Am Morgen des 09.06.2008 starteten die Vertreter der Dresdner Welterben zu ihrem Weltkulturmarsch an der Baustelle der Brücke, deren Errichtung die UNESCO erst dazu veranlasste, das Welterbe Dresdner Elbtal auf die Rote Liste der bedrohten Welterbestätten zu setzen und die nun zu einer Löschung des Dresdner Elbtals von der Welterbeliste führen soll.

Weltkulturmarsch

Stellvertretend für 50.000 Menschen, die sich mit ihrer Unterschrift gegen den Verlust des UNESCO-Welterbes Dresdner Elbtal ausgesprochen haben, trat am 09.06.2008 eine Gruppe Dresdner Welterben den Marsch von Dresden nach Berlin an. In 12 Städten klärten sie über den drohenden Welterbeverlust in Dresden auf, bevor sie am 21.06.2008 in Berlin ankamen. Die Dresdner Welterben wollten auf die Missstände in Dresden hinweisen und Sympathisanten für den Erhalt der Umwelt und des Welterbes der Menschheit mobilisieren.

Trotz zahlloser Einsprüche, Klagen und jahrelang anhaltender Proteste wird das Dresdner Elbtal durch den Bau der Waldschlößchenbrücke weiter zerstört. Deutschland verliert damit nicht nur ein Welterbe, sondern auch einen einzigartigen Ort der Weltkultur.

Friedrich Schiller schrieb mit Blick auf diesen Ort die „Ode an die Freude“, die als Textvorlage der Europahymne für die Werte aller Mitgliedsstaaten steht. In Dresden werden „blühende Landschaften“ zerstört. Sachsens CDU-Politiker geben Kulturschätze zur Vernichtung frei.

Vor dem Schaden Klug sein! – Das forderten die Dresdner Welterben auf ihrem Weltkulturmarsch. Sie wollten einen „Rettungsring“ um das Welterbe Dresdner Elbtal bilden, um es für folgende Generationen zu bewahren. Dresden braucht – wie nach dem Krieg und nach der Flut 2002 – jetzt Hilfe: vor dem Welterbeverlust.

Der Weltkulturmarsch machte in diesen Städten Station:

  • 09.06.2008: Dresden, an der Brücken-Baustelle
  • 09.06.2008: Nürnberg, vor der Lorenzkirche
  • 10.06.2008: München, Marienplatz
  • 11.06.2008: Stuttgart, Marktplatz
  • 12.06.2008: Köln, Roncalliplatz
  • 13.06.2008: Frankfurt, Am Römerberg
  • 14.06.2008, 10:00-12:00: Köln, Roncalliplatz
  • 14.06.2008, 16:00-19:00: Düsseldorf, Gründgensplatz
  • 15.06.2008: Essen, Willy-Brandt-Platz
  • 16.06.2008: Hannover, Opernplatz
  • 17.06.2008: Bremen, Martkplatz
  • 18.06.2008: Hamburg, Gerhart-Hauptmann-Platz/Mönckebergstrasse
  • 19.06.2008: Lübeck, Schrangen
  • 20.06.2008: Leipzig, Nicolaikirchhof
  • 21.06.2008: Berlin, Brandenburger Tor

Weitere Informationen

Bitte beachten Sie auch unsere Hinweise im Bereich Aktionen sowie das Informationsblatt und die Pressemitteilung zur Bilanz des Weltkulturmarschs.

Für Rückfragen nutzen Sie bitte das Organisationstelefon 0171-3209883 bzw. das Pressetelefon 0173-9749538.

Spenden

Der Weltkulturmarsch ist eine Aktion engagierter Dresdner Bürger. Er wird weder von Parteien noch von öffentlichen Institutionen unterstützt bzw. finanziert. Die Veranstalter sind daher auf Ihre Unterstützung angewiesen. Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende, das Welterbe Dresdner Elbtal vor der Zerstörung zu bewahren! Nutzen Sie folgende Bankverbindung.

Zahlungsempfänger: Grüne Liga Sachsen
Verwendungszweck: Weltkulturmarsch (Bitte angeben!)
Kontonummer: 101 231 135
BLZ: 850 951 64
Bank: Landeskirchliche Kreditgenossenschaft

Wenn Sie neben dem Weltkulturmarsch weitere Aktivitäten zum Erhalt des Weltkulturerbes in Dresden mit einer Spende unterstützen möchten, schauen Sie sich bitte den Spendenaufruf des Vereins „Bürgerbegehren Tunnelalternative am Waldschlößchen e.V.“ an.

Zur Bunten Republik Neustadt am Samstag, dem 14.06.2008, lesen die Dresdner Kinderbuch-Illustratoren und Autoren Castorp & Ollux um 15:00 Uhr in der Musik- und Kunstschule Castorp und Ollux (Bischofsweg 50, 01099 Dresden) aus ihrem Wettbewerbsbeitrag zum Oldenburger Kinderbuchwettbewerb: „Herr Hund rettet einen Apfelbaum“.

Dazu sind die Original-Illustrationen zum Bilderbuch ausgestellt sowie Photos von der Aktion zur Rettung der „Angelika-Buche“. Weiterhin sind Original-Illustrationen aus dem Kinderkirchenführer „Dresdner Frauenkirche“ zu sehen, illustriert von Castorp und Ollux. Diese werden für 8 € das Stück verkauft.

3 € von jedem verkauften Exemplar sowie der Spendenbeitrag (Eintritt) von 4,50 € für Erwachsene und 2,50 € für Kinder gehen zu gleichen Teilen an die Tunnel-Initiative Dresden sowie an Robin Wood.

Die begrüßenswerte Beschlussvorlage des UNESCO-Welterbekomitees belegt das stete und intensive Bemühen der UNESCO, für Dresden doch noch eine positive Lösung herbeizuführen. Die UNESCO verhält sich dabei in höchstem Maße angemessen und vertragstreu.

Die klare Aussage der UNESCO, im Falle des Baues des welterbeverträglichen Tunnels Dresden ein weiteres Jahr auf der roten Liste zu belassen, zeigt das ernsthafte Bemühen der UNESCO, Dresden in seiner Suche nach der Lösung des Verkehrsproblems und dem Erhalt des Welterbetitels zu unterstützen.

Die klare Aussage, dass beim Weiterbau der Brücke der Titel in jedem Fall gestrichen wird, ist an Deutlichkeit nicht zu übertreffen. Sie zeigt einmal mehr, dass die Verantwortlichen des Freistaates und der Dresdner Politik – die diese Tatsache hartnäckig leugnen – die Dresdner bewusst nicht richtig informieren. Eher ist es wahr, dass die sächsische CDU seit zwei Jahren zielstrebig an der Aberkennung des Titels arbeitet. Dies beweisen auch die öffentlichen Aussagen der beiden ehemaligen Ministerpräsidenten Biedenkopf und Milbradt. So wie man die UNESCO für das Scheitern des Monitoringprozesses und Widersprüche im Antragsprozedere verantwortlich macht, diffamiert man auch eine Bürgerbewegung, die sich für den Erhalt des Welterbetitels einsetzt.

Thomas Löser, Sprecher des Vereins „Bürgerbegehren Tunnelalternative am Waldschlößchen e.V.“, sagte in diesem Zusammenhang: „Es ist traurig zu erleben, dass in einer Kunst- und Kulturstadt bewusst eine Stimmung gegen die UNESCO und das mit ihr verknüpfte Ziel der Bewahrung der einmaligen Kulturgüter der Menschheit geschaffen wird. Die Dresdner, die zu recht stolz auf die Leistungen der Vergangenheit sind, sollten sich ihre Verantwortung gegenüber der Zukunft ihrer Stadt und der kulturbewussten Menschheit vergegenwärtigen und sich von solch blamablen Kampagnen nicht beeindrucken lassen.“

Es wäre wünschenswert, wenn die Vertreter des Vereins „Bürgerbegehren Tunnelalternative am Waldschlößchen e.V.“ von den Medien als „Kompromissbefürworter“ oder „Tunnelbefürworter“ statt als „Brückengegner“ bezeichnet würden. Das wird der Position, die sie in der Auseinandersetzung um die Waldschlößchenbrücke einnehmen, eher gerecht.

„Gegner“ klingt abwertend – zumal hier keine grundsätzlichen Bedenken gegen Brücken gepflegt werden, schließlich verbinden sie. Die Waldschlößchenbrücke passt wunderbar zur Querung eines Industriegebietes oder eines Rangierbahnhofs. Bei einem für dieses Bauwerk städtebaulich passendem Standort wären sicher auch die Tunnelbefürworter gerne Brückenbauer.

Die Kompromissbefürworter haben die verkehrlichen und finanziellen Kritikpunkte einer Elbquerung am Waldschlößchen aus Respekt vor dem Bürgerentscheid und im Interesse einer Kompromissfindung für den Elbtunnel zurückgestellt. Sie dennoch bewusst oder unbewusst als „Gegner“ zu beschreiben ist unangemessen.

Die sogenannten „Brückenbauer“ könnte man umgekehrt auch „Welterbegegner“ nennen. Allerspätestens mit den Beschlussvorlagen für die nächste UNESCO-Tagung in Quebec sollte jedem verantwortungsvollem Bürger klar sein, dass diese Brücke an dieser Stelle das Welterbe zerstört.

Das Welterbeprojekt ist das erfolgreichste Programm der UNO, welches der Völkerverständigung dient. Der enorme Schaden, der durch die begonnene Welterbezerstörung und der damit drohenden Titel-Aberkennung für Dresden, Deutschland und letztlich für die Weltgemeinschaft entstünde, ist der (Dresdner) Öffentlichkeit (noch) nicht klar. Wir werden uns deshalb weiter gewaltfrei und zielstrebig für das internationale Ansehen Dresdens und die Reputation Deutschlands als Kulturnation engagieren und das Dresdner UNESCO-Welterbe entschlossen verteidigen.

Am Montag, dem 09.06.2008, findet wieder eine Welterbe-Demonstration statt. Beginn ist 18:30 Uhr am Goldenen Reiter, Kundgebung um 19:00 Uhr an der Frauenkirche. Das Motto der Veranstaltung lautet:

Ja zum Tunnelkompromiss – auf die UNO zugehen!
Für Weltoffenheit, Dialog und Kompromissbereitschaft!

Eduard Zetera
wundert sich …

Der Streit um die Waldschlößchenbrücke hat zu der schizophrenen Situation geführt, dass die Dresdner Vertreter der „bürgerlichen Parteien“ sich bewusst gegen einen wesentlichen Teil der gebildeten Dresdner Mittelschicht stellen, die traditionell ihre Stammwählerschaft bildet. Wie kann das sein?

Zunächst muss man sich einmal das Meinungsbild zu Brückenbau und Welterbeerhalt in der Dresdner Bevölkerung und seine Entstehungsgeschichte vor Augen führen: Von unserem mittlerweile zurückgetretenen Ministerpräsidenten Georg Milbradt erfahren wir: „Kurt Biedenkopf, Herbert Wagner und ich haben immer vor einer Beantragung des [Welterbe-] Titels gewarnt.“ Ließ sich das Unglück der Titelverleihung schon nicht verhindern, übten sich Landesregierung und Stadtverwaltung konsequenter Weise bei der Propagierung des Welterbegedankens in äußerster Zurückhaltung – obwohl sie sich gerade dazu gegenüber der UNESCO mit der Beantragung des Welterbetitels ausdrücklich verpflichtet hatten. Den Dresdnern wurde eben gerade nicht erklärt, dass ihnen ihre Vorväter eine Stadtlandschaft von ganz außergewöhnlichem Wert überantwortet haben. Statt stolz darauf zu sein, dass Dresden in einer Reihe mit vielen großartigen Stätten des Weltkulturerbes der Menschheit steht, weiß der gemeine Dresdner daher bis heute keine vernünftige Antwort auf die Frage, was der Welterbetitel bedeutet und welchen Wert er für seine Heimatstadt hat. Gelernt hat er nur, dass man mit Welterbetitel keine Brücken bauen darf und dass die UNESCO ein arroganter Haufen ist.

So verwundert wenig, dass in der Dresdner Bevölkerung allein mit wachsendem Bildungsgrad die Ablehnung des Brückenprojekts zunimmt. Die Welt schätzt ein, dass „fast die komplette Dresdner Kulturelite … die Brückenpläne für unvereinbar mit dem kulturellen Anspruch Dresdens erklärt.“

Freilich steht das in krassem Widerspruch zur Einschätzung des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, der in der SuperIllu verlauten lässt: „Die Brücke ist kein Problem – allenfalls für eine kleine Minderheit von Dresdnern und für die Feuilletons.“ Angesichts der Tatsache, dass mit 50.000 Unterzeichnern sich gut 11% der wahlberechtigten Dresdner einen Bürgerentscheid zur Tunnelalternative wünschen und dass im März bei der Großdemonstration für den Erhalt des Weltkulturerbe Dresdner Elbtal und gegen den Bau der Waldschlößchenbrücke mit 15.000 Teilnehmern die größte Kundgebung in Dresden seit den legendären Montagsdemonstrationen der Wendezeit stattgefunden hat, ist man geneigt, ihm eine Wahrnehmungsstörung oder gar Realitätsverweigerung vorzuwerfen. Doch das ist zu kurz gesprungen. Der Umstand, dass Kurt Biedenkopf sich gerade der SuperIllu offenbart, deutet darauf hin, dass er mit dieser Einschätzung wohl nicht die „Dresdner Kulturelite“ erreichen möchte. Ganz im Gegenteil: Ihm geht es viel mehr um die „schweigende Mehrheit der Dresdner“, die auch CDU-Stadtrat und Brückenbau-Frontmann Hans-Joachim Brauns zu repräsentieren vorgibt.

Nun ist eine „schweigende Mehrheit“ ein sonderbares Gebilde. Es liegt in der Natur der Sache, dass man sie nicht fragen kann, was sie meint und ob sie denn tatsächlich eine Mehrheit ist. Dazu schweigt sie. Gleichwohl liegt nach allem, was wir in den vergangenen Wochen auf einschlägigen Veranstaltungen gehört und gesehen haben, die Vermutung nahe, dass es sich bei den Befürwortern eines Brückenbaus gewiss nicht um eine kleine Minderheit handelt und dass sie weniger in bildungsbürgerlichen Kreisen als vielmehr am Stammtisch zu suchen ist. Und genau das ist der Punkt: Es geht der Dresdner CDU zuallererst um den Erhalt der Lufthoheit über demselben. Schließlich stehen wir vor der Wahl des Dresdner Oberbürgermeisters. Namentlich die sächsische CDU hat ein großes Interesse daran, dass die Landeshauptstadt eine Oberbürgermeisterin mit ihrem Parteibuch bekommt. Und da zählt jede Stimme. Mehrheiten sind gefragt – nicht Vernunft.

Dafür ist die Dresdner CDU sogar bereit, auf Konfrontationskurs zu einer Kerngruppe ihrer eigenen Wählerschaft zu gehen: der gebildeten, kultur- und geschichtsbewusst denkenden Dresdner Mittelschicht. Dafür, dass man sich mit diesen Kreisen überworfen hat, gibt es unzählige prominente Beispiele. Doch der intellektuelle Substanzverlust beschränkt sich nicht auf die Wählerschaft, er erstreckt sich bis in das Personal der Partei selbst hinein. Darauf deutet ein bemerkenswertes Indiz: Wer einmal einer Stadtratssitzung beigewohnt hat, dem wird aufgefallen sein, dass mit besorgniserregender Regelmäßigkeit einige Vertreter der CDU-Fraktion mit ihren Lautäußerungen und ihrer Körperhaltung die Grenzen des Anstandes übertreten und weit in Richtung Flegelhaftigkeit hinter sich gelassen haben. Sie dokumentieren damit nicht nur die Verachtung für ihre politischen Gegner. Nein, sie lassen schlicht den erforderlichen Respekt vor den Wählern, in deren Auftrag sie im Stadtrat sind, und vor der Würde des Hauses vermissen. Zugleich offenbaren sie Defizite in ihrer eigenen Bildung und Erziehung.

Fast vergessen … die FDP!

Grundsätzlich lässt sich zur Position der Dresdner FDP in Brückenfragen das gleiche wie zur CDU sagen. Doch das war nicht immer so: Noch vor wenigen Monaten konnte man im Forum der hiesigen FDP-WebSite eine lebendige, bemerkenswert differenzierte und ausgewogene Diskussion pro und contra Brückenbau verfolgen. Die Moderation ließ hier einen wahrhaft liberalen Geist erkennen, war doch die offizielle Haltung der Partei zur (pro) Waldschlößchenbrücke stets unstrittig.

Inzwischen ist das Forum jedoch bereinigt und auf Linie gebracht. Damit ist das wahrnehmbare Profil der Dresdner FDP in Brückenfragen auf die Größe einer Mücke geschrumpft. – Zugegeben: einer lästigen; von der man im übrigen sagt, dass selbst mancher Dresdner Liberale sie nur zu gern an die Berliner Luft setzen möchte.

Ja und … die Presse?

Der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Donsbach hat jüngst die Vertreter beider Seiten im Dresdner Brückenstreit darüber aufgeklärt, dass sie sich nach der „Theorie des feindlichen Mediums“ geradezu zwangsläufig ungerecht behandelt fühlen müssen. Gleichzeitig führt er den Nachweis, dass die Berichterstattung der Dresdner Lokalpresse pro und contra Brückenbau absolut ausgeglichen und weder in die eine noch in die andere Richtung merklich verzerrt ist.

Ein solches Verhalten der Lokalpresse erscheint zunächst einmal logisch. Genauso wie die politischen Parteien buhlt sie um eine Mehrheit – in der Abonnentenschaft. Solange Unklarheit darüber herrscht, welche Auffassung mehrheitlich vertreten wird, wird es sich auch die Presse mit keiner Seite verderben wollen.

Wolfgang Donsbach weist ihr nun die Rolle des unparteiischen Schiedsrichters zu, der – selbst vollkommen leidenschaftslos – darüber berichtet, wie die Vertreter beider Parteien im Brückenstreit sich jeweils wechselseitig gegen das Schienbein treten. Er attestiert ihr zugleich, dass sie diese Aufgabe absolut korrekt erfüllt. Dabei übersieht er jedoch zweierlei:

Zuerst einmal betrachtet er nur die Dresdner Lokalpresse. Für jemanden, dessen Horizont durch die Höhenzüge der Elbhänge begrenzt ist, erscheint diese Betrachtungsweise durchaus umfassend. Gleichwohl wird übersehen, dass der Blick der überregionalen Presse weit weniger beschränkt ist und sie daher den instinktlosen Umgang der hiesigen Kommunal- und Landespolitik mit dem Welterbe und der UNESCO fast ausschließlich mit Unverständnis und Befremden kommentiert.

Darüber hinaus rechtfertigt er so aber auch den Verfall des Anspruchs, den gute Journalisten an ihre eigene Arbeit haben sollten. Sind sie denn nur leidenschaftslose Berichterstatter, quasi Protokollführer – oder hatte guter Journalismus nicht einmal das Ziel, auch unbequeme Denkanstöße zu liefern, den Horizont zu erweitern und Meinungsbildung zu befördern? Warum sollte ein Dresdner Abonnent noch seine Lokalzeitung lesen, wenn er ihr ohnehin nur noch Statusberichte entnehmen kann, zum Weiterdenken aber keinerlei Anregungen mehr erhält? Zumindest gebildeten Dresdnern fällt es immer schwerer, darauf eine vernünftige Antwort zu finden.

Dieser offene Brief vom 19. März 2008
an den Sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt
wurde von 22 Dresdner Vereinen und Initiativen unterzeichnet.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

der Umgang mit dem Welterbe Dresdner Elbtal hat in den letzten Wochen eine für uns unerträgliche Entwicklung genommen. Alles deutet darauf hin, dass mit der Weiterführung der Arbeiten am Brückenbau der Verlust des Welterbetitels von den Entscheidungsträgern einkalkuliert ist. Dieser Sachverhalt ist skandalös und von uns nicht hinnehmbar!

Das im Januar dieses Jahres stattgefundene Gespräch mit Vertretern von UNESCO und ICOMOS beantwortete die Frage nach Erhalt oder Aberkennung des Welterbetitels nicht. Unzweifelhaft dürfte sein, dass mit dem überarbeiteten Brückentwurf den Bedenken der UNESCO nicht abgeholfen werden konnte.

Das Welterbe besteht nicht nur aus seiner viel gepriesenen, wunderschönen Landschaft, der herrlichen Altstadt Dresdens mit ihren Kulturdenkmalen – nein, zum Welterbe gehören auch die Menschen, die in ihm leben und gelebt haben. Wir denken besonders an die Dresdner Bürger, die in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten durch ihr verantwortungsvolles und weitsichtiges Denken und Handeln die Stadt und ihr Umland erst zu dem haben werden lassen, was die Beantragung auf Verleihung des Welterbetitels überhaupt in Frage kommen ließ.

Wir denken aber auch an alle diejenigen, die sich mit der Wende im Herbst ‘89 in Bürgerkomitees und -initiativen, in Ortsvereinen, in den Ortsbeiräten der Ortsämter, in Verbänden und anderen Vereinigungen zusammenfanden und für das Wohl und Wehe von Stadt und Land Verantwortung übernahmen. Und das taten und tun sie bis heute in unzähligen ehrenamtlichen, gemeinnützigen Stunden mit Sachverstand und großem Engagement. Solches bürgerschaftliches Engagement sehen wir als ein unverzichtbares Gut im demokratisch verfassten Gemeinwesen an, und es war auch ein bestimmender Faktor für die Beantragung und Verleihung des Welterbetitels.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wir fordern Sie hiermit auf, alles in Ihrer Macht stehende zu tun, damit die Gestaltung der Elbquerung am Waldschlösschen den hohen Maßstäben für das UNESCO-Welterbe gerecht wird und nicht die Einmaligkeit unserer Stadt-Landschaft auf Dauer entwertet.

Die Gestaltung der Elbquerung kann nach unserer Meinung nur in einer Tunnelvariante liegen.

Wir bitten Sie, einer Sprechergruppe unserer Bürgerinitiativen sehr bald Gelegenheit zum Gespräch über mögliche Auswege aus dem unsäglichen Dresdner Konflikt zu geben.

Enterbt?

Wissenschaftler der Dresdner Museen protestieren
gegen den Bau der Waldschlößchenbrücke
Ein offener Brief

Wir – eine Gruppe von WissenschaftlerInnen und MitarbeiterInnen an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden – haben mit größter Sorge die Entwicklungen um den Status des Dresdner Elbtals als kulturelles „Welterbe“ registriert. Wird die Waldschlößchenbrücke in der geplanten Form gebaut, so wie es die sächsische Landesregierung bislang vorsieht, wird die UNESCO dem Elbtal seinen Titel als Welterbe aberkennen.

Wir protestieren weiter gegen den geplanten Bau dieser Brücke. Wir sind überzeugt, dass diese Brücke und die zu erwartende UNESCO-Aberkennung einen durch nichts zu rechtfertigenden Ansehensverlust für Dresden, für Sachsen und für Deutschland darstellen.

Zutiefst beunruhigt uns eine Haltung, die die Brüskierung der UNESCO und den Verlust des Welterbe-Titels wissentlich in Kauf zu nehmen scheint. Als Mitglieder des internationalen Museumrats ICOM, dessen nationale Sektion Teil der Deutschen UNESCO-Kommission ist, fühlen wir uns den Zielen dieser Organisation verpflichtet: dem Erhalt, der Pflege und der Vermittlung des Welterbes aus Kultur und Natur.

In der seit Jahren geführten Diskussion haben international renommierte Architekten, Denkmalpfleger und Stadtplaner ihre Kritik an der geplanten Elbüberquerung geübt und alternative Vorschläge eingebracht. Diese zeigen, dass der Bau der Brücke in der zu realisierenden Form vielen strukturellen, verkehrsplanerischen und ästhetischen Forderungen nicht Genüge tut. Leider wurden diese Argumente durch ein eher lokal geprägtes Denken ignoriert. Seit Jahrhunderten lebt die Dresdner Kultur vom offenen Austausch der Ideen. Dresden darf sich nicht als selbstgenügsame kulturelle Einheit sehen, sondern muss den nationalen und internationalen Dialog ernst nehmen.

Als Historiker und Kunsthistoriker, die beruflich mit der Pflege des hiesigen Kulturerbes befasst sind, wissen wir aus den überlieferten Darstellungen in den bildenden Künsten, dass das Elbtal nicht unverändert geblieben, sondern als Kulturlandschaft über die Jahrhunderte hinweg gewachsen ist. Wir wenden uns daher nicht gegen jede Veränderung, fordern aber einen behutsamen Umgang mit dem einzigartigen kulturellen Erbe, den wir in den zu realisierenden Plänen massiv verletzt sehen.

Es sind nicht nur die Bauwerke und Kunstsammlungen, die den internationalen Ruf Dresdens ausmachen, es ist genauso die Symbiose von Architektur und Landschaft, von Stadt und Natur. Wir erhoffen uns daher ein deutliches Signal, dass der Freistaat Sachsen zu dieser Kulturlandschaft und zu den Verpflichtungen steht, die ihre Aufnahme als Weltkulturerbestätte begründeten. Wir plädieren für die Wiederaufnahme einer ergebnisoffenen Diskussion über den Bau der Brücke statt des sofortigen Baubeginns. Wir nehmen lieber eine daraus resultierende Verzögerung von einigen Jahren in Kauf als für Generationen des Erbes beraubt zu werden.

Dresden, am 10. August 2007

Roland Enke
Dirk Gedlich
Franziska-Luise Günther
Dr. Andreas Henning
Elisabeth Herrmann
Katharina Hoins
Dr. Manfred Hoß
Dr. Annika Johannsen
Michael John
Dr. Jutta Kappel
Dr. Thomas Ketelsen
Dr. Michael Korey
Konstanze Krüger
Dr. Hans-Ulrich Lehmann
Anette Loesch
Dr. Gilbert Lupfer
Martina Miesler
Cornelia Munzinger-Brandt
Karina Peschel
Dr. Peter Plaßmeyer
Bettina Probst
Lars Rebehn
Dr. Rainer G. Richter
Dr. Thomas Rudert
Carolin Schilde
Claudia Schmidt
Dr. Claudia Schnitzer
Dr. Dagmar Sommer
Dr. Eva Ströber
Sandra Thomas
Dr. Anne Veltrup
Dr. Jutta Charlotte von Bloh
Silke Wagler
Dirk Weber
Dr. Moritz Woelk
Dr. Theresa Witting

Die heute in der Presse verkürzt wiedergegebene Meldung, dass das UNESCO-Welterbe Dresdner Elbtal möglicherweise doch auf der Roten Liste bleiben könne – zumindest bis nächstes Jahr – unterschlägt die Hauptaussage der Beschlussvorlagen der UNESCO und verzerrt die UNESCO-Aussage auf das Motto der Welterbezerstörer: „Die Brücke wird weiter gebaut und dann wird entschieden.“

Derartige Interpretationen sind irreführend.

Alle Wünsche oder Behauptungen, eine Brücke am Waldschlößchen sei welterbeverträglich, sind durch die Beschlussvorlagen der UNESCO gegenstandslos. Schon seit dem Aachener Gutachten, welches von irreparablen Schäden des Welterbes durch einen Brückenbau sprach, waren alle weiteren Beschlüsse des UNESCO-Komitees konsequente und logische Folgen dieser Feststellung.

Unsere Forderung an alle gegenüber der internationalen Völkergemeinschaft verantwortungsvoll handelnden Politiker der Stadt Dresden, des Freistaates Sachsen und der Bundesrepublik Deutschland bleibt ein sofortiger Baustopp als positives Signal an die UNESCO-Tagung in Quebec. Der Konflikt kann und muss durch den einzig möglichen Kompromiss überwunden werden, indem unverzüglich ein Stadtratsbeschluss für den Tunnelbau getroffen wird.

Der Tunnel kommt den Befürwortern einer Straßenverbindung zwischen den Elbufern entgegen und berücksichtigt zugleich die städtebaulichen und naturschutzrechtlichen Belange. Nur durch den Tunnelkompromiss wird der drohende katastrophale Imageschaden für den Ruf Deutschlands als Kulturnation vermieden.

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