hilbert ab 2011 schlicht nicht mehr ignorieren darf. Aber eben erst ab 2011.

Bereits zwei Tage zuvor hatten wir in der SZ zur gleichen Thematik gelesen: „Der Umweltamtschef geht davon aus, dass die neuen Zahlen zwingend ab 2011 zur Umweltzone führen.“ Gleichwohl hat Dirk Hilbert schon ein Konzept entwickelt, mit dem er die von ihm gepflegte Realitätsverweigerung noch ein wenig über die Zeit retten kann. Staunend lesen wir denn auch an der oben zitierten Stelle in der SZ weiter:

Außerdem will er [Dirk Hilbert] Dresden als Modellregion für Elektroautos voranbringen.

Das klingt aus seinem Munde zunächst einmal angemessen, schließlich hat er als kleiner Wirtschaftsminister die Aufgabe, Optimismus und Visionen zu verbreiten. Vielleicht hält er es ja auch mit Roman Herzog, der in seiner bekannten Ruck-Rede formulierte: „Visionen sind nichts anderes als Strategien des Handelns. Das ist es, was sie von Utopien unterscheidet.“ – Allerdings fällt die Hilbertsche Vision von der „Modellregion für Elektroautos“ derart unvermittelt vom Himmel, dass wir diesen Vorschlag etwa so ernst nehmen dürfen wie die Bemühungen seiner Berliner Parteifreunde, die maroden Staatsfinanzen mithilfe eines fiskalischen Perpetuum Mobile (Steuersenkungen) zu sanieren. Daher raten wir Dirk Hilbert, besser auf Helmut Schmidt zu hören: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“

von Eduard Zetera

Dresdens Erben e.V. haben eine fundierte Stellungnahme (pdf-Datei, 33 kB) zur aktuellen Diskussion über den Umbau des Kulturpalasts erarbeitet. Sie beginnt mit den Worten

Dem Stadtratsbeschluss zum Umbau des Kulturpalastes vom Juli 2008 lag unserer Auffassung nach kein ausreichender Abwägungsprozess zugrunde. Zu diesem Schluss kommen wir, obwohl wir wissen, dass ihm eine Vielzahl von Untersuchungen vorausging. Doch ein wesentlicher – wir meinen – ein entscheidender Aspekt hat keine Berücksichtigung gefunden: der Denkmalwert des Gebäudes, der sich nicht zuletzt mit seiner identitätsstiftenden multifunktionalen Nutzung verbindet.

und kommt zu dem Schluss

All das bedenkend, sehen wir in der Sanierung des Kulturpalastes in seinem Bestand einen jetzt zu vollziehenden, einzig vernünftigen ersten Schritt. Um der Philharmonie gute Bedingungen zu bieten, wäre der Saal akustisch zu ertüchtigen. …

Generell ist ein behutsamer Umgang mit dem Baudenkmal geboten. Die Geschichte der Denkmalpflege kennt genügend Beispiele einer Tot-Sanierung. Die Befürchtungen vieler Dresdner, es könnte der Kulturpalast – angesichts der immer höher angesetzten Sanierungskosten – bis zur Unkenntlichkeit verändert werden, haben ihre Berechtigung.

Das Papier wird einer ganzen Reihe von politischen Akteuren überhaupt nicht in den Kram passen. Angetrieben von mehr oder minder egoistischen Motiven versuchen sie gerade wieder mit Nachdruck, die öffentliche Meinung zum Umbau des Kulturpalastes in die eine oder andere Ecke zu treiben. Doch nicht nur das macht diese Stellungnahme brisant. Sie ist ein weiteres Beispiel für das Versagen des amtlichen Denkmalschutzes: Zum Bau der Waldschlößchenbrücke vollzog er seinerzeit einen eigentümlichen Sinneswandel, über dessen Ursachen nur Vermutungen angestellt werden können und der bis heute weder nachvollziehbar begründet noch wirklich öffentlich diskutiert wurde. Hinsichtlich der Sanierung der Albertbrücke ist die Meinung der amtlichen Denkmalschützer offensichtlich irrelevant. Sie beteuern, ja ohnehin in der Sache keinerlei Vetorecht zu besitzen. Und wo und wann haben wir ihre Stimme gleich noch mal zum Thema Kulturpalast gehört? Ist uns da etwas entgangen?

Wenn es denn also an den Bürgern selbst ist, das Fähnchen des Denkmalschutzes in Dresden hoch zu halten, dann bedeutet das zweierlei:

  • Sie haben erkannt: Wenn sie sich um die Geschicke ihrer Heimatstadt sorgen, dann müssen sie diese auch selbst in die Hand nehmen. Das tun sie, auch wenn es einigen ihrer gewählten Vertreter nicht eben gelegen kommt. Aber genau so funktioniert Demokratie: Wenn die Bürger am Wahltag ihre Stimme abgeben, heißt das noch lange nicht, dass sie keine mehr haben.

    Das ist die gute Nachricht.

  • Der amtliche Denkmalschutz übernimmt in Dresden eine fragwürdige Rolle: Er darf Bauvorhaben seinen Segen erteilen und wenn er das bei irrwitzigen Bau- oder Verkehrsbau-Vorhaben mal nicht will, dann wird er kalt gestellt.

    Das Dresdner Amt für Kultur und Denkmalschutz gehört zum Geschäftsbereich des Beigeordneten für Kultur, Ralf Lunau, und ist damit der Oberbürgermeisterin unterstellt. Das Landesamt für Denkmalpflege gehört zum Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsminister des Innern, Markus Ulbig. Durch diese Unterstellungsverhältnisse wird ein unabhängiges, nur an der Sache orientiertes Handeln beider Ämter zuverlässig verhindert, soweit die Gefahr besteht, dass sie den politischen Akteuren in die Quere kommen. Wenn die Landeshauptstadt und der Freistaat dennoch ihren Behördenapparat mit derartigen Ämtern garnieren, dann nur aus einem Grund: Sie werden als Feigenblatt gebraucht.

    Das ist die schlechte Nachricht.

Schuld sind immer die anderen

meint Eduard Zetera

Nachdem im Umfeld der Albertbrücke – nicht wirklich überraschend; vielleicht sogar gewollt – die Verkehrssituation eskaliert, läuft die lokalpolitische Schuldzuweisungsmaschine wieder einmal auf Hochtouren.

Interessant daran ist vor allem, wen es dieses mal trifft:

Zunächst einmal natürlich die üblichen Verdächtigen: die grünen Fortschrittsverhinderer, welche zwar keine vorgeblich bedrohten Lurche oder Fledermäuse aus dem Hut zaubern, es aber zumindest wagen, die Notwendigkeit eines überbreiten Ausbaus der Albertbrücke in Zweifel zu ziehen.

Neben den Grünen hat sich CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns noch einen weiteren Beteiligten als Sandsack zurechtgerückt, um sich daran abzuarbeiten: den bösen, bösen Denkmalschutz. Dass der gar nicht als Verhinderer taugt, weil er (wie wir beispielsweise gesehen haben) bei der Waldschlößchenbrücke schlicht umgedreht und beim Kulturpalast einfach kaltgestellt wurde und bei der Albertbrücke (nach eigenem Bekunden) gar kein Vetorecht hat, kümmert Herrn Brauns wenig, solange er erst einmal jemanden zum Draufhauen hat. Nicht nur die Art, wie er in SZ und DNN um sich schlägt, sondern auch der Umstand, dass sein kleiner Sekundant im Sächsischen Boten wieder anfängt herumzugeifern, deutet an, dass Herr Brauns einen leicht erhöhten Rechtfertigungsdruck verspürt.

Und diesen Rechtfertigungsdruck verspürt Hans-Joachim Brauns – seines Zeichens baupolitischer Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion – zurecht: Er wirft anderen, die eine Verbreiterung der Albertbrücke um beidseitig 1,80 Meter für bedenklich und/oder unnötig halten, Verhinderungstaktik vor. Er selbst ist aber nicht bereit, von der Forderung nach einer derartigen Verbreiterung auch nur einen Millimeter abzurücken. Die Begründung ihrer Notwendigkeit ist er bislang schuldig geblieben und nun hofft er darauf, dass der durch jahrelange, bewusste Untätigkeit künstlich herbeigeführte Stau ihm die notwendigen Argumente nachliefert.

Die augenblickliche Situation um die Albertbrücke sollte über folgendes nicht hinwegtäuschen:

  • Die Albertbrücke war bislang grundsätzlich breit genug für das anstehende Verkehrsaufkommen.
  • Die Straßenanbindungen auf beiden Seiten der Albertbrücke können gar nicht so weit ausgebaut werden, um ein wesentlich größeres Verkehrsaufkommen aufzunehmen.
  • Die Waldschlößchenbrücke, so wurde uns vorgerechnet, soll gerade der Albertbrücke die größte Entlastung bescheren.
  • Alle Notwendigkeiten werden, wenn überhaupt, mit Daten aus einem Verkehrskonzept von 1994 begründet. Das ist schlicht lächerlich.

Jenseits der Diskussion um den Ausbau der Albertbrücke sollten wir uns schon einmal darauf einstellen, dass der Verkehr auf ihrer Neustädter Seite geradewegs in ein Stadtgebiet geleitet wird, dessen Bewohner ab 2011 von der EU eine Handhabe erhalten, ihr eigenes Recht auf saubere Atemluft gegen das Recht anderer auf automobile Freiheit durchzusetzen. Und das werden sie auch tun.

Mit Stau ist es dann erst einmal vorbei. Wenn sich dann aber die Dresdner in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühlen, wird es nicht etwa an der automobilfixierten städtischen Verkehrs- bzw. freistaatlichen Förderpolitik Brauns’scher Couleur liegen, welche andere Verkehrsträger systematisch vernachlässigt wenn nicht gar behindert. – Nein, schuld ist dann allein die böse, böse EU.

Pressemitteilung von
Metropolis Film Dresden

Die Bauarbeiten an der Waldschlösschenbrücke kosten Dresden nicht nur den Titel Weltkulturerbe sondern jetzt auch ein Stück Kinokultur.

Während in den vergangenen Jahren im Metropolis durchschnittlich 150.000 Besucher zu Gast waren, werden es in diesem Jahr nur 90.000 sein. Unter diesen Umständen ist ein wirtschaftlicher Betrieb des Hauses nicht mehr möglich. Deshalb hat sich Kinobetreiber Frank Apel im Einvernehmen mit dem Vermieter entschlossen, den Kinobetrieb bis auf weiteres einzustellen. Die vorläufig letzten Bilder werden am 30.12.2009 über die Leinwand flimmern.


Anmerkung: Frank Apel ist nicht das erste „Opfer“ der Waldschlößchenbrücke. Frank Baumgürtel, der ehemalige Geschäftsführer des Brauhaus am Waldschlößchen, hat sich bereits vor einiger Zeit aus dem Areal in Richtung Schillergarten verabschiedet – offensichtlich weil ihm der Gedanke zuwider war, dort in Zukunft eine Art Autobahnraststätte zu betreiben.

Verschanzt im Orchestergraben

von Johannes Hellmich

Hat Elbflorenz auch daher seinen namentlichen Bezug zur toskanischen Metropole, weil den Dresdnern ein italienisches Temperament eigen ist, das als sächsisches Lamento um den Erhalt seiner weiten Flusslandschaft weltberühmt geworden ist? Es scheint, als liebe der Dresdner den lautstarken Protest so sehr, dass der rasche Wechsel der Streitobjekte seine Obsession eher beflügelt und es ihm vielleicht gar nicht so schrecklich ernst damit ist, die Konflikte im Interesse aller zu lösen. Sie sind eben so, die Dresdner; unnötig, sich Gedanken zu machen über ein angeblich vergiftetes Klima, schwere politische Grabenkämpfe und eine gespaltene Stadt.

Das wenigstens wollen uns Kommentatoren glauben machen, wenn von den Auseinandersetzungen um den Kulturpalast die Rede ist. Der Streit um E- und U-Musik ist ihnen der Beweis für ein völlig normales Ringen um beste Konzepte wie überall auf der Welt. Cholerisches Aufbrausen der Kontrahenten wird gedeutet als ebenso berechnende wie theatralische Versuche, sich bei einer im Grunde wohlmeinenden Landesregierung Gehör zu verschaffen. Große Operette mit verspätetem Applaus. So sei das. Immer. Wirklich?

Das Welterbe war noch nicht aberkannt, da hatte die Dresdner SPD eine Unterschriftensammlung ins Leben gerufen, die den Willen der Bürgerschaft nach Erhalt des Kulturpalastes als Multifunktionsgebäude bündeln sollte. Der überdimensionierte Umbau drohte aus einer Mehrzweckhalle ein exklusiv an Hochkultur ausgerichtetes Konzerthaus zu machen zugunsten eines ebenso exklusiven Besucherklientels. Wolfgang Hänsch, Architekt des Kulturpalastes, nennt die Umbauentwürfe von Gerkan, Marg und Partner deshalb eine gute Lösung für eine falsch gestellte Aufgabe. Eine Affinität der Sozialdemokraten zur Stadthalle am Altmarkt war bis dahin nicht unbedingt aufgefallen. Trotzdem schien es aussichtsreich, sich im Vorfeld der Kommunalwahlen des vermeintlichen Reizthemas anzunehmen und sich so vom ewigen, scheinbar verlorenen Brückenstreit abzusetzen.

Die Nutzungsvielfalt des Kulturpalastes ist bis heute ein Erfolgsmodell. Noch immer ist er ein herausgehobener Ort Dresdner Aufbauidentität; kann er als einer der wenigen geglückten einheitssozialistischen Versuche gesehen werden, kulturpolitische Vision, architektonischen Anspruch und städtebauliche Gegebenheiten klug zu verbinden. Das macht diese Begegnungsstätte allerdings auch per se zum Ärgernis einer verfehlten postsozialistischen Stadtplanung, die gestalterische Impotenz in gleicher Weise wie ihre Vorgänger durch Ideologie ersetzt und nicht nur in Dresden Urbanität durch Uniformität und Gleichschaltung beseitigt.

Dass Konflikte in Dresden heftiger als anderswo ausgetragen werden, liegt weniger an der Streitlust der Einwohner, sondern vor allem an der hohen Konzentration der Zutaten für diese Auseinandersetzungen: Fördermittelsteuerung oder -verweigerung, ein entmündigter Denkmalschutz, Desinformation über Kosten, vollendete Tatsachen, machtpolitische Profilierungssucht, eingestandene fachliche Inkompetenz (Marx) und künstlicher Handlungsdruck durch Verschleppung notwendiger Sanierungen. Die Albertbrücke lässt grüßen. Für die Union ist diese Vorgehensweise offenbar zum politischen Arbeitsprinzip geworden. Und doch gibt es beim Streit um den „Kulti für alle“ auch einige Unterschiede. Der Frontverlauf blieb gerade hier lange undeutlich; gut und böse, wahr und falsch lassen sich noch heute kaum zuordnen. Auch wenn die formulierten Partikularinteressen der Beteiligten diesmal auf beiden Seiten berechtigt und plausibel scheinen, wird eines inzwischen klar: Es geht beim Streit um den Kulturpalast-Umbau und der Frage eines zusätzlichen Konzerthauses nicht um Anliegen der Mehrheit der Dresdner. Es geht nicht einmal um Kultur. Kulturelle Einrichtungen wie Staatsoperette oder Musikfestspiele kämpfen mit Gehaltsverzicht, Etatkürzungen oder bleiben ganz auf der Strecke. Staatskapelle und Philharmonie sind zuallererst Standortfaktoren wie Striezelmarkt und Frauenkirche. Im Kern werden ökonomische Entscheidungen gesucht und getroffen.

Der Streit um den Kulturpalast zeigt aber auch eines deutlich: Die Interessenlage einer Mehrheit in dieser Stadt findet nur dann Berücksichtigung, wenn sie mit den Positionen der Stadtverwaltung und der Landesregierung übereinstimmt. Da, wo nicht einmal ausgemacht ist, ob eine Dresdner Majorität auf dem Erhalt der U-Musik im Stadtzentrum besteht oder einem Umzug bereitwillig folgt, wird gar nicht erst gefragt. Veränderungsbereitschaft ist in der Bürgerschaft sehr wohl vorhanden, da wo ehrlich argumentiert wird. Nicht jeder Roland-Kaiser-Fan wird einen Umzug in die Messe ablehnen. Das macht die Sozialdemokraten in diesem Konflikt erneut zu Verlierern. Die Union setzt sich ein weiteres Mal durch, unnötig sekundiert von den Grünen, deren Taktieren gleichfalls wenig aufrichtig wirkt. Der Kulti als Testfall für Schwarz-Grün? Vor allem für die Ökodemokraten eine riskante Angelegenheit: Bürgerliche Wähler, die sie unterstützen, tun das gerade weil sie eine Alternative zur Union suchen. Selbst vorgebliche Haushaltsdisziplin könnte den Grünen noch auf die Füße fallen: Eine defizitäre Klassikausrichtung nach dem Umbau kann kaum die Zustimmung der Bürger finden.

Im Schatten der hochgejazzten Diskussion um den Kulturpalast gibt es von der Königsbrücker Straße bis zum Bürgerradio Coloradio genug Baustellen. Die Frage der Ausrichtung kultureller Begegnung in der Innenstadt fügt sich ein in die Frage nach der geistig-kulturellen Identität Dresdens. Diese nach zwei Diktaturen und 20-jähriger Unionsherrschaft verschüttete, immer wieder aufkeimende und freigelegte, in vielen unbeachteten Nischen sich ausbreitende, stets aber auch fragile Identität ist eine des Tastens und Suchens. Sie braucht den behutsamen, zweckfreien Umgang mit eigener Tradition genauso wie die Öffnung zur Welt aus Neugier heraus und jenseits kommerziellen Verwertungsdenkens. Dass die Landschaft am Fluss Teil eines weltweit geschätzten Kulturguts wurde, war ein elementar wichtiger Schritt auf diesem Weg zur Selbstfindung.

Die Zerstörung der Elbwiesen hat diese Entwicklung abrupt beendet. Die eingezogenen Korsettstangen des Stahlkolosses am Waldschlösschen bringen nicht mehr Beweglichkeit, sondern fixieren eine Bedarfstäuschung der Bürgerschaft, die dafür ihr Einverständnis gab. Eine zweite Chance, den Schaden zu korrigieren, erhielt sie nicht mehr. Als Zeugnis einer seelenlosen, autogerechten Stadt wird diese Lebenslüge der Alternativlosigkeit bei allen weiteren Konflikten mitschwingen; in jedem Wiedergutmachungsversuch der Union, in jeder Beschwichtigungsmaßnahme. Alle weitere Kommunalpolitik trägt den Geruch der Manipulation.

Für das Wohl Dresdens und den inneren Frieden ist es nicht entscheidend, wie der Kulturpalast aussehen wird. Ob wir einen vernünftigen Kompromiss am Waldschlösschen erreichen, bestimmt das künftige Miteinander.

Erst denken, dann reden!

ein Zwischenruf von
Eduard Zetera

Der Dresdner FDP ist mit dem Weggang von Jan Mücke ein begnadeter Lautsprecher abhanden gekommen. Das eigentlich tragische daran scheint jedoch, dass sich nun Holger Zastrow berufen fühlt, die so entstandene Lücke zu füllen. Mit seiner jüngsten Forderung, die Bautzner Straße vierspurig auszubauen, beweist er, dass er es zwar versteht, sich verbal (und im übertragenen Sinne) großspurig zu äußern, liefert aber zugleich den Beleg für einen geradezu mitleiderregenden Mangel an Sachverstand.

Zunächst muss man einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Bautzner Straße bereits vierspurig ausgebaut ist – allerdings, und das darf als Einschränkung gelten, ist sie das nur, wenn man die Straßenbahngleise überfährt. Wenn denn Holger Zastrow die Bautzner Straße nun gern noch vierspuriger haben möchte als sie ohnehin schon ist, dann kann das nur meinen, dass die Straßenbahn ein eigenes Gleisbett bekommen soll. Das braucht natürlich seinen Platz. Und der ist schlicht nicht da. Um das festzustellen, sollte Holger Zastrow einfach mal aus dem Fenster gucken, wenn er das nächste mal (vermutlich mit einem Auto) in seine Parteizentrale auf der Radeberger Straße fährt.

Oder er macht es sich noch einfacher: Er schaut sich die Bautzner Straße in Google Maps an. Dann wird er feststellen, dass es z.B. in Höhe der Einmündung der Wolfsgasse, schräg gegenüber von Pfunds Molkerei, ziemlich eng zugeht. Vergleicht man den dort verfügbaren Raum mit einem bekannten vierspurigen Straßenstück mit eigenen Straßenbahngleisen, z.B. mit dem südlichen Ende der Carolabrücke, dann ergibt sich das untenstehende Bild (der linke Teil der Abbildung mit dem Abschnitt der Carolabrücke ist um 90° gedreht):

strassenbreite.jpg

Was lernen wir daraus? Holger Zastrow will Pfunds Molkerei abreißen lassen, um Platz für den Straßenbau zu bekommen!

Wir fragen uns verstört: Ist es das, was die FDP unter „Bauen mit Seele“ versteht?

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