Hier stirbt ein Welterbe!

In dieser Woche tagen die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer in Dresden.

Aus diesem Anlass ist am Donnerstag, dem 23.10.2008, um 16:30 Uhr eine Kunstaktion unter dem Motto „Hier stirbt ein Welterbe!“ geplant. Treffpunkt ist das Luther-Denkmal auf dem Neumarkt neben der Frauenkirche. Wer sich beteiligen möchte, kleidet sich bitte in UNESCO-Blau-Weiß und bringt eine Decke mit …

Was ist es, was das besondere Flair Dresdens ausmacht? Nicht selten reduziert sich das Bild, das man von Dresden hat, auf die Altstadt-Silhouette, auf den „Canaletto-Blick“, so als wäre die Stadt in barocker Schönheit erstarrt. Tatsächlich aber verdankt sie ihr heutiges Aussehen ganz wesentlich der Entwicklung, die sie im 19. und 20. Jahrhundert genommen hat.

Diesem Thema widmet sich der Vortrag „Stadtlandschaft – Dresdens eigener Weg zur Großstadt“, den die Architekturhistorikerin Dr. Heidrun Laudel am Mittwoch, dem 29.10.2008, um 19:00 Uhr in der JohannStadthalle, Holbeinstraße 68/70 hält.

Es wird insbesondere zu verfolgen sein, wie stark die natürlichen Gegebenheiten des Elbtals den Wandel und das Wachstum der Stadt beeinflusst haben und welchen Anteil Dresden an den neuen Tendenzen im Städtebau zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte.

Der von Frau Orosz als „letzter Versuch zur Rettung des Welterbes“ ausgegebene Weg ist zum Scheitern verurteilt.

Die Delegierten der UNESCO-Welterbekonferenz entscheiden fachlich und nicht nach Stimmungslagen. Die Delegierten jetzt „umstimmen zu wollen“ gleicht einem Versuch der Erpressung und missachtet die fachlichen Entscheidungsgrundlagen der UNESCO. Bereits Herr Biedenkopf und die sächsische Staatskanzlei sind mit diesem Versuch zu recht gescheitert.

Nachdem der Freistaat Sachsen sich substanziellen Gesprächen mit der UNESCO verweigerte, alle zielführenden Lösungsversuche abschmetterte und den Bau der Brücke forcierte, soll jetzt – nach dem Motto „wir haben ja alles versucht, aber die böse UNESCO …“ – der UNESCO endgültig der schwarze Peter am Welterbedilemma in Dresden zugeschoben werden.

Frau Orosz muss erkennen, dass sie nicht in der Position sein wird, der UNESCO vorzuschreiben, was welterbeverträglich ist.

Die sächsische Union muss erkennen, dass sie politisch nicht verlieren, sondern nur gewinnen kann, wenn in Dresden unterirdisch ein Tunnel und überirdisch eine Fußgängerbrücke gebaut wird und damit das Welterbe in Dresden erhalten bleibt.

Die Gespräche in Paris haben noch einmal gezeigt, dass der Bau der Waldschlößchenbrücke und der Erhalt des Welterbes in Dresden nicht vereinbar sind. Wenn Frau Orosz wirklich am Erhalt des Welterbes interessiert ist, sollte sie sehr schnell erklären welchen Inhalt „weitere Gespräche“ haben sollen. Ansonsten entsteht der Eindruck, dass man die Gespräche mit der UNESCO lediglich als Deckmäntelchen der Öffentlichkeit gegenüber benutzt, obwohl man tatsächlich nichts Faktisches zum Erhalt des Welterbes unternehmen will.

Wir weisen darauf hin, dass es ganz real zwei politische Optionen zur Lösung des Konfliktes gibt:

  • Der Stadtrat kann jederzeit ein Stadtratsbegehren einleiten und die Dresdner zum Erhalt des Welterbes mittels eines Bürgerentscheides befragen.
  • Der Stadtrat kann mittels einfacher Mehrheit den Bau des welterbeverträglichen Elbtunnels beschließen.

Die Lösung des Problems wird allerdings nur mit der Unterstützung des Freistaates möglich sein. Wir fordern daher Herrn Ministerpräsidenten Tillich und Frau Oberbürgermeisterin Orosz auf, eine „Allianz der Vernunft“ zu bilden und aktiv mit der UNESCO eine Lösung zum Erhalt des Welterbes in Dresden zu finden.

Dresden, Deutschland und die Weltgemeinschaft erwarten eine politische Lösung des Konfliktes.


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Unter diesem Titel findet am 24./25.10.2008 in Potsdam eine Tagung statt. Sie wird mit Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg gefördert. Die Tagung trägt den Untertitel: „Bürgerbeteiligung im Spannungsfeld zwischen Welterbe, Bau- und Verkehrsplanung“. Zur Motivation heißt es: „Die Veranstaltung leistet einen Beitrag zur Vermittlung der Werte, die mit dem Status des Weltkulturerbes für die Bürgergesellschaft verbunden sind. Es werden Lösungswege bei auftretenden Konflikten dargestellt. Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt: Welches sind für Bürger nachvollziehbare Maßstäbe für Aufnahme und Gebietsabgrenzung, für Gefährdung und für Streichung von Städten aus der Welterbeliste? Wie können praktikable Strategien zur Konfliktvermeidung und gute Erfahrungen bei der Lösung von Konflikten aussehen?“

Was ist daran bemerkenswert? Im Grunde nichts. Potsdam gehört mit seinen Schlössern und Parks selbst zum Welterbe. Daher besitzen auch für Potsdam die „Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Menschheit“ Gültigkeit. Dort heißt es z.B. auf Seite 5 (Punkt m): „Die Vertragsstaaten des Welterbe-Übereinkommens sind dafür verantwortlich, … Bildungs- und Informationsprogramme einzusetzen, um die Würdigung und Achtung des … Kultur- und Naturerbes durch die Völker der Vertragsstaaten zu stärken und die Bevölkerung über die diesem Erbe drohenden Gefahren zu unterrichten.“ Potsdam tut also nichts, als seinen Verpflichtungen als Welterbestätte nachzukommen.

Übrigens, man mag es kaum glauben: Diese Richtlinie gilt auch für Dresden! Das Dresdner Elbtal ist Welterbe. Dresden und Sachsen haben sich gemeinsam um diesen Titel beworben. Dresden hat sogar selbst einen „Masterplan Welterbe Dresdner Elbtal“ entwickelt – der das Papier nicht wert ist, auf dem er geruckt ist, denn sogar führende Politiker Dresdens und Sachsens – bis hin zum Ministerpräsidenten – sind sich nicht zu Schade, den Welterbetitel für „verzichtbar“ zu halten. Schon vergessen?

Sicher, das gilt nicht für alle: Für unsere Oberbürgermeisterin Helma Orosz z.B. ist das Welterbe eine „Herzensangelegenheit“. Das sind ihre Worte. Und ihre Taten?

Am 14.10.2008 hat sich Oberbürgermeisterin Helma Orosz „in Paris zu einem zweistündigen Gespräch mit dem Direktor der UNESCO, Herrn Francesco Bandarin“ getroffen, wie wir einer „die Gespräche verliefen in einer angenehmen und aufgeschlossenen Atmosphäre“-Pressemitteilung der Stadt entnehmen können. Wir wissen nicht, ob sie sich auf ihrer Reise nach Paris Zeit für die Lektüre der Petition genommen hat, die ihr anlässlich einer kleinen Abschiedsfeier am 12.10.2008 überreicht wurde. Es klingt nicht wirklich danach. Was tatsächlich gesagt und vereinbart wurde, werden wir vielleicht in den kommenden Tagen erfahren – wohl kaum aber von der Stadt.

Am 29.09.2008 fällte das Sächsische Oberverwaltungsgericht den Beschluss, dass die Landeshauptstadt Dresden nicht zur vorläufigen Zulassung des Bürgerbegehrens „Welterbe erhalten durch Elbtunnel am Waldschlößchen“ verpflichtet ist. In der Begründung des Beschlusses heißt es: „Es sei nicht offensichtlich, dass das Bürgerbegehren insgesamt zulässig sei.“

Dieser Beschluss bedeutet erst einmal nur, dass unser Bürgerentscheid nicht im Eilverfahren herbeigeführt werden kann. Über seine Zulässigkeit wird im Hauptsacheverfahren endgültig entschieden. Nach wie vor vertreten wir die Auffassung, dass die gegen das Bürgerbegehren vorgebrachten Gründe nicht zutreffend sind.

Im übrigen sind zwei Dinge bemerkenswert:

Die Gleichzeitigkeit von Ereignissen
kann ein Zufall sein.
Muss aber nicht.

Exakt am Tag der Beschlussfassung des Oberverwaltungsgerichts, dem 29.09.2008, weist auch die Landesdirektion (das ehemalige Regierungspräsidium) den Widerspruch der Landeshauptstadt Dresden gegen seine eigene Unzulässigkeitserklärung zum Bürgerbegehren zurück. Das ist interessant, denn in der Sache war gut ein Vierteljahr nichts zu vernehmen und die Landesdirektion sollte an sich vom Beschluss des Oberverwaltungsgerichts erst durch dessen Pressemitteilung vom 08.10.2008 erfahren haben.

Das soll keineswegs den Schluss nahelegen, in Sachsen würden die Exekutive (sprich: Landesregierung und Landesdirektion) und die Judikative (sprich: Oberverwaltungsgericht) ihr Vorgehen gegen unser Bürgerbegehren abstimmen und damit gegen das Grundprinzip der Gewaltenteilung verstoßen. Diese Gleichzeitigkeit ist ganz gewiss ein Zufall. Ungewöhnlich ist nur, dass wir gerade eine gewisse Häufung derartiger Zufälligkeiten beobachten.

Dieser Vorgang bietet zudem eine gute Gelegenheit, die juristischen Auseinandersetzungen in einen politischen Zusammenhang zu stellen:

Zunächst einmal wissen wir, dass zu einem beliebigen Sachverhalt schon ein einzelner Jurist mindestens zwei gegensätzliche Standpunkte vertreten kann. Kommen weitere Juristen hinzu, wird die Sache immer weniger übersichtlich. In der Auseinandersetzung um das Bürgerbegehren wimmelt es geradezu von Juristen.

Nun liegt es in der Natur der Sache, dass Bürgerbegehren vor allem dann entstehen, wenn über eine Entscheidung oder Entwicklung geteilte Meinungen existieren. Stellen sich die Bürger mit ihrem Begehren nun gegen die Position der Verwaltung oder Regierung, haben sie mächtige Gegenspieler. Diese werden, wenn sie nur wollen, immer einen Grund finden, warum das Begehren der Bürger unzulässig sein könnte. – Und wenn sie nicht wollen, können sie es genau so gut lassen: Der Hinweis, dass das Bürgerbegehren zur Waldschlößchenbrücke von 2005 ebenso angreifbar gewesen wäre, ist sehr wohl begründet. Angegriffen wurde es nicht, denn seine Stoßrichtung war der Landesregierung willkommen.

Ob unser Bürgerbegehren eines Tages einmal für zulässig erklärt werden sollte, ist indes vollkommen unerheblich, denn eines ist sicher: bis dahin wird noch viel Wasser die Elbe hinunterfließen. Und dazu braucht man den Gerichten nicht einmal eine Verschleppung der Verfahren vorzuwerfen. Der Sachverhalt ist schwierig und wird gezielt verkompliziert. Die Auseinandersetzung damit braucht nun einmal ihre Zeit. Doch schon damit ist den Gegnern unseres Bürgerbegehrens geholfen, denn zwischenzeitlich werden so lange Tatsachen geschaffen, bis der Bürgerentscheid an sich obsolet geworden ist.

Das alles lässt Bürgerbegehren und Bürgerentscheide als Ausdrucksform gelebter Demokratie in einem zwiespältigen Licht erscheinen. Praktisch funktionieren sie dann, wenn sie nicht im Widerspruch zur Position von Behörden oder Politik stehen. Tun sie das hingegen, gibt es oft unzählige Möglichkeiten, ein Bürgerbegehren auf formaljuristischem Wege zu verzögern, wenn nicht gar zu verhindern.

Man kann zu spät kommen
und gleichzeitig zu früh da sein.

Wie geht das? Ganz einfach: Man initiiert ein Bürgerbegehren „Welterbe erhalten – Elbtunnel bauen“ in Dresden.

Das Oberverwaltungsgericht meint in seiner Begründung: „Es sei schon sehr zweifelhaft, ob das … Bürgerbegehren … binnen 2 Monaten nach der angegriffenen Beschlussfassung eingereicht worden sei. Es spreche viel dafür, dass sich der Stadtrat zuletzt am 12.6.2007 für den Bau der Waldschlösschenbrücke ausgesprochen habe.“ Weiter heißt es: „Die Zweimonatsfrist könne auch nicht im Hinblick auf eine drohende Aberkennung des Weltwerbetitels als gewahrt angesehen werden. Diese Aberkennung drohe spätestens seit dem Beschluss des Welterbekomitees vom 11.7.2006.“

Kurzum: Der Antrag auf Durchführung des Bürgerbegehrens wurde erst am 11.03.2008 übergeben – und damit schlicht zu spät.

Die Landesdirektion argumentiert ähnlich und meint zudem in ihrer Begründung: „Das erforderliche Unterstützungsquorum wird nicht erreicht, da die meisten der zum Tunnelbegehren vorgelegten Unterschriften vor Ablauf der durch den Bürgerbescheid zur Waldschlößchenbrücke vom 27.02.2005 ausgelösten dreijährigen Sperrfrist geleistet wurden und somit nicht verwertbar sind.“

Kurzum: Die Unterschriften zum Bürgerbegehren wurden schon vor dem 28.02.2008 gesammelt – und damit schlicht zu früh.

Juristisch mag das eine wie das andere Urteil begründbar sein. Interessant wäre es aber zu erfahren, wie insbesondere die politisch Verantwortlichen vom Freistaat Sachsen und der Landeshauptstadt Dresden dies ihren Wählern erklären wollen. Vergessen wir nicht: Hier wird über das lebendige, bürgerschaftliche Engagement der Dresdner für ihre Heimatstadt Urteil gefällt. 50.000 Bürger unterstützen mit ihrer Unterschrift das Bürgerbegehren. Und seit der jüngsten, repräsentativen Umfrage der TU Dresden wissen wir auch, dass die Dresdner weitaus differenzierter über die Themen Waldschlößchenbrücke, Welterbeverlust und Tunnelalternative denken als man das gemeinhin glauben machen möchte. Unter Voraussetzungen, die durchaus gegeben sind, spricht sich sogar eine Mehrheit von 54% für den Elbtunnel aus.

Kurzum: Die in der Angelegenheit maßgeblich Verantwortlichen in Landeshauptstadt und Freistaat – im übrigen praktisch ausschließlich Mitglieder der CDU (wer es vergessen haben sollte oder nicht glauben mag: CDU steht für Christlich Demokratische Union) – sorgen bewusst dafür, dass der erklärte Wille einer erheblichen Zahl Dresdner Bürger (wenn nicht gar einer Mehrheit) in juristischen Verfahren zerrieben und damit politisch missachtet wird.

So viel zum Thema „Lebendige Demokratie vor Gericht“.


Entdeckt auf dem
Platz der Grundrechte in Karlsruhe

Am Montag, dem 13.10.2008, werden um 11:00 Uhr Vertreter der Bürgerinitiativen, die für den Erhalt des Welterbes in Dresden eintreten, unserer Oberbürgermeisterin Frau Orosz eine Petition und einen blau-weißen Blumenstrauß übergeben. Wir möchten Sie ermutigen – getreu ihrem Motto eine OB für alle Dresdner sein zu wollen – in Paris ergebnisoffen in einen Dialog mit der UNESCO einzutreten und eine Lösung im schwierigen Konflikt um das UNESCO-Welterbe in Dresden zu finden.

50.000 Dresdner haben mit ihrer Unterschrift unter das „Bürgerbegehren zum Erhalt des Welterbes durch Elbtunnel am Waldschlößchen“ gefordert, dass es in Dresden möglich sein muss, verkehrspolitische Interessen mit kulturpolitischen Interessen in Einklang zu bringen.

50.000 Dresdner hoffen, dass sich Frau Orosz der Tragweite ihrer Aufgabe bewusst ist!


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Am 14.10.2008 reist unsere Oberbürgermeisterin Helma Orosz zum Welterbezentrum in Paris. Sie wird dort mit Prof. Bandarin, Präsident des Welterbe-Zentrums, über den Konflikt Welterbe-Waldschlößchenbrücke sprechen.

Wir verabschieden Frau Orosz mit guten Wünschen auf ihre Reise und erinnern Sie mit einer Petition

Welterbe entdecken

von Silva Möller

Der 47. Deutsche Historikertag fand vom 30.09. bis zum 03.10.2008 in Dresden statt. Das Begleitprogramm des Historikertages heißt „Welterbe entdecken.“ Für die Historiker ist das vielleicht die letzte Chance, das Welterbe Dresdner Elbtal zu entdecken – denn wenn der Bau der Waldschlößchenbrücke nicht gestoppt und zurückgebaut wird, wird Dresden nächstes Jahr bei der Tagung des Welterbekomitees von der (roten) Welterbeliste gestrichen. Das beschloss das Welterbekomitee auf seiner 32. Tagung vom 02. bis 10.07.2008 in Quebec.

Warum Dresden auf die Rote Liste kam, zeigt das Gutachten zu den Auswirkungen der WSB der RWTH Aachen vom 15.03.2006 u.a. mit den historischen, touristischen Fernsichten ab Seite 48. Es fällt auf, dass der Blick vom Waldschlößchenpavillion der letzte Blick vom Elbhang über die friedliche Natur der Elbwiesen und den sich schlängelnden Fluss auf die Altstadtsilhouette mit der Frauenkirche war. Alle anderen bei Touristen, Malern und Fotografen beliebten Fernblicke von Osten sind entweder schon lange zugebaut oder zugewachsen. Seit der Bau begonnen hat, drängen sich die Fragmente der neuen Brücke in den Vordergrund dieses wunderbaren Landschaftspanoramas. Allerdings führen erst die beim Wandern im Elbtal verstellten Blickbeziehungen (ab Seite 100) zum entscheidenden Ergebnis auf Seite 111: „Die Waldschlösschenbrücke zerschneidet den zusammenhängenden Landschaftsraum des Elbbogens an der empfindlichsten Stelle irreversibel in zwei Hälften.“

Dies ist ein Problem, das auch die Ergebnisse der vom Mediationsprozess angeregten Perspektivenwerkstatt vom 08.06.2007 nicht lösen können, geschweige denn der sogenannte Burgerentwurf vom 28.01.2008. Deshalb empfiehlt ICOMOS im Monitoring-Bericht vom 05.02.2008 nach der Begutachtung des Burgerentwurfs und der Baustelle einen Tunnel als Kompromiss.

Warum wurde das Dresdner Elbtal nicht gleich dieses Jahr von der Liste gestrichen? Schließlich war das zu befürchten, nachdem Prof. Francesco Bandarin, der Chef des Welterbezentrums, in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung am 10.05.2008 klargestellt hatte: „Wenn Dresden stur ist, sind wir es auch.“ Diese Verärgerung ist das Ergebnis der mangelhaften Zusammenarbeit der offiziellen Stellen von Dresden und Sachsen mit der UNESCO beim Schutz der Welterbestätte „Dresdner Elbtal“ vor der Beschädigung durch das Brückenprojekt am Waldschlößchen.

Entsprechend plädierten Frau Rössler, Abteilungsleiterin für Europa und Nordamerika beim Welterbebüro in Paris, und Susan Denyer von der Denkmalschutzbehörde ICOMOS: „Dresden sollte von der Liste gestrichen werden“, auf Englisch kurz: delisted. So liest man es in einem Tagungsbericht in der Sächsischen Zeitung vom 05.07.2008.

Die Stimmung kippte erst, als der NGO-Vertreter Prof. Ralf Weber im Namen der Dresdner Bürgerinitiativen „Welterbe erhalten“ und „Elbtunnel Dresden“ vom noch offenen Gerichtsverfahren der Grünen Liga gegen den Planfeststellungsbeschluss der Brücke berichtete und vom Elbtunnel, mit dem der außergewöhnliche und universelle Wert des Elbtals erhalten bliebe.

Frau Cameron, die Präsidentin der UNESCO-Tagung, erklärte in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung vom 07.07.2008, warum Dresden schließlich ein weiteres Jahr auf der Roten Liste bleiben darf. Kurz zusammengefasst: Es gab noch Hoffnung, dass der Brückenbau noch nicht unumkehrbar ist, weil es noch ein offenes Gerichtsverfahren gibt, das den Planfeststellungsbeschluss der Brücke aus naturschutzrechtlichen Gründen angreift und das zum gerichtlich verfügten Abriss der Brücke führen könnte. Und Ziel der UNESCO ist es, alles zu tun, um Weltkulturerbe zu schützen. Den Dresdnern sollte nicht voreilig die Chance genommen werden, sich doch noch gegen brückenfreundliche Politiker durchzusetzen.

Diese Dresdner kämpfen mit der UNESCO im Rücken unermüdlich für den Erhalt des Dresdner Welterbes. Sie schieben Mahnwachen, gehen zu Demonstrationen für den Elbtunnel und den Erhalt des Welterbes im Dresdner Elbtal, sammelten über 50.000 Unterschriften für ein neues Bürgerbegehren, schreiben Briefe an Politiker, zogen durch verschiedene deutsche Städte, um mit ihrer Welterbetour um Unterstützung zu werben und sie spenden für die Finanzierung des Gerichtsverfahrens der Grünen Liga gegen den Planfeststellungsbeschluss sowie der anderen Aktivitäten im Kampf um den Erhalt des Welterbes. Auf ihren Websites informieren sie unter anderem über die Bedeutung der UNESCO und des Welterbes und über die von den Bürgerinitiativen angestrebte Tunnellösung, die 2003 von der Stadt Dresden im Rahmen der Planfeststellung für die Brücke in Auftrag gegeben wurde.

Aber es ist ein Kampf wie David gegen Goliath, gegen die Mächtigen im Land, die im Kampf für ihre Brücke alle Register ziehen und auch vor Falschaussagen gegen den Tunnelkompromiss nicht zurückschrecken. Auch die Demokratie beanspruchen die Mächtigen allein für sich, wie der Brief der neuen Oberbürgermeisterin Frau Orosz an Herrn Prof. Bandarin zeigt. Aber auch die Welterbe-Erhalter sind Demokraten, wie Prof. Ralf Weber in einem Antwortbrief, ebenfalls an Herrn Prof. Bandarin, darlegt. Die Mächtigen versuchen der UNESCO allein die Schuld zu geben für die verfahrene Situation im Brückenstreit.

Die Mächtigen berufen sich auf die Bindungswirkung des Bürgerentscheids von 2005, bei dem 2/3 der Abstimmenden für die Brücke waren bei einer Teilnahme von 51%. Aber erst viel später war klar, dass die Brücke das Welterbe beschädigt und Dresden mit dieser Brücke den Titel wieder verliert. Nach der Sächsischen Gemeindeordnung wäre es den Stadträten jederzeit möglich gewesen, mit 2/3-Mehrheit einen neuen Bürgerentscheid zu beschließen und die Bürger bei dieser geänderten Situation erneut zu befragen. Dazu fehlten aber die Stimmen von CDU und FDP.

Die Brückenfans berufen sich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes: „In Anbetracht dieses völkerrechtlichen Rahmens ist es verfassungsrechtlich möglich, dass sich der in einer förmlichen Abstimmung festgestellte Bürgerwille, als authentische Ausdrucksform unmittelbarer Demokratie, in einem Konflikt über die planerische Fortentwicklung einer Kulturlandschaft durchsetzt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zuvor in einem Verhandlungsprozess erfolglos nach einer Kompromisslösung gesucht wurde.“

Aber während in dem vorangegangenen vom OVG angeordneten Mediationsverfahren noch kein Kompromiss gefunden wurde, könnte es ihn jetzt geben: Nie hat die UNESCO so deutlich gesagt, dass sie den Tunnel als Kompromiss zum Erhalt des außergewöhnlichen und universellen Wertes des Elbtals akzeptieren würde, wie dieses Jahr in Quebec.

Außerdem ist es keineswegs so, dass es eine unveränderliche Mehrheit für die Brücke gibt. Das wichtigste Ergebnis der am 21.08.2008 veröffentlichten repräsentativen Umfrage zum Thema Elbquerung am Waldschlösschen ist, dass fast 55% der Dresdner dem Tunnelbau zustimmen würden unter der Voraussetzung, dass der Bund die Mehrkosten des Tunnelbaus übernimmt.

Die Bundesregierung stellte darüber hinaus als Reaktion auf diesen Gerichtsbeschluss in Ihrem Gutachten vom 16.01.2008 klar, dass die Welterbekonvention sehr wohl hier in Sachsen mit dem Einigungsvertrag in innerstaatliches Recht übernommen wurde und demzufolge die Welterbekonvention auch für Sachsen und Dresden bindend ist: „Damit sind auch die Länder, die sich ja in den vergangenen 32 Jahren in vielen Fällen aktiv und erfolgreich um Aufnahme in die Welterbeliste bemüht haben, an die Welterbekonvention gebunden. Ein zusätzliches Bundesgesetz ist aus Sicht der Bundesregierung für eine innerstaatliche Bindungswirkung der Konvention nicht erforderlich.“

Dennoch, wie aussichtslos die Position der Stadträte der SPD, der Linken und der Grünen im Kampf zum Erhalt des Welterbes und gegen die Waldschlößchenbrücke ist, zeigt „Die Waldschlößchenbrücke – Eine Chronik von Planung und öffentlicher Auseinandersetzung“ in „Dresdner Hefte 94 – Beiträge zur Kulturgeschichte – Dresdner Elbbrücken in acht Jahrhunderten“ auf den Seiten 70ff. Es wird ein wiederkehrendes Muster deutlich: wenn der Stadtrat mehrheitlich Beschlüsse fasst, die der Brücke gefährlich werden könnten, legt der Oberbürgermeister Widerspruch ein und das Regierungspräsidium erklärt nachfolgend den Beschluss des Stadtrates für ungültig. Dann müssen die Gerichte das Problem lösen und bis dahin ist die Brücke vielleicht fertig.

Als Konsequenz aus dem o.g. Umfrageergebnis und allen anderen Erfahrungen mit der CDU in Stadt- und Landesregierung bitten jetzt die Bürgerinitiativen zum Erhalt des Welterbes um das Einstellen eines zweckgebundenen Titels in den Bundeshaushalt für die die Mehrkosten des Dresdner Elbtunnels, damit man die Finanzierung des Tunnels ohne Mehrkosten für Dresden unabhängig vom Willen der sächsischen Landesregierung als gesichert betrachten kann.

Zur Eröffnung des Historikertages hielten wieder viele Welterbeerhalter vor der Semperoper Mahnwache, um den Bundespräsidenten Horst Köhler zu treffen. Es gelang ihnen, ihm einen Zettel zuzustecken mit den Internetadressen der Webseiten www.welterbe-erhalten.de, und www.elbtunnel-dresden.de und dem Satz:

„Bitte unterstützen Sie uns!“

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