Monument alten Denkens

ein Kommentar
von Michael Bartsch
in der taz vom 24.06.2009

Der Dresdener Welterbe-Brücken-Eklat ist mehr als nur eine Provinzposse, die auf das Klima in der viel gerühmten Kunststadt ein bezeichnendes Licht wirft. Es geht um ästhetische, kulturelle und ökologische Werte einerseits und materielle Effizienzkriterien andererseits.

Die Waldschlösschenbrücke ist ein Monument alten Denkens, der Annahme unbegrenzten Verkehrswachstums. Für CDU und FDP ist sie zum Prestigeobjekt geworden, deshalb wollen beide Parteien keine Kompromisse zulassen. Und weil die Brücke ebenso eindeutig das Primat von Ökonomie und Materialismus demonstriert, stößt die Brücke umgekehrt auf die erbitterte Gegnerschaft der nachhaltigen Denker und der Welterbe-Romantiker.

Letztere haben sich immerhin zum Angebot eines Tunnelkompromisses bequemt. Wer ein solches Angebot ausschlägt, ist im Grunde der Schwache, Unsichere. Der CDU kann im Falle eines Titelverlustes für Dresden eigentlich niemand mehr glauben, eine wertkonservative Partei zu sein. Und den Dresdnern könnte man die werbewirksam behauptete Liebe zu ihrer Kulturstadt auch nicht mehr abnehmen. 57 Prozent der Einwohner der sich selbst gern verklärenden Stadt verzichten lieber auf den Welterbetitel und die Unversehrtheit der gelungenen Symbiose von Bau und Landschaft am Elbhang, wenn sie dafür einige fiktive Autominuten sparen.

Die Unesco-Entscheidung kommt aber auch einem Menetekel für die Bundesregierung gleich. Wohl behaupten einige Gutachten, die Welterbekonvention entfalte auch ohne ein Ratifizierungsgesetz juristische Bindewirkung für Länder und Kommunen. Mit einem solchen überfälligen Gesetz aber, das räumt sogar der ADAC ein, wäre es nie zu einem Bürgerentscheid, zum Baubeginn und zum jetzt drohenden Titelverlust und Imageschaden gekommen.

Auf ein Neues?

von Johannes Hellmich

Dann sagte er sich noch: Ich glaubte, ich sei reich durch eine einzigartige Blume, und ich besitze nur eine gewöhnliche Rose. Sie und meine drei Vulkane, die mir bis ans Knie reichen und von denen einer vielleicht für immer erloschen ist, das macht aus mir keinen sehr großen Prinzen … Und er warf sich ins Gras und weinte.
aus: „Der Kleine Prinz“
von Antoine de Saint-Exupéry

Wer in diesen Tagen nach Sevilla, des öffentlichen Bedauerns und der austarierten und aufgehobenen Schuldabwägung überdrüssig, nach weiteren Erklärungen für das Fiasko sucht, findet Anhaltspunkte eher etwas abseits. In heißlaufenden lokalen Gesprächsforen vor allem ist zu erfahren, was die Dresdner Bürgerseele vom Welterbeverlust hält und welchen Stellenwert das verlorene Prädikat in Teilen der Einwohnerschaft hat. Hier darf sich lang angestaute Verärgerung ohne Rücksicht auf kulturelles Räsonnement enthemmt freie Bahn brechen. Die Palette der Stoßseufzer ist überschaubar: Endlich vorbei, jetzt möge Ruhe einkehren und immer wieder auch Abrechnung mit der Welterbeidee und einer anmaßenden UNESCO. Statt Betretenheit angesichts der Blamage herrschen Triumphgefühl und Launigkeit vor.

Dass die Dresdner Oberbürgermeisterin von dieser Seite noch einmal Zustimmung für das Welterbeprogramm erhalten könnte, um ein weiteres Bewerbungsverfahren in Gang zu bringen, darf bezweifelt werden. Den Dresdnern nun ein neues Welterbe besorgen zu wollen, nachdem das alte kaputtgegangen ist, zeigt zudem, dass Frau Orosz offenbar die Handlungsmuster ihrer ursprünglichen Profession weiter auf das geistig-kulturelle Selbstverständnis einer Großstadt übertragen will. Dabei haben die letzten Kommunalwahlen der Union trotz massiver Begünstigung durch die Lokalpresse deutlich die Grenzen ihrer Ambitionen aufgezeigt. Die OBin kann nicht dauerhaft gegen große Teile der Bürgerschaft regieren. Das Ergebnis der Konservativen in jungen, familienorientierten Stadtteilen sollte auch für verkehrspolitische Dogmatiker in der Union ein Hinweis auf den Kurs der Wählerentwicklung sein. Ein Beharren auf der Brückenrealisierung könnte Stuttgarter Verhältnisse im Stadtrat eher noch beschleunigen.

Von der Welterbebewegung darf Orosz für ihre Idee, nach geeigneten Objekten für ein unverfängliches Welterbeetikett zu suchen, vermutlich ebenfalls kaum Unterstützung erwarten. Warum sollte, auch nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, das Ziel der Unversehrtheit der Elbwiesen am Waldschlösschen aufgegeben werden? Die Befürwortung eines Welterbeantrags light käme indes einer weiteren Beschädigung und Abwertung des Welterbeprogramms und der UNESCO gleich. Tatsächlich gibt es für Frau Orosz, wenn sie diese mitverschuldete Malaise konstruktiv auflösen will, letztlich nur die Alternative des angestrebten Baustopps oder die Einsicht, den weiteren Dresdner Weg für eine/n Nachfolger/in freizumachen, der oder die zumindest in der Lage ist, Gerichtsurteile seriös zu interpretieren. Das wäre ein Anfang.

Den Bürgerinitiativen ging es zu keinem Zeitpunkt um ein werbeträchtiges, austauschbares Etikett. Das hat man in der Union offenkundig bis heute nicht verstanden. Die Elbwiesen am Waldschlösschen gehören zu einer städtischen kulturellen Identität; sie sind umso kostbarer geworden, je mehr sich Bürger für ihren Erhalt engagiert haben. Daran ändert auch das beschämende Ergebnis von Sevilla nichts. Gleichwohl waren es nur noch wenige, die sich zuletzt aktiv für den Schutz des Elbtals im Sinne des Welterbegedankens einsetzten und den Stolz auf die internationale Ehrung nicht nur als Lippenbekenntnis ausgedrückt haben.

Eine erneute Bewerbung für Teile des Elbtals oder exponierte Baudenkmale im Stadtgebiet wäre ausschließlich parteipolitisch motivierte Schadensbegrenzung zum Nutzen von CDU und FDP; also ausgerechnet jener Kräfte, die ohne Bedenken die Konfrontation mit der UNESCO herbeigeführt haben in der Annahme, ein inkonsequentes und beeinflussbares Welterbekomitee würde vor der Streichung zurückschrecken. Diese Bewerbung wäre eine Ablenkung ohne Wert. Frieden brächte sie nicht, eher weitere Demütigungen. Der alte Hut vom verkleinerten Welterbegebiet ist indes von Seiten der UNESCO mehrfach zurückgewiesen worden. Auch den Imageschaden, den Dresden erleidet, könnte diese Farce nicht korrigieren; im Gegenteil – Dresden machte sich erneut lächerlich vor aller Welt.

Eine Verständigung der Stadtverwaltung mit den Bürgerinitiativen bleibt auf der Tagesordnung. Frau Orosz sollte möglichst noch vor einem Ansehensverlust ihrer Person beginnen, endlich verantwortlich nach einem Kompromiss im Welterbekonflikt zu suchen. Dresden hat noch immer die Chance, verlorene Reputation zurückzugewinnen.

von Prof. Hartmut Haenchen

Haben die Befürworter der unverhältnismäßig teuren, technisch rückständigen und ästhetisch katastrophalen Brücke, die Befürworter der Aberkennung des Welterbetitels, nicht immer von Demokratie geredet, die den Bau dieser Brücke zwingend notwendig macht? Haben nicht die gleichen Personen dieser Landesregierung und des Regierungspräsidiums und Teile des Stadtrates die demokratischen Mehrheiten dazu gezwungen, undemokratisch zu handeln? Immer unter Zustimmung der CDU? Dies obwohl die Mehrheit des Stadtrats zweimal die Zulässigkeit eines weiteren demokratischen Volksentscheides zur Elb-Querungsfrage befürwortet hat und einen Baustopp erwirken wollte.

Demokratie so zurechtgebogen, wie es die Mächtigen wünschen. Das kommt mir doch sehr bekannt vor.

Auch die Beschimpfung von anders Denkenden, wie es Arnold Vaatz (stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag) mit seinem Artikel über die Dresdner „Totalitäre Elite“ mit seinen Diffamierungen getan hat – der das Wort Demokratie immer im Munde führt – hat sich an die Spitze der undemokratischen Kräfte gestellt.

Ist nicht ständig mit falschen Zahlen und falschen technischen Argumenten zum Tunnelbau gehandelt worden? Inzwischen sind alle Argumente eindeutig widerlegt. Von den behaupteten 60 Mio., die er mehr kosten sollte, sind es inzwischen nur 29 bis 35 Mio. Gleichzeitig hat Dresden die Arroganz, viele Millionen aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung einfach zu verschenken. Wie kann man argumentieren, es gäbe kein Geld, wenn man gleichzeitig Millionen verschenkt?

Geht es denn wirklich nur um einen beliebigen Titel? Jede einzelne Welterbestätte ist ein Erbe der ganzen Menschheit und nicht nur eine Angelegenheit des Staates oder der Stadt, in dem es zufällig liegt. Nur in Dresden ist diese internationale Erkenntnis nicht angekommen. Sollte das „Tal der Ahnungslosen“ so langfristige Auswirkungen haben?

Gegen alle anders lautenden Behauptungen der Brückenbefürworter ist es tatsächlich so, dass der „Titel“ für alle Orte, die ihn erhalten haben und pflegen große Vorteile in jeder Hinsicht, auch über Umwegfinanzierungen, gebracht hat. Sind denn alle Länder, Städte und Orte der Welt so viel schlechter informiert als einige regierende Dresdner, die zu wissen glauben, was gut ist? Warum beantragen in einer einmaligen Aktion gerade zu dieser Stunde die Niederlande, Dänemark und Deutschland die Anerkennung des Wattenmeeres in die Liste der UNESCO? Alles Menschen ohne Einsichten? Nein, so wie die Dresdner, die in freiwilliger Arbeit Jahre zugebracht haben, um diesen Titel mit allen daraus hervorgehenden Rechten und Pflichten für uns zu Erstreiten – denen hier auch einmal Dank zu sagen ist – sind es diejenigen, die weitsichtig und verantwortungsvoll für die nächsten Generationen gehandelt haben.

Eine Reise nach Sevilla unserer Oberbürgermeisterin könnte sicher, wenn sie mit offenen Augen durch eine der 13 spanischen Welterbestädte gehen würde, sehr lehrreich sein. Sie hat aber die Gelegenheit vorbeigehen lassen und nicht gesehen, welche großen Vorteile für diese Städte in dem Titel liegen. Eine einminütige Rede konnte das Problem nicht klären und war die Reise nicht wert.

Aber der „Titel“ ist nur eine Seite. Für mich ist die Hauptsorge die Zerstörung der Einmaligkeit der Dresdner Stadt-Landschaft und Frau Minister Stange hat sicher nicht Unrecht, wenn sie von einem „Dammbruch“ spricht, der durch die Aberkennung des Titels in Bewegung kommt.

Nicht nur der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen, Martin Roth, hat festgestellt, dass es in Dresden in diesem Jahr einen Besucherrückgang von etwa zehn Prozent gegeben hat. Die Bürgermeisterin hat daraufhin gleich das ganze Touristikamt zerschlagen. Dresden hat sich in den letzten Jahren als Eulenspiegelstadt einen Namen gemacht und bezieht seinen Wert aus Kuriositäten (besser gesagt tragischen Entscheidungen): Die sowohl architektonisch und städtebauliche wie auch praktisch misslungene Neugestaltung des Postplatzes ist zur internationalen Lachnummer verkommen, das Kongresszentrum ist ein unzureichender, typisch Dresdner Kompromiss, die versuchte Abschaffung der Musikfestspiele ein Schlag gegen die Musikstadt Dresden. Unsere Stadtväter haben die falsche Frage für den Brücken-Volksentscheid gestellt, was uns nicht nur eine überteuerte Brücke beschert sondern Folgekosten, die sonst 6 andere Brücken der Stadt zusammen kosten und die bei der Kultur fehlen werden. Wir haben auch das Loch am Wiener Platz, welches mit Millionen zugestopft wird, weil niemand zur richtigen Zeit die richtige Entscheidung getroffen hat, wir haben mit dem neuen Baumgesetz den ohnehin schon weit fortgeschrittenen Kahlschlag der Natur beschließen lassen. Wir müssen zusehen, wie in Zukunft Schnellboote die Elbufer und Ruderer gefährden werden, weil einige Politiker die Zeichen der Zeit nicht sehen, dass Dresdens Stadtlandschaft immer mehr seine Anziehung aus der Entschleunigung ziehen könnte, die immer mehr gefragt sein wird. All dem folgte und folgt logischerweise ein drastischer Rückgang der Touristen, dem eine weitere Fehlentscheidung gegenübersteht: Der vollständig unverhältnismäßiger Neubau von Hotels.

Insgesamt ist in all diesen Projekten Geld einfach weggeworfen worden. Niemand soll behaupten, es gäbe keines.

Dies ist aber das Argument, um den Neubau eines Konzerthauses zu verhindern, der den Erhalt des Kulturpalastes in seiner denkmalgeschützten Form möglich machen würde. Dresden kann zurzeit weder wirklich einen Kammermusik- noch einen Konzertsaal für Sinfonieorchester anbieten. Wenn ich das im Ausland erzähle, glaubt mir das keiner.

Kultur erwirtschaftet mehr Volksvermögen als die Autoindustrie. Aber die Autoindustrie wird in der Krise gefördert, die Kultur weiter abgebaut.

Fußball hat weit weniger Besucher in Deutschland als Konzerte und Theater. Der Neubau des Dresdner Stadions, der fast ein Drittel eines Konzertsaales kostet, ist deshalb mit der Vorrangstellung, dem man diesem Projekt gegeben hat, schwer nachzuvollziehen. Dazu kommt vor allem aber, dass dieses Stadion keine Spitzen-Mannschaft hat. Für den Konzertsaal aber haben wir zwei Weltklasse-Mannschaften, die nicht irgendwie der 2. Liga erfolglos hinterherlaufen. Sie spielen auf den vordersten Rängen der Welt.

Warum sage ich das hier?

Was Dresden gegenüber anderen Städten heraushebt, ist die kulturelle Ausstrahlung. Kultur ist einer der wichtigsten Standortfaktoren. Unsere Stadt hat wegen des außerordentlichen Niveaus der Künste einen Namen in der Welt. Wer an Dresden denkt, denkt zuerst an die edle Symbiose von Landschaft und Stadt, erhöht durch Kunst, Kultur und Wissenschaft. Über Jahrhunderte wurde diese Einzigartigkeit gepflegt. Millionen Menschen besuchten deshalb unsere Stadt. Viele Arbeitsplätze vor allem in der Tourismuswirtschaft sind davon abhängig. Dresden lebt also auch von seinem positiven Image als Kulturstadt. Auch deswegen siedelten sich Investoren in Dresden an.

Unverantwortliche Regierende und einige die Bequemlichkeit vorziehende Bürger sind dabei, dies alles zu zerstören. Die ersten gravierenden Folgen sind schon zu fühlen.

Wir tragen vor aller Welt Verantwortung, um dieses Erbe zu schützen und in wahrer Demokratie den Volkswillen durchzusetzen.

Dieses Manuskript von Prof. Hartmut Haenchen wurde anlässlich der 33. Konferenz des UNESCO-Welterbekomitees in Sevilla am 25.06.2009 auf dem Dresdner Neumarkt von Klaus Gaber verlesen. Er ist Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Ehrenbürger Amsterdams, Ehrenbürger der Niederlande und Ritter im Orden des Niederländischen Löwen.

ein offener Brief
von Jana Knauth
Bürgerinitiative Welterbe Dresdner Elbtal

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

Sie haben nun die Tagung in Sevilla erlebt, erfahren, wie das Komitee diskutiert und entscheidet. Besonders die Verhandlungen, die vor dem Dresdner Elbtal stattgefunden haben, die über die Nationalparks im Kongo, wo Bürgerkrieg herrscht und ganz andere Voraussetzungen für den Schutz von Welterbestätten sind, müssten Sie doch beeindruckt haben. In diesem Augenblick muss doch auch Ihnen klar geworden sein, dass Dresden, als Stadt in einem reichen Land, als Teil der Kulturnation Deutschland, sich in dieser Frage unmöglich verhalten hat! Vor einem Jahr in Quebec hatte das UNESCO-Komitee ein eindeutiges Ultimatum gestellt und nun lediglich die Konsequenzen gezogen.

Einen Gesichtsverlust hat Ihnen die UNESCO damit nicht erspart, aber darauf hätten Sie auch nicht hoffen dürfen. Wer jahrelang alle Mahnungen ignoriert und keine echten Lösungsvorschläge unterbreitet, kann nicht auf Gnade hoffen.

Der Besuch in Sevilla und die nun getroffene Entscheidung – so sollte man meinen – hätten Sie zu der Einsicht geführt, dass die Brücke tatsächlich schadet, aber aus Ihren Äußerungen ist dies nicht zu entnehmen.

Aus welchem Grund sich die UNESCO schwer getan hat, liegt doch auf der Hand: Es fiel dem Komitee schwer, das Schutzziel aufzugeben und nur deshalb hat es mit Blick auf die Wiederherstellung des einzigartigen universellen Wertes der Stätte einen Rückweg eröffnet. Es ist nicht Aufgabe des Gremiums irgendjemanden zu bestrafen; anders als die Politik handelt es unabhängig und sachbezogen.

Verwundert hat mich Ihre folgende Aussage: „Dresden hatte sich voller Stolz auf die einzigartige Kulturlandschaft um den Titel beworben und die Stadt hat ihn auch voller Stolz getragen – unabhängig, ob man für oder gegen die Brücke gewesen ist. Die Verwaltung und die Stadtpolitik werden weiter das Dresdner Elbtal schützen und gemeinsam mit der Bürgerschaft aktiv bewahren, wie sie es auch in der Vergangenheit erfolgreich getan hat.“

Wo in der Stadt kann man denn den Stolz der Dresdner auf ihr Welterbe sehen? Fragen Sie doch in Ihrer eigenen Partei nach diesem Stolz! Ich nehme an, die meisten Ihrer Parteifreunde sind froh, dass der Status Welterbe Geschichte ist. Nirgendwo, außer an der Loschwitzer Kirche, konnte man etwas vom Welterbestatus des Elbtals sehen. Nicht mal für ein Autobahnschild hat’s gereicht (das ist Ländersache, ich weiß)! Die Stadt hat alles dafür getan, dass man es nicht sieht. Und die aktive Bürgerschaft, die jahrelang gewarnt und Öffentlichkeitsarbeit betrieben hat, wurde geschmäht und diffamiert.

Ich nehme Sie nun beim Wort: Schützen Sie das Elbtal vor weiteren Eingriffen und rehabilitieren Sie die UNESCO! Wenn nicht Sie, wer sonst kann den beschädigten Ruf der UNESCO in Dresden wiederherstellen?

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat die Streichung des Dresdener Elbtals von der Welterbeliste als „verheerendes Signal für den Schutz von seltenen Naturrefugien, Landschaften und Kulturdenkmälern in Deutschland“ bezeichnet. Der bereits begonnene Bau der Waldschlößchenbrücke sei ein klarer Verstoß gegen das UNESCO-Welterbe-Abkommen, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Da helfe es auch nichts, wenn sich die Sächsische Landesregierung und die Bundesregierung hinter einem wie auch immer gearteten „öffentlichen Interesse“ versteckten. Mache das Beispiel Dresden Schule, würden auch andere natur- und landschaftszerstörende Projekte Auftrieb erhalten. Dies gelte für die Elbvertiefung im Bereich des Welterbes Dessau-Wörlitzer Gartenreich, am Rhein im Falle der dort bei der Loreley geplanten Brücke, beim Ausbau der Havel nahe des Weltkulturerbes Potsdamer Schlösserlandschaft sowie beim Schutz des Nationalparks Hamburgisches Wattenmeer.

Der BUND und zwei weitere Naturschutzverbände hatten gegen die Waldschlößchenbrücke geklagt, weil das Projekt gegen europäisches Naturschutzrecht verstoße. Die Brücke und ihre Zufahrten gefährdeten geschützte Tierarten und verringerten außerdem die Fläche geschützter Auenwiesen an der Elbe. Neben der Zerstörung der einmaligen Elblandschaft führe die Brücke auch zur Verlärmung des Tals und einer Zunahme der Autoabgase. Die Waldschlößchenbrücke werde in den Stadtteilen Johannstadt, Blasewitz, Striesen sowie im Preußischen Viertel zusätzliche Verkehrsbelastungen verursachen.

Weiger: „Bei der Waldschlößchenbrücke ist der Naturschutz wieder einmal unter die Räder eines falsch verstandenen Wirtschafts- und Verkehrswachstums geraten. Die sächsische Landesregierung, die Verkehrsplaner und der ADAC haben der Stadt einen Bärendienst erwiesen.

Für Städte wie Dresden ist die mit der deutschen Einheit errungene hohe Qualität im Umwelt- und Naturschutz ist ein herausragender Standortfaktor. Dies haben die politisch Verantwortlichen und die beteiligten Unternehmen aufs Spiel gesetzt. Dresden ohne Welterbe Elbtal ist wie Dresdner Christstollen ohne Rosinen.“

Die Streichung des Dresdner Elbtales von der Welterbeliste durch das UNESCO-Welterbekomitee in Sevilla besiegelt die Zerstörung einer einmaligen Kulturlandschaft durch den Bau der Waldschlösschenbrücke. Uneinsichtige und kulturferne Landes- und Kommunalpolitiker haben alle bisherigen Vermittlungsangebote der UNESCO zum Erhalt des Welterbetitels brüsk ausgeschlagen. In beispielloser Sturheit wurden durch die Stadtverwaltung Dresden und die Staatsregierung des Freistaates Sachsen alle alternativen Lösungsansätze blockiert, der Wille von mehr als 50.000 Bürgern nach einem neuerlichen Bürgerentscheid missachtet, die Öffentlichkeit bewusst mit Falschinformationen zu einer möglichen Tunnelalternative getäuscht und die Gremien der UNESCO diffamiert. Die Aberkennung des Welterbestatus ist deshalb eine erwartete und folgerichtige Konsequenz.

In Würdigung des großen Einsatzes auch der Dresdner Welterbebewegung wurde in Sevilla jedoch ein Zusatzbeschluss formuliert, der Dresden die Wiedererlangung des Titels zusagt, wenn die Gründe, die zu dessen Verlust führten, nicht mehr bestehen.

Eine solche Rückkehr zur Vernunft ist noch möglich. Die UNESCO hat in den letzten Jahren klar erklärt, dass ein Tunnel und eine Fußgängerbrücke mit dem Welterbestatus vereinbar sind. Dieses Projekt ist technisch, finanziell und juristisch noch immer möglich – wenn es politisch gewollt ist. Hier sind Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Oberbürgermeisterin Helma Orosz in der Verantwortung.

Solange sich die politisch Verantwortlichen dieser vernünftigen Lösung weiter verschließen, sieht es die Welterbebewegung in Dresden als ihre Aufgabe an, die Forderung nach dem Erhalt und einer Wiederherstellung der unversehrten Kulturlandschaft Dresdener Elbtal – zu der Deutschland als Vertragstaat der UNESCO per Konvention verpflichtet ist – im politischen Raum und im Bewusstsein der Bürgerschaft aufrecht zu erhalten.

Thomas Löser sagte in diesem Zusammenhang: „Wir sollten diese Krise als Chance sehen. Dresden kann, indem es alte politische Grabenkämpfe endlich hinter sich lässt und geeint nach einer Lösung des Welterbekonfliktes sucht, dreierlei erreichen. Wir können das Weltkulturerbe zurückholen, wie es ich für eine Kulturstadt gehört. Wir können gemeinsam den tiefen Riss innerhalb der Bürgerschaft heilen. Wir können unsere wunderschönen Landschaftsraum und damit auch das Erbe unserer Vorfahren erhalten.“

Die Aberkennung des Welterbetitels durch die UNESCO ist konsequent und logische Folge der Ignoranz von Seiten der verantwortlichen CDU-, FDP- und ADAC-Funktionäre. Der gute Name unserer Stadt und das Ansehen Deutschlands als Kulturnation wurde für ein höchst zweifelhaftes Verkehrsprojekt und zur Durchsetzung von egoistischen Machtinteressen beschädigt. Der Bau der Waldschlößchenbrücke an dieser Stelle ist nicht mit dem Welterbe vereinbar und ein Tabubruch, den CDU, FDP und ADAC zu verantworten haben.

Die Aberkennung war absolut vermeidbar. Der Wunsch nach einer Elbquerung mit Welterbetitel wäre mit gutem Willen der Brückenbauer vereinbar gewesen. Es gab großzügige Kompromissvorschläge, aber schon immer wurden alle finanziellen, städtebaulichen und verkehrlichen Alternativen zu dieser Brücke von der benannten politischen Gruppe verhindert. Zwei Bürgerbegehren (1996 zum Mehrbrückenkonzept mit 60.000 Unterschriften, 2008 zum Tunnel mit 55.000 Unterschriften) durch das CDU-geführte Regierungspräsidium, heute Landesdirektion, unter fadenscheinigen Vorwänden abgeschmettert. CDU, FDP und ADAC beteiligten sich noch nicht einmal an der Perspektivenwerkstatt 2007 für alternative Brückenentwürfe. Lediglich eine geänderte Beleuchtung und kosmetische Veränderungen wurden als „Neue Waldschlößchenbrücke“ verkauft. Schon bei der Antragstellung für das Welterbe wurde gelogen, wichtige Unterlagen zurückgehalten und beim Bürgerentscheid 2005 durch Falschaussagen die Bevölkerung bewusst in die Irre geführt.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Brücken-Bürgerentscheid von 2005 Vorrang vor dem Völkerrecht gegeben, aber nur, wenn kein Kompromiss erreicht wird, wofür genügend Zeit war: Seit 2006 stand Dresden auf der Roten Liste der UNESCO, seit 2005 war das Problem bekannt – gewarnt haben wir davor schon zum Planfeststellungsverfahren 2003/2004. Wir haben uns nach 2005 – auch aus Respekt vor dem Bürgerentscheid – maximal bewegt, „Kröten geschluckt“, für einen Tunnel plädiert und unsere berechtigten verkehrlichen und finanziellen Kritikpunkte ausgeklammert um wenigstens das Erbe zu retten. Die „Brückenbauer“ haben alle Kompromisse verhindert.

„Brücken verbinden“ war in diesem Zusammenhang schon immer eine leere Phrase.

Unser jahrelanges Engagement mit Unterstützung von beachtlichen Teilen der Bürgerschaft (zu erinnern wäre z.B. an die große Welterbe-Demonstration am 25.03.2007) war nicht umsonst sondern Ausdruck von geistiger Unabhängigkeit, Zivilcourage und Weltoffenheit.

Noch ist die Genehmigung zum Brückenbau nicht rechtskräftig, denn die Klage der Grünen Liga vor dem OVG steht noch auf der Tagesordnung.

Brücke der Entzweiung

Unter diesem Titel ist ein bemerkenswerter Artikel von Peter von Becker im Tagesspiegel vom 21.06.2009 erschienen.

Dass sich die Landeshauptstadt Dresden in Fragen des Baus der Waldschlößchenbrücke weder der UNESCO noch der eigenen Bevölkerung gegenüber nie redlich verhalten hat, ist bekannt. Wie dreist sie sich verhält, überrascht gleichwohl immer einmal wieder. So zeigt eine aktuelle Analyse der Planungsunterlagen (pdf-Datei, 4.791 kB), dass alles andere gebaut wird als die mühevoll zum Kompromiss hochstilisierte Burger-Brücke.

Unsere Oberbürgermeisterin Helma Orosz reist nicht etwa nach Sevilla, um beim UNESCO-Weltebekomitee um Verständnis zu werben – nein, sie reist, um das Weltebekomitee einmal mehr vorzuführen.

Was lernen wir daraus: Die Landeshauptstadt handelt schon heute nach der Devise:

Ist der Ruf erst ruiniert,
baut sich’s völlig ungeniert.

Die Sorge, dass eine weitere, aggresive Verwertung der bislang geschützten und noch unverbauten Elbauen und Elbhänge ansteht, erscheint berechtigt – noch eher als ohnehin schon erwartet: heute schon.

Die Fakten

Mit den im folgenden angeführten Punkten soll der Hintergrund und der Entstehungsweg des Dresdner Brückenstreits noch einmal kurz und übersichtlich dargestellt werden.

Zur Durchsetzung des Baus der Waldschlößchenbrücke

Die durchgängige Ausweisung des gesamten Flusslaufes der Elbe auf dem Gebiet Sachsens als europäisches Vogelschutzgebiet – mit der einzigen Ausnahme eines kurzen, innerstädtischen Abschnitts in Dresden – zeigt, dass bereits zu einem frühen Zeitpunkt Planungshindernisse für die Waldschlößchenbrücke aus dem Weg geräumt werden sollten.

Kartenmaterial von 1995 weist noch den gesamten Elbraum als „denkmalgeschützten Bereich“ aus. Im Jahr 1999 sprechen das städtische Denkmalamt im Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege von einer „überaus empfindlichen Beschneidung des typischen weiträumigen Stadt-Landschaftsbildes“ durch den geplanten Brückenbau. Auf wundersame Weise ändert sich jedoch die Meinung der amtlichen Denkmalschützer. Das Areal der Waldschlößchenwiese wird aus dem denkmalgeschützten Bereich ausgespart und 2003 lautet dann plötzlich das Urteil: „aus denkmalpflegerisch konservatorischer Sicht bestehen gegen das [Brückenbau-] Vorhaben keine Einwände.“ Nicht ohne Bitterkeit stellten sie im Jahr 2006 fest, dass das sog. „Aachener Gutachten“ ihre ursprüngliche Einschätzung bestätigt.

Das Verkehrskonzept, aus dem die Notwendigkeit des Brückenbaus abgeleitet wird, stammt aus dem Jahr 1994. Seitdem haben sich die Verkehrszahlen drastisch verändert. Die Durchschnittsgeschwindigkeit des innerstädtischen Verkehrs in Dresden gehört zu den deutschlandweit höchsten. Gern wird zudem die Entlastung des vorgeblich baufälligen Blauen Wunders als eines der Hauptziele des Brückenbaus angeführt; jedoch erwarten Studien, die selbst von den Brückenbauern angeführt werden, eine Abnahme der Verkehrs auf dem Blauen Wunder von nur 10% bei gleichzeitiger Zunahme des Verkehrs parallel zur Elbe über den Schillerplatz.

In einer ersten Phase der Auseinandersetzung mit der Tunnelalternative wurde ihre Machbarkeit mit vollkommen abstrusen Argumenten grundsätzlich in Zweifel gezogen – obwohl bereits bei der Abwägung im Planfeststellungsbeschluss zum Brückenbau ein Elbtunnel als machbare (wenn auch nicht vorzugswürdige) Alternative angeführt wird. Spätestens seit der Fachklausur „Elbtunnel Dresden“ am 06.03.2008 an der TU Dresden steht außer Frage, dass der Bau eines Elbtunnels ein realistisches Szenario darstellt.

Als „Fachinstanz“ zur Rechtfertigung derartiger Positionen wurde die Ingenieurkammer, welche personell mit der Bürger-Initiative Pro Waldschlößchenbrücke verflochten ist, in Stellung gebracht. Sie vertrat fachlich vollkommen unhaltbare Positionen, erfuhr jedoch keinen Widerspruch aus Fachkreisen, weil insb. selbständige Ingenieure mit ihrer beruflichen Exstenz von der Kammer abhängig sind.

In einer zweiten Phase konzentrierten sich die Kritiker auf vermeintliche Mehrkosten für einen Tunnelbau. Häufig ist von „mindestens 100 Millionen Euro“ die Rede. Der Dresdner CDU-Chef Lars Rohwer verstieg sich sogar zu einer Schätzung von über 200 Millionen Euro – dabei haben selbst die von der Stadt Dresden bestellten Gutachter im Verfahren der Naturschutzverbände vor Gericht bestätigt, dass die Mehrkosten bei 29 bis 38 Millionen Euro liegen.

In einer dritten Phase wurde (mit Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts im Verfahren der Naturschutzverbände) behauptet, der Elbtunnel sei „nicht genehmigungsfähig.“ Das ist auch Kern der Argumentation, mit welcher die Oberbürgermeisterin Helma Orosz ihr Vorgehen vor dem UNESCO-Welterbekomitee im Sevilla rechfertigen möchte. Das tut sie, obwohl mittlerweile drei Gutachten (von Prof. Bernhard Rauch, von Prof. Martin Gellermann sowie von Prof. Alexander Schmidt) belegen, dass so etwas aus dem Urteil keineswegs herauszulesen ist und obwohl das UNESCO-Welterbezentrum in Paris über diese Tatsache umfassend informiert ist.

Zur Meinungsbildung in Dresden

Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Wolfgang Donsbach von der TU Dresden veröffentlicht regelmäßig Umfragen zu politisch relevanten Fragen. Da er selbst Kommunikationskonzepte im Auftrag der CDU entwickelt und Teile seines Lehrstuhls von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung finanziert werden, ist seine eigene Haltung nicht neutral. Seine Umfragen genügen wissenschaftlichen Mindestanforderungen an Transparenz und Reproduzierbarkeit nicht. Sie geben daher nicht das Meinungsbild in Dresden wieder – vielmehr sind sie selbst Mittel der Meinungsbildung.

Im Sommer 2008 kam eine Umfrage des Soziologen Prof. Karl-Siegbert Rehberg von der TU Dresden zu dem (für alle Seiten überraschenden) Ergebnis, dass sich eine Mehrheit der Dresdner Bevölkerung unter einhaltbaren Vorbedingungen (Machbarkeit und Finanzierbarkeit) für den Bau eines Elbtunnels ausspricht – insbesondere im Hinblick auf die Erhaltung des Welterbe Dresdner Elbtal. Genau diese Mehrheit der Dresdner Bevölkerung ist es, welche durch die Blockierung des Bürgerentscheids zur Tunnelalternative daran gehindert wird, ihre Meinung zu artikulieren und durchzusetzen.

Die Dresdner Lokalpresse hat es bis auf Einzelfälle nicht geschafft, den Diskussionsprozess um die Waldschlößchenbrücke und das Welterbe sachlich, distanziert und kritisch zu begleiten. Vielmehr gibt sie die Auffassungen der verschiedenen Konfliktparteien regelmäßig unreflektiert und zu oft fehlerhaft wieder. Es bleibt offen, ob das nur ihrem Unwillen oder gar ihrem Unvermögen zuzuschreiben ist, sich mit diesem für Dresden bedeutsamen Thema tatsächlich auseinanderzusetzen.

Namhafte und verdienstvolle Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft, die sich für eine welterbeverträgliche Elbquerung einsetzen, werden von Dresdner CDU- und FDP-Bundestagsabgeordneten öffentlich und in unflätigster Weise beschimpft. Für den Welterbeerhalt engagierte Dresdner werden bedrängt und in ihrer beruflichen Existenz bedroht. Gerichtsverfahren werden gezielt eingesetzt, um die Welterbe-Bewegung zu behindern und ihren Handlungsspielraum einzuschränken.

Zum Verhalten der Bundespolitik

Bundespräsident Horst Köhler ist nach eigenem Bekunden über den Dresdner Welterbekonflikt umfassend informiert. Das muss die internationale Wirkung des Vorganges zwangsläufig einschließen. Dass er sich dennoch nicht positioniert, kann nur mit Parteienlogik erklärt werden: Da der Welterbe- oder Tunnelkompromiss absurder Weise dem linken Lager zugeordnet wird, blieb für Horst Köhler (genauso wie für Angela Merkel) kaum Spielraum, sich gegen die „wahren Demokraten“ um Arnold Vaatz, Kurt Biedenkopf usf. durchzusetzen. Einen Verstoß Deutschlands gegen Artikel 4 bis 7 der UNESCO-Welterbekonvention nimmt er dabei billigend in Kauf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel meint auch: „Eine Streichung des Dresdner Elbtals aus der Welterbeliste würde das Ansehen Deutschlands und das Verhältnis Deutschlands zur UNESCO erheblich beeinträchtigen.“ Auch nach ihrer Auffassung sind Sachsen und Dresden an die Welterbekonvention gebunden und brechen mit ihrem Vorgehen Völkerrecht. Gleichwohl unternimmt sie nichts, ihre hiesigen Parteifreunde daran zu hindern. Auch ihre Haltung lässt sich nur aus der Interessenabwägung heraus erklären.

Das Auswärtige Amt hat mehrfach und nachdrücklich versucht, auf die Sächsische Landesregierung Einfluss zu nehmen. Nicht nur von dieser Seite ist die mangelnde Kompromissfähigkeit der sächsischen Regierungsvertreter wiederholt beklagt worden. Auch Außenminister Frank Walther Steinmeier sieht Sachsen in der Pflicht, äußert sich dazu aber nicht öffentlich. Es ist anzunehmen, dass für ihn der Verlust des Welterbes politisch besser zu verwerten ist, als ein Engagement im Ringen um seinen Erhalt.

Der Dresdner Bundestagsabgeordnete Jan Mücke nutzt mit einer gewissen Regelmäßigkeit Anfragen im Deutschen Bundestag, um vorgeblich die Bundespolitik zu einer Positionierung im Dresdner Brückenstreit zu zwingen. Immer wieder sind seine Anfragen bewusst irreführend formuliert, zum Teil stellt er Sachverhalte falsch dar. Derartige Anfragen dienen ausschließlich der eigenen Profilierung und haben bislang in keinem Fall konstruktiv zu einer Lösung des Welterbekonflikts in Dresden beigetragen.

Zu juristischen Aspekten

Für renommierte Juristen steht die Bindungswirkung der Welterbekonvention vollkommen außer Frage. Die (Schutz-) Behauptung der Brückenbauer, Dresden und Sachsen seien nicht an die Welterbekonvention gebunden und damit gar nicht zum Schutz und Erhalt des Welterbes Dresdner Elbtal verpflichtet, entbehrt nicht nur jeglicher Grundlage – sie ist auch widersinnig, weil es doch Dresden und Sachsen selbst waren, die sich um den Welterbetitel beworben und sich damit bewusst den Regularien der UNESCO unterworfen haben.

Für renommierte Juristen steht außer Frage, dass auch mit Mitteln der direkten Demokratie nicht gegen internationale Verträge verstoßen werden darf. Bürgerentscheide, mit denen Völkerrecht gebrochen wird, sind schlicht unzulässig. Das Bundesverfassungsgericht nahm eine diesbezügliche Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an und hielt es lediglich für „verfassungsrechtlich möglich,“ dass sich ein Bürgerentscheid durchsetzt, „wenn zuvor in einem Verhandlungsprozess erfolglos nach einer Kompromisslösung gesucht wurde“ – was nie wirklich geschehen ist. Die zum Kompromiss hochstilisierte „Burger-Brücke“ hat in der Öffentlichkeit bestenfalls ein Kopfschütteln ausgelöst, weil selbst für geübte Beobachter der Unterschied kaum erkennbar war. Die Schöpfer dieses „Kompromisses“ haben sich zwischenzeitlich fast alle von dieser Form der Kompromisssuche distanziert (einschließlich des ehem. Baudirektors der Frauenkirche, Eberhard Burger).

Es gibt kein Gerichtsurteil, welches die Unzulässigkeit des Elbtunnel-Bürgerbegehrens feststellt, sondern nur die Entscheidung, dass das Bürgerbegehren nicht mit einer einstweiligen Verfügung herbeigeführt werden kann. Die Gerichte sagen nur, dass die Brücke gebaut werden kann. Kein Gericht sagt, dass die Brücke gebaut werden muss, oder dass der Tunnel nicht gebaut werden darf.

Zum Umgang mit der UNESCO

Die Behauptung, die UNESCO sei von Anfang an über die Brückenplanungen informiert gewesen, ist die Lebenslüge der Brückenbauer. Sie ist zweifelsfrei widerlegt. Der Besuch der ICOMOS-Gutachter im Rahmen der „Reinforced Monitoring Mission“ am 04./05.02.2008 in Dresden verlief vollständig abgeschottet von der Öffentlichkeit. Die Vertreter der Landeshauptstadt und des Freistaates hatten demnach zwei Tage lang optimale Bedingungen, um Missverständnisse auszuräumen und für ihren „Kompromiss“ zu werben. Das Urteil der Gutachter fiel dennoch unmissverständlich aus: Der Brückenbau zerstört das Welterbe Dresdner Elbtal. Ein Welterbe-Erhalt ist nur mit dem Elbtunnel möglich.

Die Lokal- und Landespolitik lässt keinerlei ehrliche Bemühung um eine Verbreitung des Welterbegedankens erkennen. Das steht im Widerspruch zu den Verpflichtungen, die sich aus Artikel 5 der UNESCO-Welterbekonvention ableiten. Auch Veranstaltungen wie der Welterbetag können nicht darüber hinwegtäuschen, dass ausnahmslos alle von der Stadtverwaltung abhängigen Personen und Institutionen systematisch behindert werden, sobald sich ihr Engagement für das Welterbe gegen den Brückenbau richtet. Nach wie vor profilieren sich Politiker in Dresden damit, die UNESCO als undemokratisch zu diffamieren. Das wirft ein Schlaglicht auf ihre Gedankenwelt und lässt erahnen, wie sie die Dresdner (respektive ihre Wähler) einschätzen. Und das Verhalten der Politik zeigt Wirkung: Eine Mehrheit der Dresdner hält den Welterbetitel für verzichtbar, wie eine Umfrag am 19.06.2009 ergab.

Der Beschluss des Welterbekomitees in Quebec im Juli 2008, das Welterbe Dresdner Elbtal könne nur mit einem sofortigen Baustopp für die Brücke erhalten werden, lässt keine Deutungen zu. Wenn Politiker – allen voran Helma Orosz, Lars Rohwer und Jan Mücke – dennoch glauben machen, es gäbe noch Verhandlungsspielraum und man wolle für den Welterbetitel kämpfen, dann ist das bewusste Wählertäuschung. Es zeugt gleichwohl nicht von maßloser Selbstüberschätzung: Nein, das Zerwürfnis mit der UNESCO wurde von den Sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt systematisch vorbereitet – erinnert sei nur an die unsäglich arroganten Bemerkungen vom „verzichtbaren“ Welterbe – und von der Dresdner Politik bewusst und gezielt herbeigeführt.

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