Wer schweigt, stimmt zu!

Am 11.02.2009 besuchte Bundespräsident Horst Köhler anlässlich einer Podiumsdiskussion das Kloster Marienthal in Ostritz. Gegen 16:30 Uhr erreichte er das Kloster und traf dort auf zwei Vertreter der Dresdner Welterbebewegung mit ihrem Transparent:

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Die Situation vermittelte im ersten Moment vielleicht den Eindruck, dass es sich um einen geplanten Punkt im Protokoll handele. So baute sich der Tross zunächst vor dem Transparent auf und unser Welterbefreund Michael Grasemann nutzte die Gelegenheit für seine erste Rede an den Bundespräsidenten:

Er forderte den Bundespräsidenten auf, sich zu dem Thema Welterbe zu positionieren und sich für den Erhalt des UNESCO Welterbes Dresdner Elbtal einzusetzen. Es sei alles andere als eine regionale Angelegenheit. Er erinnerte ihn an die Verantwortung, die er als Deutsches Staatsoberhaupt für die Einhaltung der Konventionen der Vereinten Nationen hat.

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Der Bundespräsident kam daraufhin auf die beiden Demonstranten zu und gab ihnen die Hand zur Begrüßung. Im weiteren Gespräch erinnerte Michael Grasemann den Bundespräsidenten daran, dass in der Vergangenheit 14 Briefe engagierter Dresdner Bürger zum Thema des Welterbeerhalts an ihn gerichtet wurden. Alle wurden von ihm nur mit Standardbriefen beantwortet. Darauf erwiderte er in lässigem Tonfall: „Dann schreiben Sie eben noch weitere 15!“

Es mag sein, dass die gesamte Situation für Horst Köhler etwas überraschend zustande kam. Von daher war seine Bemerkung sicher nicht sonderlich diplomatisch formuliert – ehrlich aber allemal: Sie spricht Bände darüber, welche Bedeutung unser Bürgerpräsident den Anliegen beimisst, welche von Bürgern an ihn herangetragen werden. Das sollten sich die Bürger bewusst machen. Seine Bemerkung verrät zugleich aber auch einiges darüber, wie der Bundespräsident über das Welterbe und damit über das Verhältnis von Deutschland zur UNESCO denkt. Es verbleibt als Aufgabe für die Diplomatie, dies richtig einzuordnen.

Der Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten verbietet es, den Vorfall mit deutlicheren Worten zu werten. Der Respekt vor der Person Horst Köhler hat gleichwohl bei der Gelegenheit ein wenig gelitten.

Im übrigen haben die zahlreichen anwesenden Vertreter lokaler Medien diese kleine Geschichte aus ihrer Berichterstattung ausgeklammert – gewiss in Wahrung ihrer fürsorglichen Pflicht, ihre Leser, Hörer und Zuschauer vor derart verstörenden Nachrichten zu schützen. Sie würden damit wohl mehr Fragen aufwerfen, als sie zu beantworten imstande wären.

Stadtautobahn gedeckelt

Aus Hamburg ist Erfreuliches zu vernehmen: Der Bund ermöglicht die Nutzung von Deckelflächen über der A7. Die Umwelt-Senatorin Anja Hajduk frohlockt: „Mit dem Ausbau der A7 eröffnet sich für Hamburg die einmalige Chance, ein seit fast 40 Jahren durch die Autobahn zerstörtes Stadtgefüge zu heilen. Drei Deckel von zusammen fast vier Kilometern Länge sollen Raum für Parkanlagen, Spielflächen und Kleingärten bieten und lassen die getrennten Stadtteile Othmarschen, Bahrenfeld, Stellingen und Schnelsen wieder zusammenwachsen. Diese historische Gelegenheit dürfen wir nicht verpassen.“

Was lässt sich daraus für Hamburgs Partnerstadt Dresden ableiten? Zweierlei:

Zunächst einmal lernen wir, dass Hamburg offensichtlich endlich beginnt, die Verkehrsbausünden der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts zu heilen. Dresdens Verkehrspolitik hat ganz offensichtlich heute genau das damalige Entwicklungsniveau: Wir bauen eine (O-Ton der UNESCO-Gutachter:) „autobahngleiche“ Brücke an der schönsten Stelle des innerstädtischen Elbtals und zerteilen es damit irreversibel. Es bleibt demnach zu hoffen, dass im Jahr 2049 über den Ersatz der Waldschlößchenbrücke durch einen Elbtunnel nachgedacht werden wird. Bis dahin haben vermutlich auch die Brückenfreunde, die ja bekanntlich besonders häufig in der Altersgruppe jenseits der 50 vertreten sind, ihren Widerstand gegen dieses Vorhaben aufgegeben.

Darüber hinaus könnte man mutmaßen, dass hier die Politik des christdemokratischen Ersten Bürgermeisters Freiherr von Beust (nicht Träger von zehn, sondern nur der drei Vornamen: Carl-Friedrich, Arp und Ole) beginnt, Züge seines grün-alternativen Koalitionspartners zu gewinnen. Das lässt hoffen, denn auch in Dresden ist die bündnisgrüne Verkehrspolitik der christdemokratischen ganz offensichtlich um Jahrzehnte voraus. – Was nicht heißen soll, dass man den hiesigen Bündnisgrünen die Dresdner CDU als Koalitionspartner wünschen sollte. So übel kann man ihnen nun wirklich nicht mitspielen wollen.

Wenn das Salz stumpf wird

Sichert das Ende aller Geschichte
der sächsischen Union ewige Macht?
fragt Johannes Hellmich

Tapfer lacht der Mann in die Kameras. Er müht sich redlich und verstecken geht nicht. Immer öfter posiert er für bessere Stimmung unter seinen Landsleuten. Verständnis haben und den Menschen zuhören; darin ist er mindestens so gut wie Bürgerpräsident Köhler. Es sind Nuancen, die den Unterschied ausmachen und Unsicherheit verraten. Im Grunde bleibt er ein Mann der zweiten Reihe: Sich hocharbeiten, geräuschlos, loyal bis an das Zentrum provinzieller Macht heran. Verlässlichkeit ausstrahlen. So hätte es noch lange bleiben können. Ausgerechnet das Versagen seines Hauses katapultiert den Finanzminister ganz nach oben. Sein Mentor hat aufgegeben und lässt den Getreuen allein zurück. Über Nacht muss der jetzt diese riesige Last schultern, muss selbst jene Zuversicht vermitteln, die das ostdeutsche Musterländle durch schwere Zeiten führen soll. Der sympathische, etwas scheue Stanislaw Tillich ist plötzlich sächsischer Ministerpräsident.

Sein Einstieg steht freilich unter keinem guten Stern: das Landesbankdesaster wird Vorbote einer weltweiten Implosion der Finanzstrukturen. Dennoch schreiben die sächsischen Blätter für den Sorben eine Art Neuanfang herbei. Manche verkünden gar das Ende der Nachwendezeit (merkwürdig genug; hat 1964 noch jemand von Nachkriegszeit gesprochen?). Die Aufregung über den Notverkauf der Bank legt sich auf wunderbare Weise. Lange Zeit hört man nichts von dem Neuen.

Dann der Paukenschlag. Öffentliche Erregung zunächst über Tillichs frühere Anpassung an das SED-Regime. Der Bloßgestellte reagiert beleidigt. Er wähnt sich als Opfer einer Kampagne. Seine Kariere in der CDU-Ost wird zur Via Dolorosa umgedeutet. Den staunenden Ostdeutschen erklärt Tillich noch einmal die DDR. Erneut muss König Kurt eingreifen, um Schlimmeres zu verhindern. Wortgewaltig hilft er seinem Nachfolger aus der Bredouille, wenn auch mit den gleichen verlogenen Argumenten. Patriotische Leserbriefe füllen daraufhin wochenlang die sächsische Presse. Da ist sie wieder, jene Bunkermentalität, die Partei und Volk in schwerer Stunde zusammenrücken lässt.

Vielleicht hat Tillich als Staatsmann mehr Glück. Er wagt sich auf internationales Parkett, fast rutscht er aus: Auf einem glamourösen Ball in der Landeshauptstadt überreicht er seinem russischen Amtskollegen und kaukasischen Helden einen Dankesorden. Harald Schmidt wird den Fauxpas mit beißender Häme bundesweit bekanntmachen. Dem Image des bescheiden gebliebenen Politarbeiters Tillich tut die Karnevaleske glücklicherweise keinen Abbruch. Er schweigt. Die richtige Antwort gibt er auf dem Parteitag der sächsischen Union im Januar. Hier darf er Führungsstärke beweisen: Die CDU-Cousins Kolbe und Winkler sind wegen der Schwarztank-Affäre außer Rand und Band. Auch Haiderverehrer Schimpff lässt sich kaum noch kontrollieren. Tillich wird strahlender Sieger des Treffens. Seine Parteifreunde schicken ihn mit fast 99 Prozent Zustimmung als Spitzenkandidat in die Landtagswahl, um der Union für weitere Jahre die Vorherrschaft in Sachsen zu sichern. Für den Mann mit dem treuherzigen Blick ein Selbstläufer. Man redet von Alleinregierung und rechnet intern mit erstarkten Freidemokraten. Zu befürchten ist von denen ohnehin nichts. Aber eben auch nichts zu erwarten.

Einige Kilometer nördlicher Richtung stellt mit Qimonda ein Leuchtturm des christdemokratischen Wirtschaftswunders Ost den Signalbetrieb vorerst ein.

Ende der Geschichte

Die Inszenierung sächsischer Landespolitik als Realsatire wird vermutlich auch in der nächsten Spielzeit fortgesetzt. Die Besetzung der Hauptrollen ist ohne Belang. Selbst der muffige Geruch des Theaters wird bleiben. Das Bühnenbild ist furchtbar genug: barocker Kitsch und Betonwut sorgen für Platzangst. Zuständig für ein wenig Klamauk ist offenbar die Junge Union. Unvergesslich immerhin, wie sie im letzten Jahr mit selbstgefertigten Fledermauskostümen die Aufmerksamkeit einer Welterbekundgebung zu provozieren suchte. Ob die jungen Wilden aus meist gutem Hause davon später ihren Kindern berichten? Auch der jüngste Coup der Dresdner Union verrät Sinn für Überraschendes; die Präsentation des farbigen DJs Abdulaye beim Kampf ums Rathaus. Wird die Theaterzeitung titeln: Obama-Effekt – Union bezwingt endlich die Neustadt? Das wäre ein Ansatz. Mehr dramaturgische Einfälle sind den Autoren zu wünschen! Das unerschöpfliche Thema liegt auf der Hand: die Kulturrevolution der CDU in Sachsen. Wäre das nicht ein schönes Bild: Ein dicklicher Altstudent mit Nickelbrille würde entblößten, kriechenden Kunst-Komparsen mit blutigen Striemen das Wort Blockadeelite einpeitschen; während Sisyphos Rohwer auf einem steingrauen Hüpfball über die Elbwiesen springt. Nach einem furiosen Finale steckt die einzig übriggebliebene Dame in Schwarz jedem Gast mit feierlichem Ernst eine weiße Rose an und fährt davon mit dem Sohn des Sonnengottes Helios (gespielt von Werner Patzelt). Don’t cry for me Argentinia. Aber – nichts davon passiert. Das traurige Heimatstück erzeugt als Endlosschleife nur immer wieder Leere; es betäubt den Verstand und stumpft ab, so dass wir die eigentliche Handlung nicht mehr erkennen. Mancher Zuschauer mag unwillkürlich an Fukuyamas These vom Ende der Geschichte denken. In Sachsen hat man ihren Beweis erbracht.

Anpassung als Überlebensfrage

Schieben wir also die Theaterkulissen beiseite. Treten wir aus der Dumpfheit ins Freie; Hoffnung wird der Aufmerksame überall finden. Lernen wir wieder, Fragen zu stellen. Warum nicht auch zu dem Stück, das wir so gut zu kennen glauben. Wie lange mag so ein Aufbau sozialer Marktwirtschaft dauern? Oder: Sind wir noch immer Teil eines geheimnisvollen Transformationsprozesses? Stoff genug zum Nachdenken. Die Lageberichte sind widersprüchlich. Allen gemeinsam scheint indes eines: Die eingeforderte Bereitschaft zur Veränderung. Flexibilität lautet denn auch einer der prägendsten Begriffe dieser Zeit. Irgendwie ein Herrschaftswort, das sich trotz häufigen Gebrauchs kaum abnutzt. Aber was steckt dahinter? Wettlauf fällt mir ein; vielleicht ein Rennen ohne Ziel, die Jagd, die Grundvoraussetzung des Überlebens. Zur Anpassung gehört Schnelligkeit. Schnelligkeit verlangt Beschleunigung. Zeit zum Nachdenken kann und soll nicht sein. Reflexion wird unnötig, weil das Gestern schon nicht mehr auffindbar ist. Flexibilität ist ein Wort der Entgrenzung. Auch Verzicht steckt darin. Dieser Verzicht wird belohnt. Das suggeriert derjenige, der Flexibilität fordert. Aber er legt sich nicht fest. Biegsam sind auch die Fordernden. In der Wirtschaft, aber mehr noch in der Politik. Die sächsische Union ist ein schönes Beispiel dafür. Trotz ihrer Dominanz bleibt sie inhaltlich (abgesehen vom Bekenntnis zu ihren Klassikern Erhard und Adenauer und ein bisschen friedlicher Revolution) schwer fassbar. Das scheint ein Vorteil gegenüber der Geradlinigkeit sozialistischer Parolen zu sein.

Wird sich denn niemals etwas ändern?, fragst du. Ich habe zwei Antworten. Die erste ist schnell gesagt. Sie mag dir gefallen oder nicht: Ja sicher, irgendwann bestimmt, aber im Moment … Die Leute wollen, was sie gewöhnt sind, gerade in schwierigen Zeiten. Das Problem ist die Schwäche der SPD. Und so weiter. Die Begründungen kennst du alle selbst. Die andere Antwort ist etwas schwieriger und wenig schmeichelhaft für uns. Ich kann sie aber nicht anders geben:

Der ungeschriebene Gesellschaftsvertrag in Sachsen beruht auf einer monströsen Erpressung, deren Urheber nach der Wende die eigentliche Vox Populi wurde: „Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr!“ Die Forderung nach dem Erbteil aber wurde zur Patientenverfügung; die Einwilligung in ein künstliches Wachkoma; hoch dosiert versorgt mit Solidarleistungen. Auf dieser Intensivstation befinden wir uns noch immer, längst herausgefallen aus Raum und Zeit. Frage dich selbst, was sich in zehn, in fünfzehn Jahren verändert hat. Gemessen an gesellschaftlicher Entwicklung früherer Dekaden schrumpft diese Zeit zusammen auf 100 DM Begrüßungsgeld für eine freie Welt, die für viele Terra incognita bleibt. Die Vormundschaft des Realsozialismus ist weitergegeben worden. Diesmal an die Partei mit dem C.

Die sogenannte Angleichung der Lebensverhältnisse (an vornehmlich süddeutsche Standards) darf denn auch als das Treueversprechen zwischen uns und der Partei gelten. Der Bund, den eine Allianz für Deutschland mit dem Wahlvolk geschlossen hat, ist auf Ewigkeit angelegt. Die Verheißung der Angleichung ist zugleich Legitimation ihrer Herrschaft. Eine Einlösung ist im Zweifelsfall erst in ferner Zukunft fällig. Das schadet der Vision nicht. Sie hat das Denken und Handeln vieler Sachsen völlig durchdrungen, obschon der „Abstand“ zu den alten Ländern unverändert geblieben ist. Nicht nur in ökonomischer Hinsicht. Auch ungleich höhere Arbeitslosigkeit trotz aller statistischen Raffinesse, soziale Entwürdigung auf verschiedenen Stufen des Abstiegs können die Hoffnung nicht trüben, die Aufholjagd doch noch zu gewinnen. Nebenbei reproduziert die gemeinsame Anstrengung noch mehr Zusammengehörigkeit.

Potemkinsche Dörfer

Du wirst längst bemerkt haben, dass die neuen Herren viel schlauer als die alten sind. Sie verstehen es, ihre Gedanken gut zu verbergen, wenn sie etwas sagen. Ihre Worte lassen Raum für Auslegungen. Oft ist die eigentliche Absicht das genaue Gegenteil des Wortsinns. Nicht selten führen sie auf eine falsche Fährte. Wichtig wird dann, was genau nicht gesagt wird. So etwas nennt man Euphemismus. In der Kunst der geschickten Wortwahl sind sie unübertroffen. Darin liegt ein großer Teil ihrer Macht. Aber nicht immer gelingt das. Ich will dir ein Beispiel dafür nennen. Vor einigen Tagen hat Bundespräsident Horst Köhler die Lausitz besucht, um sich über eine Region im demographischen Wandel zu informieren. So der offizielle Sprachgebrauch, den die Medien übernommen haben. Gemeinsam mit Tillich traf er auf seiner Fahrt durch Potemkinsche Dörfer auf Menschen, die der Strukturkrise trotzen. Die beiden besten Zuhörer der Republik waren beeindruckt vom Widerstandswillen der daheim gebliebenen Alten und Schwachen und lobten sie wie Kleinkinder. Was die Formulierung vom demographischen Wandel verdeckt, ist etwas sehr Konkretes. Verödung und Überalterung ganzer Landstriche in den neuen Ländern werden so als ein Prozess naturgesetzlicher Unabwendbarkeit beschrieben; in Wahrheit sind sie zuallererst reale Folge politischen Versagens. Für die Rahmenbedingungen des Gedeihens der Lausitzer Region zeichnet die sächsische Union verantwortlich. Nicht die DDR. Und nicht die Finanzkrise. Christdemokratische Familienpolitik hat dazu beigetragen, dass die massive Abwanderung junger Menschen und ganzer Familien seit der Wende nie aufgehört hat. Mancher wird sich noch an die groteske Situation erinnern, als im Jahr 2000 das Arbeitsamt Bautzen arbeitslosen Fachkräften die Übersiedlung nach Bayern mit einem Wegegeld erleichterte. Die Union redet dennoch gern von der Erfolgsgeschichte der sozialen Marktwirtschaft. Hast du bemerkt, dass es nach fast 20 Jahren noch kaum Arbeitnehmervertretungen in klein- und mittelständischen Unternehmen gibt und dass Arbeitgeber sich nicht sonderlich um eine Sozialpartnerschaft bekümmern? Lange nach dem Chaos der Nachwendezeit werden Menschen in den Betrieben noch immer niedergehalten und nach Belieben hinausgeworfen; Rechtsbrüche aller Art machen Geschäftsführern keine Kopfschmerzen. Es ist der reale Teil jener Wertegemeinschaft, die die Union so gern im Mund führt.

Der weiße Wal

Aber was genau hat es auf sich mit dieser Wertegemeinschaft? Ziehen wir alle sozialen, ökonomischen und demokratischen Glaubensbekenntnisse ab, die sich fast gleichlautend auch in den Programmen der politischen Konkurrenz finden, bleibt als Alleinstellungsmerkmal vor allem eine gemeinsame Klammer: Der irrationale Hass auf alles, was als links verdächtigt wird. Dieser Antikommunismus mit seinen tausend Spielarten ist die hysterische Jagd der Union auf den weißen Wal, die jeden vernünftigen Gesellschaftsdiskurs unmöglich macht – eingeschlossen die Verkehrspolitik. In seiner provinziellen Ausformung wird er zugleich Antiintellektualismus. Im einstigen Hoffnungsträger der CDU-Ost, Arnold Vaatz, mag man unschwer den von Rachsucht besessenen Kapitän Ahab erkennen, der im Ringen mit dem teuflischen Ungetüm einst sein Bein verlor. Alle an Bord der sächsischen Pequod werden eingeschworen auf die Verfolgung der Bestie. Ein politisches Borderline-Syndrom bestimmt die Route der Geisterfahrt. Es ist knapp zwei Jahre her, dass Vaatz in einem CDU-Journal Bürger dieser Stadt verunglimpft hat, die es wagten, ein überdimensioniertes Verkehrsprojekt noch einmal zu hinterfragen. Markiert dieses Pamphlet, für das die inhaltliche Zustimmung weiter Teile der sächsischen Union als sicher gelten darf und das im weiteren Verlauf der Parteiaustritte vom Kreisvorsitzenden Rohwer indirekt gebilligt wurde, den Point of no Return? Dafür spricht einiges. Es war nicht nur der Moment, in dem letzte vernünftige Argumente auf dem Kollisionskurs mit der (vermeintlich feindlichen) UNESCO über Bord geworfen wurden. Zum ersten Mal auch trat für die Öffentlichkeit eine latente Haltung in der Union zu zentralen Fragen der Demokratie, Kultur und Ökologie überraschend klar zu Tage. Für Herrn Vaatz jedenfalls blieb die Angelegenheit offenbar ohne Folgen. Er wird für die CDU wohl weitere vier Jahre dieses Land im Bundestag vertreten.

Wenn man so will, sorgt er auf bescheidenem Niveau noch immer für Kurzweil. Das Gezerre um die Gedenkfeiern zum 13. Februar bot günstige Gelegenheit. Der oberste Walfänger wusste der Linken die Schuld am braunen Aufmarsch zuzuweisen.

Einer, für den die Dresdner Tragödie 1945 Rettung bedeutete, weil er im Chaos der Bombardements dem Transport in den sicheren Tod entkommen konnte, war der Rabbinersohn Victor Klemperer. Wo würde er die Ursachen für den Marsch der neonazistischen Kolonnen durch Dresden in diesen Tagen sehen? Würde der politisch denkende Mensch Klemperer, der 1945 in die KPD eintrat, fragen, wer Hitler als Reichskanzler an die Macht brachte? Würde der Philologe Klemperer darauf hinweisen, dass das, was sich heute so unverfänglich die Mitte nennt, damals Zentrum hieß? Würde der rassisch Verfolgte die Parteien nennen, die für das Ermächtigungsgesetz stimmten und damit das Tor zur Hölle ganz aufstießen? Linke gehörten nicht dazu. Aber nicht wenige Namen von Abgeordneten, die am 23. März 1933 mit Ja votierten, tauchten nach Kriegsende in eben jener Partei auf, die auch für Herrn Vaatz politische Heimat ist. Der geschmeidige oder treffender: flexible Umgang der Union mit historischen und politischen Zusammenhängen bleibt jedoch nicht auf ihre Protagonisten wie Arnold Vaatz beschränkt. Er ist Konsens einer Wertegemeinschaft.

Ihr seid das Salz der Erde.
Wenn nun das Salz nicht mehr salzt,
womit soll man salzen?
Es ist zu nichts mehr nütze,
als dass man es wegschüttet
und lässt es von den Leuten zertreten.
Matthäus 5, 13 (aus der Bergpredigt)

Und dennoch: Eine gemäßigte konservative Kraft ist unverzichtbar für ein pluralistisches demokratisches Gefüge. Wenn christliches Selbstverständnis ihr Handeln bestimmt, kann sie sogar so etwas wie das Salz für diese Gesellschaft sein. Eine Rückbesinnung auf die eigentlichen Stärken einer verlässlichen Werteorientierung, Subsidiaritätsdenken und Schutz eines bürgerlichen Individualismus in Verantwortung wäre ihr zu wünschen. Kompromissfähigkeit und ein konstruktiver Umgang mit Kritik können neu erlernt werden. Nicht wenige Welterbefreunde hoffen noch immer auf die Umkehr zu einer bürgerlichen Politik, der sie sich verbunden fühlen können. Das Aufeinanderzugehen im Welterbekonflikt wäre ein guter Anfang.

Das Bild vom Salz der Erde bleibt noch in einer anderen Hinsicht interessant. Es beschreibt ein Spannungsverhältnis von Mehrheiten zu Minderheiten. Beide brauchen einander, solange das Salz seine Kraft behält. Ein Zuviel macht das Essen ungenießbar. Das passiert dann, wenn Machtinteressen von Parteien dem Gemeinwohl entgegenstehen. Wird das Salz unbrauchbar, schütten es die Leute weg, heißt es im Gleichnis. Das wird nicht gehen, wirst du vielleicht sagen; es gibt ja sonst keins. Und wenn doch? Vielleicht sieht es nur etwas anders aus – grün zum Beispiel.

Die teuerste Innenstadtbrücke Deutschlands kostete bisher 156 Mio. Euro und wird nun mit weiteren 15 Mio. Euro Mehrkosten nochmals wesentlich teurer (zum Vergleich: die Brücke Niederwartha kostete 40 Mio. Euro). Es ist vorherzusehen, dass diese Kostenerhöhung nicht die letzte sein wird.

Die jetzt bekannt gewordene Verteuerung entspricht genau dem Mehrbetrag von 15,6 Mio. Euro, der zum Bau eines welterbeverträglichen Tunnels notwendig wäre. Die Mehrkosten für einen Tunnel im Vergleich zur Brücke betragen 10%. Diese Tatsache wurde im Oktober 2008 vor dem Verwaltungsgericht Dresden festgestellt und von der Landeshauptstadt bestätigt. Diese seriöse Kostenschätzung wird bis heute in der Öffentlichkeit unterschlagen. Die Dresdner CDU und die Stadtverwaltung Dresden sprechen noch immer von absurden Mehrkosten für den Bau eines Tunnels in Höhe von bis zu 100 Mio. Euro.

Auch die aktuellen, von der Landeshauptstadt Dresden selbst vorgenommenen Verkehrserhebungen werden nicht bekannt gegeben. Diese würden zeigen, dass die angestrebte Entlastung der Innenstadtbrücken von 30.000 Fahrzeugen pro Tag – die immer als Begründung für den Bau der Waldschlößchenbrücke angeführt wurden – bereits seit mehreren Jahren durch den Verkehrsrückgang in Dresden erreicht wird.

Auch werden von der Stadt Dresden die Beschlüsse der UNESCO vom Sommer 2008 nicht anerkannt. Auf die Anfrage eines Dresdner Stadtrates, inwiefern die Oberbürgermeisterin Orosz die Beschlüsse des Stadtrates zum Erhalt des Welterbes in Dresden umsetzt, antwortete sie, dass „Dresden die Waldschlößchenbrücke weiter baut, die mit Hilfe engagierter Bürger und der Stadt Dresden umgeplant und jetzt welterbeverträglich ist.“ Damit ignoriert sie das einhellige Urteil der Fachgutachter wie auch die Tatsache, dass es nicht die Landeshauptstadt ist, die darüber zu befinden hat, ob die Elbquerung welterbeverträglich ist oder nicht.

Thomas Löser sagte in diesem Zusammenhang: „Es ist sehr enttäuschend, dass bisher weder die angekündigten Gespräche der Stadt Dresden mit der UNESCO, noch die vom Stadtrat beauftragte Mittelsuche für eine welterbeverträgliche Lösung durch die Oberbürgermeisterin Orosz stattgefunden haben. Die CDU sollte doch endlich ehrlich bekennen, dass sie das Welterbe in Dresden weder retten kann noch will. Alles andere ist unredlich.“

Das Welterbe-Büro in der Kamenzer Straße 45 hat neue Öffnungszeiten. Die neuen Präsenzzeiten sind:

am Montag, Mittwoch und Freitag
von 16:00 bis 18:00 Uhr.

Im Welterbe-Büro erhalten Sie:

  • Welterbe-Aufkleber (z.B. für das Auto)
  • Welterbe-Plakatstreifen in drei verschiedenen Größen (für Schaufenster, Schaukästen, Wohnungsfenster, Veranstaltungen)
  • Welterbe-Buttons (25 mm große Hingucker in Blau-Weiß-Blau für die Jacke)
  • Welterbe-Pins (dezenter Anstecker in Silber-Blau für den Anzug)
  • Welterbe-Balkon-Banner (210 cm × 70 cm im Hoch- und Querformat – nur auf Bestellung)

Ferner gibt es pünktlich zum Wahljahr das Buch „Das System Biedenkopf“ von Michael Bartsch (236 Seiten, Verlag Edition Ost). Es ist im Jahr 2002 erschienen und hat nichts an Aktualität eingebüßt.

Zu diesem Thema findet eine zweiteilige Veranstaltung statt: Am 27.02.2009 um 19:30 Uhr hält Dr.-Ing. Sebastian Storz (Architekt und Bauhistoriker) einen Vortrag im Lingnerschloss (Bautzener Straße 132). Für die musikalische Umrahmung sorgt Florian Schumann (Flügel). Am 28.02.2009 lädt Dr. Storz um 15:00 Uhr zu einem Stadtspaziergang ein.

Der Eintritt für eine Veranstaltung beträgt 9 € (ermäßigt 7 €), für beide Veranstaltungen zusammen 15 € (ermäßigt 10 €). Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Eine Anmeldung wird unter Telefon 6465382, Fax 6465381 oder per E-Mail unter info@lingnerschloss.de erbeten.

Eduard Zeterea
fragt sich:

Hat sich der Bundespräsident Horst Köhler auch nur ein einziges mal zum Verlust des Welterbe Dresdner Elbtal geäußert?

Nun lehrt uns die Kommunikationswissenschaft: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Will sagen: Selbst, wenn man zu einer Sache schweigt, kommuniziert man damit doch zumindest, dass sie einem gleichgültig ist oder dass man ihr gar seine Zustimmung bewusst versagt. Diese Regel gilt nicht nur für das Kommunizieren. Sie gilt auch für das Handeln, wie uns das folgende Beispiel zeigt:

Susanne Knaack, Mitinitiatorin des Bürgerbegehrens „Welterbe erhalten – Elbtunnel bauen“, schrieb am 20.01.2009 einen Brief an den Bundespräsidenten Horst Köhler. Darin bat sie ihn, das Ringen um die Realisierung einer welterbeverträglichen Elbquerung in Dresden mit seiner Autorität zu unterstützen. Die Antwort aus dem Bundespräsidialamt kam prompt, am 03.02.2009. Das ist überraschend – weniger ist es ihr Inhalt:

Zunächst heißt es: „Der Bundespräsident verfolgt die Diskussion … aufmerksam und hat sich umfassend … unterrichten lassen.“ Das bedeutet schon einmal, dass Horst Köhler sehr genau weiß, worum es – auch für das Ansehen der Bundesrepublik – geht. Bedauerlicher Weise, heißt es weiter, und „mit Blick auf das anhängige gerichtliche Verfahren muss er [der Bundespräsident] es sich versagen, in der Sache Stellung zu nehmen.“ Diese Begründung überrascht nur noch den, der nicht weiß, dass in der Angelegenheit im Laufe der vergangenen Jahre ein gutes Dutzend Briefe an den Bundespräsidenten gegangen sind und allesamt mit dieser oder einer ähnlichen Absage beschieden wurden.

Damit könnte man es bewenden lassen. Die Schreibfreudigen unter den Welterbefreunden können sich getrost ein anderes Betätigungsfeld suchen. Eines muss aber noch klargestellt werden: Es ist keineswegs so, dass der Bundespräsident nicht vermittelnd tätig werden kann. Nein, Fakt ist, dass er nicht tätig werden will. Wie das?

Zunächst einmal ist das Thema für den Bundespräsidenten relevant. Dass er ihm Aufmerksamkeit schenkt, sagt er selbst. Darüber hinaus wäre festzuhalten, dass in Dresden seit Jahren und mit einer solchen Hartnäckigkeit über das Thema gestritten wird, weil es eben nicht nur um die Ausgestaltung einer Verkehrslösung geht. Am Brückenbau hat sich vielmehr eine grundsätzliche Wertedebatte entzündet. Im Kern geht es um die Frage, wie verantwortungsbewusst und nachhaltig wir mit dem (Welt-, Natur-, …) Erbe unserer Vorväter umgehen wollen. Wollen wir es verbrauchen (für eine Fahrzeitersparnis) oder wollen wir es erhalten (für unsere Kinder)? Sowohl der Umstand, dass es hier um eine Frage allgemeiner gesellschaftlicher Relevanz geht, als auch die Tatsache, dass die Bürgerschaft einer ganzen Stadt darüber tief gespalten ist, und dass überdies die Kommunal- und Landespolitik offensichtlich unfähig (wenn nicht gar unwillig) ist, Kompromisse zu finden, sollten Horst Köhler eines deutlich machen: Es bedarf tatsächlich einer Instanz wie dem Bundespräsidenten, um die verhärteten Fronten aufzulösen. Es gibt nur wenige, die wie er so weit über den Dingen stehen, dass nicht auch ihr Wort sofort als Parteinahme begriffen wird und so von allen Seiten gleichermaßen Gehör findet. Wen gäbe es noch?

Im übrigen geht der Verweis auf „anhängige gerichtliche Verfahren“ am Thema vorbei: Der Konflikt in Dresden kann nur auf politischem Wege gelöst werden. Gerichte können das nicht leisten. Überdies klingt der Verweis an sich wenig überzeugend. Bedenken wir doch bitte eines: Es ist wohl eher die Regel als die Ausnahme, dass der Bundespräsident von Bürgern angerufen wird, wenn (in welchem Zusammenhang auch immer) das Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens dem gesunden Menschenverstand oder ihrem natürlichen Rechtsempfinden zuwider läuft. Würde es sich der Bundespräsident tatsächlich in allen diesen Fällen „versagen, in der Sache Stellung zu nehmen,“ muss schon die Frage erlaubt sein: Wozu brauchen wir dann einen Bürgerpräsidenten?

All das legt den Schluss nahe, dass Horst Köhler sich an der Dresdner Welterbedebatte nicht beteiligen will.

Warum das so ist, darüber soll an dieser Stelle nicht spekuliert werden. Dazu kann sich jeder selbst seinen Teil denken. Erinnert sei nur noch einmal an die Kommunikationswissenschaft. Sinngemäß könnte unser Lehrsatz auch lauten: „Man kann nicht nichts tun.“ Will sagen: Wenn man in einer Angelegenheit nichts tut, so lässt man doch zumindest etwas geschehen.

Es gibt viele, die sich letzten Endes um den Bau der Waldschlößchenbrücke und die Zerstörung des Welterbe Dresdner Elbtal „verdient“ gemacht haben werden. Die einen durch ihr Tun, die anderen durch ihr Unterlassen. Letztere sind auffallend häufig in Berlin anzutreffen. Von ihnen allen wird der Verlust des Welterbes ganz gewiss bedauert werden. Auch von Horst Köhler. Vielleicht sogar in einer Sonntagsrede.

Welterbe im Gespräch

Das Welterbezentrum Dresdner Elbtal schreibt auf seiner WebSite: „Um den Welterbegedanken in der Dresdner Öffentlichkeit entgegen allen abwertenden Äußerungen und Handlungen lebendig zu halten und den Blick auf andere Kulturstätten und ihre Reichtümer, ihre Ausstrahlung und ihre spezifischen Probleme zu richten, hat das Welterbezentrum Dresdner Elbtal die Veranstaltungsreihe ,Welterbe im Gespräch‘ ins Leben gerufen. Trotz des begonnenen Brückenbaus am Waldschlösschen führen wir unsere Serie fort.“

Die nächste Veranstaltung dieser Reihe trägt den Titel: „Welterbe im Umbruch – Die Städte Usbekistans“. Sie findet am 19.02.2009 um 19:00 Uhr im Festsaal des Lingnerschlosses, Bautzner Straße 132, statt. Referent ist Jens Jordan von der TU Dresden.

Die Welterbebewegung Dresdens bedauert die Absage des für Ende Februar geplanten Weltkulturforums. Das Weltkulturforum hätte der Entwicklung unserer Stadt viele wichtige Impulse geben können – auch und vor allem zu Zielen und Werten, die für die künftige Entwicklung unserer Stadt von großer Wichtigkeit sind.

Um dieser Wertedebatte eine Plattform zu verschaffen, hat sich die Welterbebewegung dazu entschlossen, am 14.03.2008 ein Weltkulturerbe-Forum mit einer Fachveranstaltung und einer Kundgebung zu organisieren. Sobald die Vorplanungen abgeschlossen sind, wird auch an dieser Stelle über Einzelheiten informiert.

Wenn Betonköpfe bauen …

Wohin das führt, hat Dresden inzwischen gelernt – sollte man meinen. Das scheint aber nicht uneingeschränkt der Fall zu sein. Den Welterbefreunden ist oft genug vorgehalten worden, sie würden mit ihren Vorbehalten gegenüber dem Brückenbau fortschrittsfeindliche Ressentiments pflegen. Das Gegenteil ist der Fall: Dresden soll kein Museumsdorf werden. – Dresden soll aber auch nicht zu einer Ausstellung zur westdeutschen Verkehrspolitik der 1970er Jahre verkommen.

Dass einige dies offensichtlich noch immer nicht begriffen haben, lässt sich an folgendem Beispiel leicht ablesen:

Christdemokratische Schnellstraßen

Unter diesem Titel erschien am 11.02.2009 ein Zwischenruf von Peter Ufer in der Sächsischen Zeitung. Er schreibt „über die Debatte um den Boulevard auf der Kesselsdorfer“:

Was passiert zurzeit mit der Verkehrsplanung in der Stadt? Die Christdemokraten setzen sich mehr und mehr damit durch, den Verkehr wieder zu beschleunigen. Dazu gehört der Versuch, den Boulevard auf der Kesselsdorfer Straße zu verhindern. Dazu gehört der Versuch, die Freiberger Straße, die bisher unter der Bahnbrücke gegenüber des WTC gesperrt ist, wieder zu öffnen. Und das, obwohl längst eine Umgehungsstraße existiert. Dass selbst Händler mobil machen, um den Boulevard auf der Kesselsdorfer zu verhindern, muss verwundern. Es gibt längst genug Beispiele dafür, dass eine autofreie Einkaufsmeile bessere Umsätze bringt. Außerdem führt die Idee zu mehr Wohnqualität und wertet den Stadtteil auf. Die Christdemokraten setzen sich mit der Waldschlößchenbrücke durch, wollen die Bautzner in Teilen vierspurig ausbauen, und auch die Königsbrücker soll zur Schnellstrecke werden. Nicht zuletzt geschieht all das, weil es für den Straßenausbau reichlich Fördermittel gibt. Es wäre ein Jammer, wenn die gute Idee vom Boulevard scheitert. Und alles neu zu planen, wird außerdem verdammt teuer.

Dem kann man nur zustimmen, und ergänzen: Auch der rücksichtslose Ausbau der Leipziger Straße zur Schnellstraße hat im vergangenen Jahr die Emotionen der Anwohner hochkochen lassen. In diesem wie in vielen anderen Fällen war es die Sächsische Staatsregierung, die über die Landesdirektion der Landeshauptstadt Dresden vorgeschrieben hat, was sie zu bauen hat.

Die Europäische Stadt

Dass solch unerfreuliche Entwicklungen keineswegs Naturgesetzen folgen, sondern durchaus kritisch hinterfragt werden dürfen, kann der interessierte Dresdner z.B. in der Volkshochschule lernen. Sie bietet unter dem Titel „Die Europäische Stadt. Mythos und Wirklichkeit“ eine Veranstaltung über drei Abende an, die wie folgt motiviert wird:

Der Deutschamerikaner Peter Marcuse hat jüngst die Frage gestellt: „Verschwindet die europäische Stadt in einem allgemeinen Typus der globalisierten Stadt?“ Seine Antwort reiht sich in die seit Jahren erhobene Klage gegen eine „Amerikanisierung unserer Städte“ ein. Gemeint ist damit deren Zerstörung durch überdimensionierte Verkehrstrassen und eine Bebauung, die austauschbar ist. Dem steht die Besonderheit und Beständigkeit des Typs der „europäischen Stadt“ gegenüber. Unverwechselbar bleiben die Städte nicht zuletzt dann, wenn an die topographischen und historisch-vorgeprägten Gegebenheiten angeknüpft wird. An einzelnen Fallbeispielen – Dresden, Zürich, München … – soll den Chancen einer Entwicklung nachgegangen werden, die den Charakter der jeweiligen Städte zu bewahren versucht.

Referentin ist Dr. Heidrun Laudel. Die Veranstaltung findet jeweils dienstags, am 13. 03., 17. und 31.03.2009 von 19:00 bis 20:30 Uhr im Gebäude der Volkshochschule (Schilfweg 3) statt. Die Teilnahme kostet 15 € und muss bei der Volkshochschule per Telefon unter 0351-25440-0 oder über das Internet unter www.vhs-dresden.de angemeldet werden.

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